MEDICA 2008: Trendthema Telepathologie

Mikroskopische Ferndiagnose mittels Mausklick

 

Digitalisierung revolutioniert die Arbeitsprozesse

 

Düsseldorf (20. August 2008) – Eine Zunahme der Krebsfälle und der Trend zur Spezialisierung stellen die ohnehin kleiner werdende Gruppe der Fachärzte für Pathologie vor erhebliche Probleme. Patienten müssen sich auf längere Wartezeiten einstellen, bis sie ihre Diagnose bekommen. Einen Ausweg aus diesem diagnostischen Dilemma bietet die Telemedizin in Form der so genannten „virtuellen Mikroskopie“. Welches Potenzial in der Digitalisierung und dem Online-Versand von Pathologiedaten steckt, thematisieren führende Medizintechnik-Hersteller im Rahmen der mit mehr als 4.200 Ausstellern weltgrößten Medizinmesse MEDICA 2008 in Düsseldorf (19. bis 22. November).

 

Die Ausgangslage erfordert geradezu innovative Lösungen: Nur jedes sechste deutsche Krankenhaus verfügt über einen oder mehrere Pathologen. Auch in diesem Fachbereich werden, wie generell in der Medizin, zukünftig mehr Fachärzte in den Ruhestand gehen als hinzukommen. Und die Laborstandards werden anspruchsvoller, das Arbeitsvolumen wird umfangreicher. Verlangt wird stets höchste Qualität. Bedingt durch den Fortschritt in der labortechnischen Krebserkennung, nimmt unweigerlich die Spezialisierung der Pathologen zu. Das hat Folgen sowohl für den ambulanten als auch stationär behandelten Patienten.

 

Kürzere Operationszeiten und somit verringerte  Narkosedauer sind in beiderseitigem Interesse. Das Krankenhaus profitiert wirtschaftlich, der Patient reduziert sein OP-Risiko. Vorwiegend bei onkologischen Patienten mit Lungenkrebs, Kopftumoren oder bösartigen Geschwulsten im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, müssen während der Operation Gewebeproben entnommen, und dem Pathologen zur schnellen Auswertung überlassen werden. 

 

Es gilt unter weit gehender Schonung des gesunden Gewebes millimetergenau den Tumor zu entfernen. Und da ist der Pathologe gefragt, der im mikroskopischen Schnellschnitt-Bild dem Chirurgen die Grenzen der Resektion aufzeigt. Beim Bronchial-Karzinom fallen während der Operation bis zu 15 Gewebe-Schnellschnitte an, um sicher gehen zu können, alle Tumorzellen entfernt zu haben. 

 

Ohne Pathologe stockt der Behandlungsprozess

Das Problem: Jedes Mal, wenn ein Schnellschnitt ansteht, steht der ganze Operationsbetrieb still, bis ein Ergebnis vorliegt. Daran ist grundsätzlich nichts zu ändern. Problematisch wird die Situation jedoch, wenn kein Pathologe vor Ort ist. Dann müssen die während der OP gewonnenen Gewebeproben mit Kurierdiensten zum nächsten Pathologie-Labor transportiert werden. Das kostet viel wertvolle Zeit.

 

„Lange Narkosen und lange Schnellschnittzeiten müssen vermieden werden“, bringt es der Leiter der Arbeitsgemeinschaft Telepathologie im Helios-Konzern, Privat-Dozent Dr. Thomas Mairinger, auf den Punkt. Und bei ambulant durchgeführten Untersuchungen dürfe es eigentlich nicht sein, Patienten tagelang in qualvoller Unwissenheit und Ängsten zu belassen, bis der Befund aus der Pathologie vorliege.

