Krankenhaus-Report: Reform der Klinikstrukturen kann wichtigen Beitrag zur Lösung von Personalproblemen leisten

Berlin (19. April 2023) — Die im Zuge der anstehenden Krankenhausreform geplante Verlagerung von Krankenhausbehandlungen in den ambulanten Bereich und die qualitätsorientierte Konzentration von Klinikleistungen auf weniger Standorte können auch wichtige Beiträge zur Lösung der Personalprobleme in den deutschen Krankenhäusern leisten. Das zeigt der aktuelle Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zum Thema „Personal“.

Bei den sogenannten „Kurzliegern“, die weniger als vier Tage stationär behandelt werden, gebe ein großes Potenzial für vermeidbare Krankenhaustage und damit auch für eine Entlastung des Personals in den Kliniken, betonte Prof. Jürgen Wasem, Lehrstuhlinhaber für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen und Mitherausgeber des Krankenhaus-Reports. „Allein die 30 häufigsten operativen Eingriffe mit einem geringen medizinischen Schweregrad machen etwa 4 Prozent aller Pflegetage im Krankenhaus aus“, so Wasem. Wenn man das gesamte Potenzial „ambulantisierbarer“ Operationen und Behandlungen betrachte, könnten noch wesentlich mehr Krankenhaustage vermieden werden. Auch die geplante Reform der Notfallversorgung eröffne Chancen für eine personelle Entlastung. So werden in Deutschland etwa 50 Prozent der Notfälle stationär aufgenommen, während es in den Niederlanden nur 32 und in Frankreich 22 Prozent sind. „Insgesamt bietet die aktuell diskutierte Krankenhausreform eine ganze Reihe von Ansatzpunkten für die dringend notwendige Entlastung des Personals in den Kliniken und für eine bessere Allokation der verfügbaren Arbeitskräfte“, sagte Wasem.

 

Deutsches Personal versorgt im internationalen Vergleich mehr Fälle

Die Zahl der beschäftigten Ärztinnen und Ärzte sowie der Pflegekräfte sei in den vergangenen Jahren zwar kontinuierlich gestiegen, aber im internationalen Vergleich versorge das Personal in deutschen Kliniken im Durchschnitt mehr Fälle als die Beschäftigten in anderen Ländern. Der internationale Mittelwert lag 2019 bei rund 12 Ärztinnen und Ärzten sowie 27 Pflegekräften pro 1.000 Krankenhaus-Fälle, während Deutschland mit etwa 8 Ärztinnen und Ärzten und knapp 19 Pflegekräften pro 1.000 Fällen deutlich unter diesem Wert lag. „Wir haben zu wenig Personal für die hohe Zahl von Krankenhausfällen in Deutschland“, fasste Wasem das Problem zusammen. Durch den Einbruch der Krankenhaus-Fallzahlen in der Corona-Pandemie seien in den Jahren 2020 und 2021 zwar wieder mehr Ärzte und Pflegekräfte pro Fall zu verzeichnen. „Allerdings gab es gerade in der Omikron-Welle auch viele Covid-Infektionen der Beschäftigten, die diesen Effekt vermutlich wieder zunichtegemacht haben“, so Wasem.

 

Langfristige Trends werden Personalsituation weiter verschärfen

Zudem werden einige langfristige Trends die Personalsituation in den deutschen Kliniken laut Krankenhaus-Report in den nächsten Jahren eher noch verschärfen. Dazu gehört die demografische Entwicklung, die zu einer steigenden Inanspruchnahme der Krankenhäuser führen wird. Grund zur Sorge seien auch vorläufige Daten des Statistischen Bundesamtes zum Rückgang bei der Zahl der Pflege-Azubis und die hohen Ausstiegsraten bei den Berufen im Krankenhaus: „So sind zum Beispiel nach zwanzig Jahren nur noch 60 Prozent der Krankenschwestern und Krankenpfleger in ihrem angestammten Beruf tätig“, berichtete Wasem. Bei den Hilfskräften habe sogar mehr als die Hälfte nach zwei Jahren den erlernten Beruf gewechselt. Viele Kliniken hätten große Probleme, Beschäftigte zu finden. „Es gibt eine sehr geringe berufsspezifische Arbeitslosenquote – wir haben in diesem Bereich praktisch Vollbeschäftigung.“

 

Krankenhaus-Report zeigt Lösungswege auf

Der Krankenhaus-Report 2023 zeigt einige Lösungswege auf, um die Attraktivität der Krankenhäuser als Arbeitgeber zu steigern. Dazu gehören bessere Angebote zur Vereinbarung von Familie und Beruf sowie die Umsetzung von Konzepten für ein innovatives Personalmanagement. Die geplanten Reformen im Krankenhausbereich könnten dazu führen, dass große und personell gut ausgestattete Krankenhäuser entstehen, die auch flexibler auf punktuelle Engpässe reagieren könnten – zum Beispiel durch Einrichtung von Personalpools über die Fachabteilungen hinweg, unterstrich Wasem: „Die begrenzten Personalressourcen könnten wesentlich zielgerichteter und rationaler eingesetzt werden, wenn Bund und Länder die qualitätsorientierte Konzentration von Leistungen konsequent umsetzen.“

 

 

Originalpublikation

  1. Klauber/J. Wasem/A. Beivers/C. Mostert (Hrsg.) Krankenhaus-Report 2023. Schwerpunkt: Personal. Springer, Berlin Heidelberg. 458 Seiten; kart.; 42,79 €. ISBN 978-3-662-66880-1, https://doi.org/10.1007/978-3-662-66881-8

 

Weitere Informationen

 

 

Cover des Krankenhaus-Reports 2023, © Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO)

 


Quelle: Wissenschaftliches Institut der AOK, 19.04.2023 (tB).

Schlagwörter: , , ,

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…