Langzeitsauerstofftherapie: Bleibt die Verordnungshoheit beim Arzt?

 

Verordnung der individuell passenden Sauerstofftherapie ist ausschlaggebend für eine erfolgreiche Behandlung

 

Nürnberg (30. März 2012) –  Am 53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP) in Nürnberg diskutierten Experten beim Fachsymposium der Linde Gas Therapeutics GmbH „Verordnungswege im Wandel. Bleibt die Verordnungshoheit beim Arzt?“ über neue Erkenntnisse zu Indikationen, Studien, rechtlichen Gegebenheiten sowie Grenzen bei der Verordnung der Langzeitsauerstofftherapie (LTOT).

 

 

Art der Sauerstofftherapie individuell anpassen

 

Eine Langzeitsauerstofftherapie wird in der Praxis häufig auch außerhalb der von den Leitlinien festgelegten Indikationen verordnet. Gerade bei diesen Krankheitsbildern stellt sich die Frage, ob die Kassen eine Erstattung der vom Arzt verordneten LTOT ablehnen und durch eine andere Therapie ersetzen dürfen. Und ist die Verordnung einer LTOT bei bestimmten Erkrankungen überhaupt sinnvoll? So wird beispielsweise bei Kyphoskoliose-Patienten mit Heimbeatmung eine geringere Sterblichkeit als mit einer Langzeitsauerstofftherapie erreicht. Bei Lungentransplantationen erhält eine vorangegangene LTOT in Anbetracht des neuen Vergabeverfahrens (LAS Score) allerdings eine größere Bedeutung als zuvor. Dies macht deutlich, wie wichtig die Verordnung der individuell passenden Therapie für den bestmöglichen Behandlungserfolg ist.

 

 

Verordnungshoheit rechtlich klar beim Arzt

 

Dr. Christian B. Fulda, Experte für Arzneimittelrecht der Kanzlei JonesDay in München, erläuterte die derzeitigen juristischen Rahmenbedingungen für eine Langzeitsauerstofftherapie: „Der Vertragsarzt ist auf jeden Fall der Dreh- und Angelpunkt zwischen Patient und Kasse. Er bestimmt, welche Leistungen der Patient von der Kasse erwarten kann.“ Leider entscheiden Krankenkassen häufig zuerst nach Aspekten der Wirtschaftlichkeit und erst dann nach der ärztlichen Verordnung. Diesbezüglich erklärte Fulda, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot der Kassen keine Substitution verordneter Leistungen rechtfertigt: „Eine Langzeitsauerstofftherapie, die vom Arzt verordnet wurde, darf aus sozial- sowie strafrechtlicher Sicht nicht vom Hilfsmittel-Leistungserbringer durch eine andere Therapie ersetzt werden.“ Fulda sieht damit juristisch die Verordnungshoheit weiterhin klar beim Verordner.

 

 

Fehlversorgung bei der LTOT festgestellt

 

Die Standard-Indikationen für den Einsatz einer Langzeitsauerstofftherapie bei Patienten mit Hypoxämie sind in Deutschland durch die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin definiert. Prof. Dr. med. F. Joachim Meyer, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Gastroenterologie am Städtischen Klinikum München Harlaching, berichtete, dass die LTOT vorwiegend für COPD-Patienten mit Evidenz unterlegt ist. Darüber hinaus wurde sie aber auch an einer Vielzahl weiterer Patienten mit unterschiedlichen Grunderkrankungen eingesetzt und untersucht. „Trotz des nachgewiesenen Nutzens und der Vielfalt an Therapiemöglichkeiten wurde eine Unterversorgung oder auch Fehlversorgung bei der Verordnung der Langzeitsauerstofftherapie beobachtet“, fasste Meyer zusammen.

