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Kinder vom Zauberberg
Vom Asthma-Gen zum chronisch Kranken
Fachklinische interdisziplinäre Diagnostik und Therapie für Prävention und Prognose des allergischen Kindes von besonderer Bedeutung
Davos, Schweiz (25. Oktober 2008) – Allergische Erkrankungen der Atemwege und der Haut zählen zu den großen Volkskrankheiten. In Deutschland sind ca. 20 Millionen Menschen von einer Allergie betroffen, also nahezu jeder Vierte. Dies verursacht enorme Kosten: ca. 5 Milliarden Euro werden in der Bundesrepublik jährlich für die Behandlung allergischer Krankheiten ausgegeben. Daher ist es besonders wichtig, so Dr. Hans-Joachim Mansfeld, Chefarzt der Allergieklinik – Zentrum für Kinder und Jugendliche – an der Hochgebirgsklinik Davos, gerade allergiekranke Kinder und Jugendliche so früh wie möglich optimal zu behandeln, um einer Chronifizierung der Erkrankung entgegenzuwirken.
Epidemiologie
Atopisches Ekzem, Allergien der oberen Atemwege wie allergische Rhinitis und Asthma bronchiale stellen gerade im Kindes- und Jugendalter besonders wichtige und seit einigen Jahrzehnten in deutlicher Zunahme begriffene chronische Erkrankungen dar. In der Kinder- und Jugendlichenmedizin haben sie einen entsprechend hohen Stellenwert, da sie sich in diesen Altersstufen nahezu doppelt so häufig wie bei Erwachsenen manifestieren:
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8-12 % der Kinder und Jugendlichen leiden je nach Region und Alter unter einem temporären oder persistierenden Asthma bronchiale
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10-15 % weisen Allergien der oberen Atemwege auf, welche in 30–50 % als der Vorläufer eines Asthma bronchiale angesehen werden müssen.
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Asthma bronchiale ist die häufigste chronische Erkrankung des Kindesalters und der Beginn eines chronischen Atemwegsleidens.
Das wächst sich aus?
Das wächst sich eben meist nicht aus, so Dr. Mansfeld. Die immer noch verbreitete Ansicht, die Mehrzahl von Kindern und Jugendlichen verliere ihr Asthma im Rahmen der Pubertät, wird durch Langzeitstudien nicht bestätigt. Mit günstigem Spontanverlauf und zumindest temporären Remissionen darf nur in ca. 30-50 % der Fälle gerechnet werden. „Schwere“ Asthmaformen mit frühzeitig imponierenden, partiell irreversiblen Lungenfunktionsverlusten sowie perennialer schwergradiger bronchialer Hyperreagibilität, instabilem Verlauf und hohem Therapiebedarf persistieren bis in das Erwachsenenalter bzw. weisen einen chronisch-progredienten Verlauf mit zunehmendem Remodeling und irreversiblen Lungenfunktionsverlusten auf.
In der Realität ist das kindliche Asthma bronchiale in 50-70 % der Beginn eines progredienten und sich zunehmend chronifizierenden obstruktiven Atemwegsleidens des Erwachsenen mit zunehmend begrenzter therapeutischer Beeinflussbarkeit.
30 % der Kinder und Jugendlichen sind heute manifest erkrankte oder aber hochgradig gefährdete Atopiker. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung ist die individuelle Krankheitsprognose in jedem Falle unsicher – nur etwa 30 % der Betroffenen haben Aussicht auf einen günstigen Spontanverlauf mit bis zur Adoleszenz allmählich abnehmender Symptomatik und längeren beschwerdefreien Intervallen. Hoffen auf die Pubertät ist daher in aller Regel sinnlos und vergeudet wertvollste Jahre aussichtsreicher Therapie. Asthma muss in den frühesten Krankheitsstadien erkannt, ursächlich diagnostiziert und konsequent behandelt werden – eine ungewöhnlich verantwortungsvolle ärztliche und erzieherische Aufgabe, die das Leben eines Kindes grundsätzlich und entscheidend prägen wird.
