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Medikamentöse Therapie der Alzheimer-Demenz
Memantine als wirksame Therapieoption für moderate bis schwere Stadien
Hamburg / Bonn (19. Juni 2008) – Bei der Alzheimer-Demenz gibt es verschiedene Therapieoptionen. Antidementiva werden zur Verbesserung der Kerndomänen Kognition, Alltagskompetenz und des klinischen Gesamteindrucks bei Demenz-Patienten eingesetzt.[1] Die medikamentöse Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Alzheimer-Krankheit und den Begleiterkrankungen: In den frühen und mittleren Stadien der Erkrankung werden Acetylcholinesterase-Hemmer eingesetzt. Diese steigern die Verfügbarkeit des Signalstoffs Acetylcholin, indem sie das Enzym Acetylcholinesterase blockieren, das im normalen Gehirnstoffwechsel das Acetylcholin abbaut. Bei einer mittelschweren bis schweren Demenz vom Alzheimertyp ist Memantine das Mittel der Wahl. Der NMDA[2]-Antagonist wirkt spezifisch auf das glutamaterge System und reguliert so die gestörte Signalübertragung im Gehirn. Memantine ist als bislang erstes und einziges Medikament für die Therapie der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Der Einsatz von Memantine ist laut Leitlinien ab einem MMST von 20 oder weniger Punkten angezeigt. Seine gute Wirksamkeit in den Kerndomänen Kognition, Alltagskompetenz und Globalurteil sowie bei demenzbedingten Verhaltensstörungen ist in zahlreichen Studien nachgewiesen und in der Praxis vielfach bestätigt worden.
Alzheimer-Demenz ist eine progressive neurodegenerative Erkrankung. Nach einem schleichenden Beginn verschlechtert sich der Zustand der Betroffenen meist innerhalb weniger Jahre rapide. Die Diagnose erfolgt in den meisten Fällen im moderaten Stadium der Erkrankung, wenn die Symptome auffälliger geworden sind. Experten schätzen, dass etwa 80 Prozent der diagnostizierten Patienten an moderaten bis schweren Formen leiden.[3]
Zunehmende Belastung
Je weiter die Alzheimer-Demenz fortschreitet, desto größer werden auch die Belastungen für die Betroffenen und ihr persönliches Umfeld. So hat eine internationale Umfrage unter pflegenden Angehörigen durch Alzheimer Europe ergeben, dass rund die Hälfte der Angehörigen, die einen Demenz-Patienten im späten Stadium betreuen, täglich mehr als zehn Stunden mit der Pflege verbringen.[4] Wie die Umfrage zeigt, sind es weniger die kognitiven Beeinträchtigungen als vielmehr die nachlassende Alltagskompetenz sowie Verhaltensstörungen, die die tägliche Pflege zunehmend erschweren.
Einzigartiger Wirkmechanismus
Memantine (Ebixa®) ist als erste und bislang einzige Substanz für die Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Ihre Wirksamkeit beruht auf einem einzigartigen Wirkmechanismus: Als nicht-kompetitiver NMDA-Rezeptorantagonist wirkt Memantine der gestörten Signalübertragung im glutamatergen System entgegen.
Für höhere Hirnfunktionen wie Lernen und Erinnern spielt der Botenstoff Glutamat eine zentrale Rolle. Glutamat ist der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im zentralen Nervensystem; man geht davon aus, dass es in mehr als 70 Prozent aller erregenden Nervenzellen des Gehirns aktiv ist. Glutamat bindet an den NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptor, einen rezeptorassoziierten Ionenkanal. Dieser Kanal ist im Ruhezustand durch Magnesium blockiert. Bei eingehenden Signalen wird verstärkt Glutamat im synaptischen Spalt ausgeschüttet. Dieses verdrängt das Magnesium und öffnet den Kanal, sodass Kalzium-Ionen in die Zelle einströmen können.
Bei der Alzheimer-Demenz ist der Glutamatspiegel durch gestörte Freisetzungs- und Wiederaufnahmeprozesse auch im Ruhezustand chronisch erhöht. Das hat zur Folge, dass der Rezeptorkanal aktiviert bleibt und Kalzium-Ionen kontinuierlich einströmen. So entsteht ein erhöhtes „Grundrauschen“, in dem neu eingehende Signale nicht mehr wahrgenommen werden können. Hier setzt die Wirkung von Memantine ein: Der Wirkstoff bindet – ähnlich wie Magnesium – an den NMDA-Rezeptor und blockiert ihn. Dadurch reduziert er den Einstrom von Kalzium-Ionen, das „Grundrauschen“ nimmt ab. Trifft nun ein neues Signal ein, reicht die kurzfristig erhöhte Glutamat-Konzentration aus, um das Memantine-Molekül vorübergehend zu verdrängen um den Rezeptor zu aktivieren; das Signal wird erkannt und kann gezielt weitergeleitet werden. Somit reguliert Memantine die gestörte Neurotransmission und fördert die Funktion der Nervenzellen.