 

 

Erste Ergebnisse einer neuen LTOT-Studie vorgestellt

 

An diese Ausführungen knüpfte Prof. Dr. med. Helmut Teschler, Ärztlicher Direktor der Ruhrlandklinik, Westdeutsches Lungenzentrum am Universitätsklinikum in Essen, mit seinem Vortrag an. Er erläuterte, dass der Bedarf an Evidenz zur LTOT trotz der weltweit laufenden drei Studien sehr hoch ist. „Der Forschungsbedarf zur Sauerstofftherapie ist gigantisch“, so Teschler. Er stellte erste Ergebnisse einer aktuellen deutschen Studie zum Thema Sauerstoffmangel unter Belastung bei COPD vor, die zusammen mit Linde Gas Therapeutics durchgeführt wird. Es zeigt sich, dass die Belastbarkeit von COPD Patienten unter O2-Gabe deutlich verbessert wird, sobald eine effektive Flussrate eingestellt ist. Dabei haben sich Flussraten ab 4-6 l/min bewährt, wohingegen die häufig verordnete Flussrate von 2 l/min keine deutliche Wirkung zeigte. Des Weiteren führt eine nächtliche O2-Therapie bei COPD Patienten nicht – wie oft angenommen – zu einer Verbesserung der Lebensqualität, doch in vielen Fällen zu einer Besserung der Schlafqualität. Um einen echten therapeutischen Nutzen erzielen zu können, muss der medizinische Sauerstoff tagsüber vor allem in Belastungssituationen verabreicht werden, wie Teschler darstellte.

 

 

Nationales Register für LTOT-Patienten gefordert

 

Teschler geht davon aus, dass für viele weitere Krankheitsbilder wie idiopathische Lungenfibrose oder zystische Fibrose in absehbarer Zeit keine wissenschaftlichen Studien zum Thema Sauerstoffgabe durchgeführt werden, da sie ethisch kaum vertretbar sind, weil diese schwerkranken Patienten randomisiert werden müssten. Deshalb könnte ein erster Schritt zur Verordnungserleichterung die Etablierung eines nationalen Registers für Langzeitsauerstoffpatienten sein. „Ein nationales Register für LTOT-Patienten würde wertvolle Informationen zur Lebensqualität und Lebenserwartung dieser Patienten liefern und einen Beitrag zur Versorgungsforschung leisten, wenn es auch keine wissenschaftliche Evidenz auf diesem Gebiet ersetzen kann“, führte Teschler abschließend aus.

 

 

LAS Score für Lungentransplantationen ändert Warteliste grundlegend

 

Frau Dr. med. Urte Sommerwerck erläuterte die Bedeutung der Langzeitsauerstofftherapie für die Lungentransplantation. Nach dem neuen Lung Allocation Score (LAS) werden die Patienten nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht unter Vernachlässigung der Wartedauer eingestuft und transplantiert. Patienten mit hoher O2 Flussrate (> 3l/min), die zudem einige weitere Voraussetzungen erfüllen, werden in die Liste aufgenommen. Je höher dabei ihre Sauerstoffflussrate ist, desto höher werden sie eingestuft. Somit ist bei einer sehr hohen Flussrate die Wahrscheinlichkeit einer schnelleren Transplantation gegeben“, schilderte Sommerwerck. „Patienten mit einer niedrigen Flussrate haben schlechtere Chancen über den HighLAS transplantiert zu werden. Dies hängt aber prinzipiell von der Grunderkrankung und von der gleichzeitig vorliegenden Rechtsherzbelastung (neben vielen anderen Kriterien wie Beatmungsstatus) ab. Das geringe Organspenderangebot ist ein wichtiges politisches , aber auch medizinisches Thema. Durch die Organvorund aufbereitung des Spenderorgans kann wahrscheinlich der Organpool vergrößert werden. In aktuellen Studien konnte gezeigt werden, dass insbesondere die Gruppe der COPD –Patienten von dieser Maßnahme profitieren könnte “, schloss Sommerwerck.