 

So erhielt der Chefarzt vom Institut für Pathologie des Helios-Krankenhaus-Behring in Berlin-Zehlendorf den Auftrag, die Krankenhäuser des privaten Helios-Konzerns an ein telemedizinisches Netzwerk anzuschließen. Diese Alternative zum zeit- und kostenaufwändigen Probentransport, die  mikroskopische Ferndiagnostik, auch Telepathologie genannt, ist zwar kein neues Konzept, sie wurde jedoch bisher nicht konsequent genug umgesetzt.

 

Professor Dr. Martin Oberholzer von der Medizinischen Fakultät der Universität Basel gilt als einer der Pioniere der Telepathologie in Europa. Er verband vor etlichen Jahren die Kreisspitäler Burgdorf, Sitten, Attendorf und Samedan zu einem Datennetz, in dem mikroskopische Gewebebilder zur Befundung online verschickt werden. Ergebnis: Während die telepathologische Durchmusterung des Präparates in 15 bis 25 Minuten durchgeführt ist, benötigt der konventionelle Probentransport in der Regel drei Tage.

 

Das Prinzip der Telepathologie ist einfach zu beschreiben. Die chirurgische Assistentin präpariert die Gewebeprobe und legt sie unters Mikroskop, welches von einem entfernt sitzenden Pathologen mittels Mausklick gesteuert wird. Diagnostiziert wird am Bildschirm. An Stelle des Mikroskops zur Untersuchung des histologischen Schnittes kann auch ein digitaler Scanner  eingesetzt werden (konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie). Das Gerät liefert einen hoch aufgelösten digitalisierten Datensatz der Probe, „virtuelle Mikroskopie“ genannt. Netzwerkverbindungen ermöglichen den Zugriff auf die Daten mehrerer Nutzer von verschieden Orten.

 

Der virtuellen Mikroskopie gehört die Zukunft

Mittlerweile ist durch die zunehmende Spezialisierung der Pathologie die Notwendigkeit erwachsen, sich eine zweite oder dritte Meinung einzuholen. So entwickelt sich aus der Telepathologie ein Konsultationssystem: Eine Person bittet eine oder mehrere andere Personen um die Meinung zu einem morphologischen Befund.

 

„Die virtuelle Mikroskopie“, betont Professor Dr. Werner Schlake, Vorsitzender des Berufsverbandes der Pathologen, „wird die telepathologische Methode der Zukunft sein“. Sie und die konventionelle Telepathologie müssten dazu genutzt werden, „Spezialwissen einzelner Experten über die Konsultationspathologie in der Breite den Instituten zur Verfügung zu stellen“. Derzeit rüsten viele Institute für Pathologie ihre Kommunikations-Infrastruktur auf, um den vielfältigen Forderungen nach weiteren Expertenmeinungen nachzukommen. Geeignete Systeme werden zum Beispiel im Rahmen der MEDICA 2008 präsentiert.

 

Vorausblickend lässt sich schon jetzt feststellen, dass die Zeit der Einzelapplikationen und Insellösungen auch in der Pathologie bald vorbei sein dürfte. Gewebeproben in Form von digitalen Datenpaketen über weite Entfernungen zu schicken, führt zu einer Neuorientierung des Fachs. Die Digitalisierung der Präparate und die Einbindung der Daten in die elektronische Patientenakte revolutioniert die Arbeitsprozesse in der Pathologie in gleicher Weise wie in der Radiologie. Dort ist bereits seit einigen Jahren der Wechsel vom Film zur digitalen Datenarchivierung im Gange.

 

Informationen zur MEDICA 2008 sowie Produktinformationen der Aussteller zu mikroskopischen Verfahren und Digitalisierung von Befunden (z. B. von Zeiss, Olympus oder Pentax) sind abrufbar über die Ausstellerdatenbank im Internet: www.medica.de  

 

Autor: Claus Schwing, Diplom-Ingenieur Biomedizintechnik, Ulrichstein

Statistiken: Deutsche Gesellschaft für Pathologie e. V.

 


 

Quelle: Pressemitteilung der Messe Düsseldorf vom 20.08.2008. 

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