Klimaunterstützte ganzheitliche Therapiekonzepte
Moderne Erkenntnisse über Ursachen, Auslöser und Krankheitsabläufe des Asthma bronchiale sowie effiziente Behandlungsmöglichkeiten haben in den letzten Jahren die Behandlungsprognose gerade des kindlichen und jugendlichen Asthma bronchiale in wesentlicher Weise verbessert – bei frühzeitiger Diagnose, subtiler Ursachenabklärung sowie vor allem konsequent durchgeführter Therapie kann zumindest die Entwicklung eines progredienten schweren Atemwegsleidens verhindert werden, häufig eine weitgehend bzw. komplette Beschwerdefreiheit und in nicht wenigen Fällen dauerhafte Ausheilung erreicht werden.
Die Behandlungsintensität kann um so niedriger gehalten werden, je frühzeitiger die Krankheit erkannt wird, je jünger das Kind ist, je weniger lange sich Entzündungsprozesse in den Atemwegen etabliert haben.
Aufgrund des chronischen Charakters der Krankheit ist Asthmabehandlung in der Regel ein über mehrere Jahre gehender Prozess, in dessen Verlauf regelmäßige Kontrollen von Lungenfunktion, allergologischen Verhältnissen, medikamentöser Therapie angezeigt sind. Häufig ergibt sich daraus dann die Notwendigkeit von Behandlungskorrekturen.
Klimaunterstützte Behandlungsmaßnahmen in spezialisierten Kliniken unter allergenarmen Verhältnissen, wie sie z.B. im Hochgebirge bestehen, können häufig eine entscheidende Stabilisierung bewirken und die Voraussetzungen für weitergehende Heilungsprozesse schaffen.
Die Allergieklinik – Zentrum für Kinder und Jugendliche an der Hochgebirgsklinik Davos ermöglicht in einem konzertierten Angebot rehabilitative und fachklinische Behandlung kranker Kinder in Begleitung ihrer kranken oder gesunden Eltern und Geschwister. Bereits dem asthmatischen Kleinkind und seiner Mutter wird das umfassende Angebot einer hoch spezialisierten Klinik mit hoher pädiatrischer und pneumologischer Kompetenz zuteil. Wichtige Komponenten sind Verhaltens-, Gesprächs- und Spieltherapie, Familien- und Erziehungsberatung, Stressbewältigung, Entspannungs- und Autogenes Training.
Die im Hochgebirge bestehenden besonders günstigen klimatischen Rahmenbedingungen bei absoluter Hausstaubmilbenfreiheit sowie weitgehender Allergen- und Schadstoffkarenz ermöglichen langfristig anhaltende günstige Effekte mit Verbesserung der Langzeitkontrolle des schwierigen Asthmas.
Somit bietet die Allergieklinik Davos ungewöhnlich günstige Voraussetzungen, unter besonders geeigneten Klimabedingungen kindliche und jugendliche Patienten sowie deren Eltern und Geschwister mit obstruktiven Atemwegserkrankungen umfassend betreuen zu können. Das Behandlungskonzept der Allergieklinik berücksichtigt Besonderheiten und spezifische Bedürfnisse der atopischen Familie sowie des allergischen Kindes und Jugendlichen und ermöglicht so im besten Sinne eine ganzheitliche Behandlung.
Schützt Dreck vor Allergien?
Die rasche und deutliche Zunahme von Asthma und allergischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in den industrialisierten Ländern seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist trotz vieler Studien und Hypothesen bisher ursächlich nicht geklärt. Veränderungen der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, erhöhte Expositionen gegenüber Umweltfaktoren wie Luftschadstoffen, Tabakrauch oder häuslichen Allergenen werden hinsichtlich ihrer Bedeutung diskutiert. Es wird heute davon ausgegangen, dass im Sinne einer Gen-Umwelt-Interaktion erst das Zusammenwirken von Umweltfaktoren mit der erblichen Veranlagung zur Krankheit führt.
