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Simeprevir bei Hepatitis C – Zusatznutzen bei bestimmten Patienten

 

Köln (1. September 2014) – Zur Behandlung von Erwachsenen mit einer chronischen Hepatitis-C-Infektion steht seit Mai 2014 auch der Wirkstoff Simeprevir (Handelsname Olysio) zur Verfügung. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat mit einer frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft, ob dieser neue Wirkstoff gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Zusatznutzen bietet.

Das Herstellerdossier liefert Hinweise auf und Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen von Simeprevir, wenn die Patientinnen und Patienten mit einer Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) vom Genotyp 1 zuvor unbehandelt waren oder nach zunächst erfolgreicher Therapie einen Rückfall hatten. Das Ausmaß des Zusatznutzens lässt sich aber nicht einstufen. Bei Erwachsenen mit einer HCV-Infektion vom Genotyp 1, bei denen eine frühere Behandlung keine Wirkung hatte (Nonresponder), sieht das IQWiG einen Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen. Für zwei weitere Indikationen fehlen verwertbare Daten, weshalb ein Zusatznutzen nicht belegt ist.


Unterschiedliche Virustypen bewirken Entzündung

Hepatitis-C-Viren (HCV) befallen die Leber und können dort eine Entzündung auslösen. Wird diese chronisch, kann sie zu einer Zirrhose führen, bei der die Leber zunehmend schlechter arbeitet. Zudem steigt das Risiko für Leberkrebs (hepatozelluläres Karzinom, HCC). Simeprevir soll die Vermehrung von HCV hemmen. Experten gehen davon aus, dass Behandlungen, nach denen im Blut dauerhaft keine Viren mehr nachweisbar sind (dauerhaftes virologisches Ansprechen, SVR), das Risiko für Folgeerkrankungen verringern.

Es gibt sechs verschiedene Haupttypen (Genotypen) des Hepatitis- C-Virus, die sich in über 60 weitere Unterformen aufgliedern. Verschiedene Medikamente sind nicht gegen alle Viren gleich wirksam. Der Genotyp 1a kommt häufiger in den USA vor, der Genotyp 1b häufiger in Europa.


Vergleich mit dualer Therapie oder Triple-Therapie

Simeprevir wird ergänzend zu den bisher verfügbaren Wirkstoffen Peginterferon alfa und Ribavirin verabreicht, in bestimmten Fällen auch ergänzend zu Sofosbuvir und Ribavirin. Gemäß Zulassung werden dabei bestimmte Patientengruppen unterschiedlich lang behandelt.

Abhängig von Patientenmerkmalen kommen als Vergleichstherapie eine duale Therapie mit Peginterferon alfa (Immunstärkung) und Ribavirin (Virostatikum) und eine Triple-Therapie infrage, bei der Peginterferon und Ribavirin zusätzlich mit einem Proteasehemmer (Boceprevir oder Telaprevir) kombiniert werden.

Für Erwachsene mit chronischer HCV-Infektion vom Genotyp 1 ohne Leberzirrhose hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sowohl die duale Therapie als auch die Triple-Therapie als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt. Der Hersteller unterscheidet in seinem Dossier dabei drei Gruppen: unbehandelte (therapienaive) Patienten, erfolglos vorbehandelte Patienten (Nonresponder) und solche, die nach zunächst erfolgreicher Behandlung einen Rückfall hatten (Relaps-Patienten).

Für therapienaive Patienten mit Leberzirrhose, für Patienten mit chronischer HCV-Infektion vom Genotyp 1 und zusätzlicher HIV-Infektion sowie für Patienten mit einer chronischen HCV-Infektion vom Genotyp 4 sollte Simeprevir nur mit der dualen Therapie verglichen werden.


Surrogatendpunkt für Morbidität lässt Ausmaß eines Zusatznutzens offen

Zwar ist das „dauerhafte virologische Ansprechen“ (SVR) per se kein patientenrelevanter Endpunkt und daher nicht mit „Heilung“ gleichzusetzen. Und Studien, in denen SVR als Surrogatendpunkt nach den üblichen Kriterien des IQWiG abgesichert wurde, gibt es nicht. Dennoch akzeptiert das Institut hier SVR als Ersatzkennzeichen für das verminderte Auftreten von Leberkrebs. Denn Patientinnen und Patienten, bei denen das Hepatitis-C-Virus nicht mehr nachweisbar ist, haben nach derzeitigem Stand des Wissens ein geringeres Risiko für Leberkrebs.

Allerdings ist nicht geklärt, bei wie vielen Betroffenen Simeprevir tatsächlich Leberkrebs verhindern kann. So bleibt unklar, ob ein Zusatznutzen als gering, beträchtlich oder erheblich einzustufen ist. Gemäß Rechtsverordnung ist der Zusatznutzen damit "nicht quantifizierbar".