Wirksamkeit nachgewiesen
Für die klinische Wirksamkeit von Memantine liegen nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin Belege mit höchstem Evidenzgrad vor. Wie in randomisierten, doppelblinden, plazebokontrollierten Studien nachgewiesen wurde[5],[6], ist Memantine in den drei Kerndomänen Kognition, Alltagskompetenz und Klinischer Gesamteindruck gebenüber Plazebo signifikant überlegen. Memantine beeinflusst den Verlauf der Erkrankung positiv. Lern- und Gedächtnisdefizite werden verhindert und kognitive Leistungen verbessert. Die Betroffenen kommen im Alltag besser zurecht und können alltägliche Aufgaben besser bewältigen – dazu gehören etwa „aufstehen“, „sich anziehen", „essen und trinken“ oder „der Gang zur Toilette“.[7]
Neben kognitiven und funktionalen Defiziten treten mit dem Fortschreiten der Demenz zunehmend auch psychopathologische Symptome auf. Gerade Verhaltensstörungen wie Agitation oder Aggression erschweren den täglichen Umgang mit den Betroffenen enorm; oft geben sie den Ausschlag für die Unterbringung in einem Pflegeheim. Neuere Daten zeigen auch hier signifikante Vorteile von Memantine gegenüber Plazebo.[8],[9]
Die in den klinischen Studien beobachteten Effekte haben sich unter alltäglichen Praxisbedingungen bestätigt: So ergab eine offene, multizentrische Anwendungsbeobachtung, dass die Therapie mit Memantine auch bei einem für die Alzheimer-Demenz typischen heterogenen und multimorbiden Patientenkollektiv in allen drei Kerndomänen zu einer Besserung der Symptomatik führte.[10]
Gerade im Hinblick auf die häufige Komorbidität und dadurch bedingte Komedikation der älteren Patienten kommt es neben der Wirksamkeit auch die Verträglichkeit der Behandlung an. Die sehr gute Verträglichkeit von Memantine ist durch langjährige klinische Erfahrung belegt. Die Nebenwirkungsrate liegt auf Plazeboniveau. Zudem werden wichtige Isoenzyme des Cytochrom-P450 Systems nicht beeinflusst, sodass Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten gering sind. Aufgrund der klaren Evidenz sprechen sich nationale wie internationale ärztliche Leitlinien, darunter die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), eindeutig für den Einsatz von Memantine aus.
Patienten und Angehörige profitieren
Solange eine ursächliche Therapie dementieller Erkrankungen nicht in Sicht ist, ist es das wichtigste Ziel einer Behandlung der fortgeschrittenen Alzheimer-Demenz, die Symptomatik zu bessern, die Progression zu verzögern und den Betroffenen damit so lange wie möglich ein Leben in gewohnter Umgebung zu ermöglichen. Memantine wird diesen Anforderungen gerecht. Mit seinen positiven Effekten auf Kognition, Alltagskompetenz und Verhalten trägt Memantine dazu bei, Betroffene und ihre pflegenden Angehörigen zu entlasten und ihre Lebensqualität im Alltag spürbar zu verbessern. Dies wird durch eine gesundheitsökonomische Untersuchung bestätigt: Demnach reduziert sich der Zeitaufwand für die Betreuung von Betroffenen unter Memantine um knapp 52 Stunden pro Monat (täglich rund 90 Minuten), und auch der Zeitraum bis zur Heimeinweisung konnte deutlich verzögert werden.[11]
Seit Mai 2008 hat die europäische Arzneimittelbehörde EMEA die Zulassung für die einmal tägliche Dosierung von Memantine (Ebixa® 20 mg Filmtabletten) zur Behandlung der moderaten bis schweren Alzheimer-Demenz erteilt. Das veränderte Einnahmeschema vereinfacht die Behandlung und den Pflegeaufwand erheblich: Neben Patienten und Angehörigen werden auch Ärzte durch die Sicherung der Compliance profitieren.
[1] Förstl H (2008): Antidementiva – wem nützen sie wirklich? Internist. 49:353-359
[2] NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)
[3] Morpace Pharma Group (2001)
[4] Alzheimer Europe (2006): Who cares? The state of dementia care in Europe
(http://www.alzheimer-europe.org/upload/SPTUNFUYGGOM/downloads/BAF644C16E7D.pdf)
[5] Reisberg B et al. (2003): Memantine in moderate to severe Alzheimer’s disease. New England Journal of Medicine
348(14):1333-1341
[6] Winblad B et al. (1999): Memantine in severe dementia: Results of the M-BEST study. International Journal of Geriatric
Psychiatry 14:135-146
[7] Doody R et al. (2004): Specific Functional Effects of Memantine Treatment in Patients with Moderate to Severe Alzheimer’s
Disease. Dementia and Geriatric Cognitive Disorders 18:227-232
[8] Gauthier S et al. (2005): Effects of memantine on behavioural symptoms in Alzheimer’s disease patients: an analysis of the
Neuropsychiatric Inventory data of two randomised, controlled studies. International Journal of Geriatric Psychiatry 20:459-464
[9] Winblad B et al. (2007): Memantine in Moderate to Severe Alzheimer´s Disease: a Meta-Analysis of Randomised Clinical Trials.
Dement Geriatr Cogn Disord 24:20-27
[10] Calabrese P et al. (2006): Memantin in der klinischen Anwendung. Erfahrungen aus der Praxis.
Psychopharmakotherapie 2:64-69
[11] Wimo A et al. (2003): Resource Utilisation and Cost Analysis of Memantine in Patients with Moderate to Severe Alzheimer’s
Disease. PharmacoEconomics 21(5):327-340