Mit der so genannten Hygiene-Hypothese wird die Beobachtung beschrieben, dass ein Leben in sehr sauberer Umgebung das Risiko, an einer Allergie zu erkranken, steigert. Man nimmt an, dass das Immunsystem „zu wenig zu tun hat“, wenn es zu selten durch Mikroben in der Umwelt stimuliert wird. Es reagiert dann stattdessen allergisch. Solche Mikroben aktivieren die normale, nicht-allergische Immunantwort, indem sie an bestimmte Rezeptoren (Toll-like Rezeptoren) auf der Oberfläche unserer Abwehrzellen binden. Die dauernde Auseinandersetzung unseres Immunsystems mit banalen, nicht gefährlichen Mikroben scheint der wirksame Schutzmechanismus zu sein.
Die Richtigkeit dieser Hypothese konnte in Untersuchungen an Bauernkindern belegt werden. Besonders gut gegen Allergene geschützt waren die Kinder, die bereits im ersten Lebensjahr mit in den Kuhstall genommen wurden wie auch diejenigen, deren Matratzenstaub einen besonders hohen Gehalt an Bakterienbestandteilen aufwies, erläuterte PD Dr. Roger Lauener, der seit kurzem gemeinsam mit Dr. Mansfeld die Allergieklinik an der Hochgebirgsklinik leitet und seinen Kollegen im Januar 2009 ablösen wird. Welche Konsequenzen sich aus den neuen Erkenntnissen ergeben hinsichtlich eventueller präventiver Maßnahmen, ist noch unklar.
Diagnostik und Therapie allergischer Erkrankungen
Unter dem Begriff „Allergie“ werden Krankheiten verstanden, die als Folge einer überschießenden Reaktion des menschlichen Immunsystems auf Fremdsubstanzen (Allergene) entstehen. Diese Allergene gelangen über die Schleimhäute, durch direkten Hautkontakt oder durch Injektion in den Körper. Allergien zählen zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen und stellen weltweit ein großes gesundheitliches Problem dar, erläuterte Dr. Gundi Willer, Oberärztin für Pneumologie und Allergologie an der Hochgebirgsklinik Davos.
Die allergologische Diagnostik folgt einem Stufenplan und umfasst Anamnese, klinische Untersuchung, Haut-, In-vitro- und Provokationstests, die durch Such-, Aufbau- und Eliminationsdiäten gezielt ergänzt werden können. Dabei kann die Interpretation der Ergebnisse kompliziert sein. Denn ein positiver Hauttest oder der Nachweis spezifischer IgE-Antikörper bedeutet nicht zwingend, dass eine klinisch relevante Allergie vorhanden ist. Diese Untersuchungen fallen in 10-20% einer nicht selektionierten Population positiv aus, ohne dass eine klinische Symptomatik bzw. eine allergische Erkrankung vorhanden ist.
Das Management allergischer Erkrankungen umfasst Methoden zur Prävention, insbesondere die Allergenkarenz, die medikamentöse Therapie und die spezifische Immuntherapie.
Asthma bronchiale
Asthma bronchiale wird definiert als eine zu chronischem Verlauf neigende entzündliche Erkrankung der Atemwege mit bronchialer Hyperreagibilität und variabler Atemwegsobstruktion – typische Symptome sind Husten und Atemnot, welche anfallsartig oder persistierend auftreten und sich spontan oder unter Therapie zurückbilden können. Auch während subjektiv beschwerdefreier Intervalle besteht häufig eine ganzjährig nachweisbare bronchiale Hyperreagibilität, auf deren Basis unterschiedliche Auslöser wie Allergene, Infekte, Schadstoffbelastungen, körperliche Anstrengung sowie psychische Faktoren jederzeit erneut zu Ruhe- oder Belastungsbeschwerden führen können. Asthma bronchiale wird in vier Schweregrade eingeteilt:
Asthma-Schweregrade
Bezeichnung Symptome FEV1 bzw. PEF(in % vom Sollwert)
1. intermittierend Tag: ≤ 2 × pro Woche Nacht: ≤ 2 × pro Monat ≥ 80 %
2. persistierend, leicht Tag: < 1 × täglich Nacht: > 2 × pro Monat ≥ 80 %
3. persistierend, mittelgradig Tag: täglich Nacht: 1 × pro Woche 60−80 %
4. persistierend, schwer Tag: ständig Nacht: häufig ≤ 60 %
In neuen Leitlinien wird der Grad der Kontrolle als sehr wichtiges Beurteilungsmerkmal gesehen (kontrolliert, teilweise kontrolliert, nicht kontrolliert).