 

 

Versorgungshoheit der LTOT weiterhin beim Arzt

 

Die Langzeitsauerstofftherapie spielt somit in diversen Bereichen der Pneumologie eine wichtige Rolle. Neben den durch die Leitlinien definierten Indikationen wird eine LTOT auch bei vielen weiteren Krankheitsbildern – häufig basierend auf Erfahrungswerten – verordnet. Dabei muss von Patient zu Patient abgewogen werden. Unter anderem ist entscheidend, dass die tägliche Dauer der LTOT individuell festgelegt sowie die Flussrate hoch genug eingestellt wird (meist 4-6 l/min). Erst dann steigern sich beim Patienten Belastbarkeit und Lebensqualität. Wenn eine Langzeitsauerstofftherapie vom Arzt verordnet und der Einzelfall sinnvoll begründet wurde, kann die Kasse diese Leistung rechtlich nicht ohne weiteres substituieren.

 

Somit liegt die Zuständigkeit zur Verordnung einer Langzeitsauerstofftherapie innerhalb des Systems von Patient, Arzt, medizinischem Dienst und Kasse weiterhin hauptverantwortlich beim verordnenden Arzt.

 

 

Abb. v.l.n.r.: Dr. Christian B. Fulda, Prof. Dr. med. Helmut Teschler, Dr. med. Urte Sommerwerck, Prof. Dr. med. F. Joachim Meyer, Prof. Dr. med. Michael Arzt Quelle: Linde Gas Therapeutics GmbH; Fachsymposium „Verordnungswege im Wandel. Bleibt die Verordnungshoheit beim Arzt?“, 30. März 2012, DGP 2012, Nürnberg 

 

Abb. v.l.n.r.: Dr. Christian B. Fulda, Prof. Dr. med. Helmut Teschler, Dr. med. Urte Sommerwerck, Prof. Dr. med. F. Joachim Meyer, Prof. Dr. med. Michael Arzt. Quelle: Linde Gas Therapeutics GmbH; Fachsymposium „Verordnungswege im Wandel. Bleibt die Verordnungshoheit beim Arzt?“, 30. März 2012, DGP 2012, Nürnberg

 

 

Über Linde Gas Therapeutics

 

Linde Gas Therapeutics GmbH ist der führende Anbieter für die Arzneimittelversorgung mit Gasen, den dazugehörigen Medizinprodukten und für die aktive Betreuung beatmungspflichtiger Patienten in Deutschland. In allen Bereichen stehen Sicherheit, Qualität und Innovation der Therapien und Dienstleistungen im Vordergrund. Die Geschäftseinheit in Deutschland umfasst rund 500 Mitarbeiter für den Arzneimittel- und Medizinprodukteverkauf sowie die Patientenversorgung zu Hause oder in eigenen Beatmungspflegeeinrichtungen. Linde Gas Therapeutics GmbH ist eine Konzerngesellschaft der Linde Group.

 

Weitere Informationen unter www.linde-gastherapeutics.de

 

 

Über The Linde Group

 

The Linde Group ist ein weltweit führendes Gase- und Engineeringunternehmen, das mit rund 48.500 Mitarbeitern in mehr als 100 Ländern vertreten ist und im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von 13,787 Mrd. Euro erzielt hat. Die Strategie der Linde Group ist auf ertragsorientiertes und nachhaltiges Wachstum ausgerichtet. Der gezielte Ausbau des internationalen Geschäfts mit zukunftsweisenden Produkten und Dienstleistungen steht dabei im Mittelpunkt. Linde handelt verantwortlich gegenüber Aktionären, Geschäftspartnern, Mitarbeitern, der Gesellschaft und der Umwelt – weltweit, in jedem Geschäftsbereich, jeder Region und an jedem Standort. Linde entwickelt Technologien und Produkte, die Kundennutzen mit einem Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung verbinden.

 

Weitere Informationen über The Linde Group finden Sie online unter http://www.linde.com  

 


 

Quelle: Symposium der Firma Linde Gas zum Tema „Versorgungswege im Wandel. Bleibt die Versorgungshoheit beim Arzt? Sauerstofflangzeittherapie: Was hat sich bewährt? Was ist neu?“ am 30.03.2012 in Nürnberg. (tB)

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