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Mirabegron bei überaktiver Blase: Zusatznutzen nicht belegt

 

Köln (1. September 2014) – Mirabegron (Handelsname: Betmiga) ist seit Dezember 2012 zugelassen zur Behandlung von Erwachsenen mit überaktiver Blase. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat mit einer frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft, ob dieser neue Wirkstoff gegenüber der vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Zusatznutzen bietet.

Mirabegron zeigt einen Vorteil in Bezug auf Nebenwirkungen: Im Vergleich mit Tolterodin tritt Mundtrockenheit seltener auf. Bei den Endpunkten Mortalität, Morbidität und Lebensqualität lässt sich kein Zusatznutzen feststellen. Weil im Herstellerdossier Auswertungen für die Gesamtpopulation zu den patientenrelevanten Morbiditätskriterien Inkontinenz und Dranginkontinenz fehlen, ist eine abschließende Abwägung positiver und negativer Effekte zum Zusatznutzen nicht möglich. In der Gesamtschau ist deshalb ein Zusatznutzen für Mirabegron nicht belegt.


Übermäßig aktive Blasenmuskulatur führt zur Reizblase

Frauen und Männer mit einer überaktiven Blase (Reizblase) haben einen deutlich erhöhten Harndrang, den sie nur schwer oder gar nicht mehr kontrollieren können (Inkontinenz). Die erhöhte Zahl von Toilettengängen kann das Leben sehr beeinträchtigen. So müssen Menschen mit einer Reizblase nachts häufiger aufstehen (Nykturie) und können deswegen kaum durchschlafen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Nur wenn zuvor andere Ursachen wie Harnwegsinfektionen, Nervenerkrankungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten ausgeschlossen worden sind, ist eine Diagnose auf überaktive Blase möglich. Als eine Hauptursache gilt, dass die Blasenmuskeln übermäßig aktiv sind und sich zu oft anspannen. Wie es dazu kommt, ist nicht bekannt. Mirabegron soll die Blasenmuskeln entspannen und den Harndrang lindern.


G-BA legt zweckmäßige Vergleichstherapie fest

Zur Behandlung von Erwachsenen mit überaktiver Blase hat der G-BA sieben verschiedene Wirkstoffe als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt: Darifenacin, Fesoterodin, Flavoxat, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin, Trospiumchlorid. Diese Wirkstoffe gehören zur Gruppe der Anticholinergika, die Nervenreize in der Muskulatur unterbrechen und so zu einer Entspannung der glatten Blasenmuskulatur führen.

Im Herstellerdossier wird Mirabegron verglichen mit Tolterodin. Mirabegron ist ein sogenannter β3-Adrenozeptoragonist und aktiviert die entsprechenden Rezeptoren in den Muskelzellen der Harnblase, so dass sich die glatte Muskulatur ebenfalls entspannt.


Bei Dauertherapien sind Langzeitdaten wesentlich

Das IQWiG schloss eine Langzeitstudie (179-CL-049) in die Bewertung mit ein, die der Hersteller zwar berichtete, aber nicht heranzog, um einen Zusatznutzen abzuleiten. Weil für die Behandlung einer Reizblase eine Dauertherapie notwendig ist, liefert diese Studie mit einer Laufzeit von 12 Monaten und mehr als 800 Patientinnen und Patienten pro Studienarm die wesentliche Datenbasis für die Bewertung von Mirabegron. Ergänzend wurden die Ergebnisse aus vier kleineren Kurzzeitstudien mit einer Dauer von jeweils 12 Wochen für die Dossierbewertung herangezogen.

Das durchschnittliche Alter der überwiegend weißen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer lag zwischen 54 und 60 Jahren. Mit zwei Dritteln bis drei Vierteln überwog der Frauenanteil in den Studien deutlich.


Keine Unterschiede bei Mortalität, Morbidität und Lebensqualität

Bei Stärke, Häufigkeit und Beeinträchtigungen durch Harndrang und bei der Häufigkeit von Nykturie zeigten sich keine relevanten Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. Aus diesen Ergebnissen zur Morbidität lässt sich kein Zusatznutzen von Mirabegron ableiten und zu weiteren maßgeblichen Aspekten der Morbidität fehlen Daten: So liefert das Herstellerdossier zu Inkontinenz und Dranginkontinenz keine Ergebnisse für die Gesamtpopulation.

Auch in Bezug auf die Sterblichkeit unterschieden sich die Ergebnisse statistisch nicht signifikant. Und Patientinnen und Patienten, die Mirabegron einnahmen, bewerteten ihre Lebensqualität nicht anders als diejenigen, die Tolterodin verwendeten. Somit ergaben sich auch hier keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen.


Vorteil von Mirabegron bei Nebenwirkungen

Schwere Nebenwirkungen oder Abbrüche wegen Nebenwirkungen traten bei der Behandlung mit Mirabegron mit rund fünf Prozent genauso häufig auf wie mit Tolterodin. Allerdings berichteten Patienten unter Mirabegron seltener von Mundtrockenheit. Daraus ergibt sich ein Beleg für einen geringeren Schaden bei nicht schwerwiegenden Nebenwirkungen mit dem Ausmaß beträchtlich.


Abwägung zum Zusatznutzen nicht möglich

In der Gesamtschau lässt sich für Mirabegron kein Zusatznutzens ableiten, weil es aufgrund der fehlenden Daten zu den Endpunkten Inkontinenz und Dranginkontinenz nicht möglich ist, positive und negative Effekte abschließend abzuwägen. Deshalb ist ein Zusatznutzen von Mirabegron gegenüber Tolterodin nicht belegt.


G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Mirabegron zu finden.

 

 

Weitere Informationen

 

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 01.09.2014 (tB).

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