Schwieriges, schwer zu therapierendes Asthma – Allergenkarenz im Hochgebirge hilft
Schwieriges Asthma ist definiert durch anhaltende Beschwerden, persistierende Atemwegsobstruktion und den ständigen und häufigen Gebrauch von Beta2-Agonisten (reliever), trotz regelmäßiger Anwendung einer ausgeschöpften Langzeittherapie mit inhalativen Steroiden und langwirksamen inhalativen Beta2-Agonisten sowie dem zusätzlichen Einsatz von Reservemedikamenten (z.B. Theophyllinen, Leukotrienantagonisten). Die Patienten benötigen über einen längeren Zeitraum hinweg oder sogar dauerhaft systemische Steroide.
Die zuverlässige Einstufung eines Asthmapatienten als Patient mit schwierigem Asthma kann nicht gestützt auf eine einzige Untersuchung erfolgen, warnte PD Dr. Günter Menz, Ärztlicher Direktor der Hochgebirgsklinik Davos. Eine Beobachtungs- und Behandlungszeit von 6-12 Monaten ist dazu in der Regel nötig.
Therapeutisch sind neben den medikamentösen Möglichkeiten die Beeinflussung psychosozialer Faktoren, die Patientenschulung, Ansätze zur Verbesserung der Compliance und der Inhalationstechniken, eine möglichst weitgehende Allergenkarenz und Meidung von Substanzen, auf die der Patient ungünstig reagierte, von hoher Bedeutung. Darüber hinaus sollte auf die strikte Nikotinkarenz geachtet werden (aktiv und passiv). Basis der medikamentösen Therapie bleiben jedoch nach wie vor auch bei schwierigem Asthma die hoch dosierten inhalativen Glukokortikosteroide der jüngeren Generation in Kombination mit langwirksamen inhalativen Beta2-Sympathomimetika.
Zusätzlich zur oben genannten optimierten Medikation führt eine kurze Periode der weitgehenden Allergenkarenz im Hochgebirge zu einer markanten und messbaren Verbesserung der klinischen Situation des Patienten. Daraus resultiert eine bessere Langzeitkontrolle des schwierigen Asthmas/chronisch therapierefraktären Asthmas über das medikamentös Erreichte hinaus und zusätzlich eine Reduktion der systemischen Steroiddosis.
Der Aufenthalt in 1.600 m Höhe garantiert eine weitgehend allergenfreie und schadstoffarme Umgebung. Die Hochgebirgsklinik Davos ist die einzige Klinik in dieser Höhe. Es bestehen Verträge mit allen relevanten Kostenträgern in Deutschland und der Schweiz.
Abb. oben (v.l.n.r): PD Dr. med. Günter Menz, Dr. med. Gundi Willer, Dr. med. Hans-Joachim Mansfeld, PD Dr. med. Roger Lauener.
Download
Folien zum Vortrag von Dr. med. Hans-Joachim Mansfeld.pdf (1.50 MB)
Folien zum Vortrag von PD Dr. med. Roger Lauener.pdf (1.18 MB)
Folien zum Vortrag von Dr. med. Gundi Willer.pdf (178.59 KB)
Folien zum Vortrag von PD Dr. med. Günter Menz.pdf (214.66 KB)
Link
Quelle: Pressekonferenz der Hochgebirgsklinik Davos zum Thema „Die Kinder vom Zauberberg“ – Vom Asthma-Gen zum chronisch Kranken“ am 25.10.2008 in Davos (Media Concept) (tB).