Hinweis auf Zusatznutzen bei Erwachsenen ohne Vorbehandlung

Für therapienaive Patientinnen und Patienten mit HCV-Infektion vom Genotyp 1 (mit oder ohne Leberzirrhose) standen Daten aus drei Studien zur Verfügung (PILLAR, QUEST-1 und QUEST-2). Alle Studienteilnehmer erhielten jeweils Simeprevir oder Placebo in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin (duale Therapie). Alter, Fibrosestatus und zwei molekularbiologische Faktoren (Q80K-Polymorphismus und Varianten von Interleukin28B) sind hier sogenannte Effektmodifikatoren und beeinflussen die Studienergebnisse zu Morbidität und Nebenwirkungen.

In Bezug auf den SVR zeigt sich ein Vorteil für Simeprevir: Abhängig von Effektmodifikatoren ergibt sich für bestimmte Patienten ein Zusatznutzen (Hinweis oder Anhaltspunkt), der aber nicht quantifizierbar ist.

Simeprevir bietet Vorteile zu weiteren Aspekten der Morbidität: So verbesserten sich bei manchen Personen der Erschöpfungszustand (Fatigue) und der allgemeine Gesundheitszustand stärker als in der Vergleichsgruppe.

Bestimmte Patienten hatten weniger schwerwiegende Nebenwirkungen. In Bezug auf Sterblichkeit zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen, zur Lebensqualität lagen keine verwertbaren Daten vor. In der Gesamtschau stellt das IQWiG für bestimmte Patienten einen Zusatznutzen von Simeprevir fest mit der Wahrscheinlichkeit „Hinweis“ oder „Anhaltspunkt“. Das Ausmaß ist in jedem Fall nicht quantifizierbar. Für Patienten mit einer Variante von Interleukin28B (IL28B-Genotyp CC) ist ein Zusatznutzen nicht belegt.


Hinweis auf Zusatznutzen bei Rückfallpatienten

In der vorgelegten Studie (PROMISE) nahmen Erwachsene mit HCV-Infektion vom Genotyp 1 teil, die nach zunächst erfolgreicher Behandlung einen Rückfall hatten (Relaps-Patienten). Sie erhielten jeweils Simeprevir oder Placebo in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin (duale Therapie).

Auch bei diesen Patienten zeigte die Behandlung mit Simeprevir Vorteile: So gab es einen Hinweis darauf, dass Simeprevir die Chancen auf Virusfreiheit nach der Behandlung (SVR) steigert. Wie oft der Wirkstoff tatsächlich Leberkrebs verhindern kann, bleibt aber unklar. Die positiven Ergebnisse zu weiteren Endpunkten wie Fatigue, allgemeiner Gesundheitszustand und Anzahl von schweren Nebenwirkungen (u. a. Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts und des Nervensystems) werden aber in unterschiedlicher Weise beeinflusst durch Effektmodifikatoren: Geschlecht, genetischer Subtyp des Virus (Genotyp 1a oder 1b), Fibrosestatus und Q80K-Polymorphismus.

Insgesamt ergibt sich für diese Patientengruppe bei der Behandlung mit Simeprevir ebenfalls ein Hinweis auf einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen.


Erheblicher Zusatznutzen für Nonresponder

Für Erwachsene mit chronischer HCV-Infektion vom Genotyp 1, bei denen eine vorangegangene Therapie erfolglos war (Nonresponder), legte der Hersteller Ergebnisse aus einer Studie (ATTAIN) vor, in der Simeprevir mit Telaprevir verglichen wurde. Beide Wirkstoffe wurden jeweils in Kombination mit Peginterferon alfa und Ribavirin eingesetzt (Triple-Therapie).

In Bezug auf die Sterblichkeit, Folgeerkrankungen, Erschöpfung, Depression und den allgemeinen Gesundheitszustand zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. In beiden Gruppen traten schwerwiegende Nebenwirkungen auf und es kam zu vorzeitigen Therapieabbrüchen wegen Nebenwirkungen. Beides war allerdings in der Simeprevir-Gruppe seltener, u. a. Blutarmut als schwerwiegende Nebenwirkung. Auch Erkrankungen der Haut und des Magen-Darm-Trakts zeigten sich mit Simeprevir seltener. Insgesamt lässt sich aus den positiven Effekten ein Hinweis auf einen erheblichen Zusatznutzen ableiten.


Keine ausreichenden Daten für HIV-Koinfizierte und bei Genotyp 4

Zur Bewertung des Zusatznutzens von Simeprevir bei Erwachsenen mit HCV-Infektion vom Genotyp 1 und gleichzeitiger HIV-Infektion sowie bei Patienten mit HCV-Infektion vom Genotyp 4 führt der Hersteller zwar jeweils eine Studie an. Allerdings fehlen hier eine systematische Recherche und Aufarbeitung der vorhandenen Evidenz zur Vergleichstherapie, so dass die vorgelegten Daten ungeeignet sind. Deshalb ist für diese Patienten ein Zusatznutzen von Simeprevir nicht belegt.


G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt folgende Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Simeprevir zu finden.

 

Weitere Informationen

 

 


Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 01.09.2014 (tB).

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