MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Abb. oben: Klinikum der Maximalversorgung: Universitätsklinikum FreiburgModellprojekt beweist

Der Antibiotikaverbrauch lässt sich in Kliniken gezielt senken

 

Freiburg (7. Mai 2014) – Die Besorgnis wächst: In den Kliniken tauchen vermehrt Bakterien auf, gegen die kein „Kraut“ gewachsen ist. Der häufige Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika fordert seinen Preis: Er geht einher mit der Bildung von multiresistenten Bakterien, die in Krankenhäusern einen guten Nährboden finden und kritisch Kranke gefährden können. Eine wichtige Strategie, dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist der gezieltere und intelligente Einsatz von Antibiotika – auch mit dem Begriff „Antibiotic Stewardship“ (ABS) bezeichnet. Am Universitätsklinikum Freiburg konnten Wissenschaftler in einem Pilotprojekt zeigen, dass sich diese Strategie erfolgreich umsetzen lässt.

 

„Ein großes Problem ist derzeit vor allem der übermäßige Einsatz der so genannten Cephalosporine der dritten Generation und der Fluorchinolone – Antibiotika, die sehr wirksam sind, deren hoher Verbrauch aber mehrere spezielle multiresistente Problemkeime in Kliniken nach sich ziehen kann“, erklärt Prof. Winfried Kern vom Universitätsklinikum Freiburg. Kern forscht im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) im Bereich „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Keime“ und ist Initiator des deutschen Antibiotic-Stewardship-Trainingsprogramms. Er ist überzeugt davon, dass sich die aktuelle Ausbreitung der gefürchteten Krankenhauskeime wie Clostridium difficile, Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme oder widerstandsfähige gram-negative Bakterien mit Antibiotic-Stewardship-Programmen eindämmen lässt. Gemeinsam mit Katja de With, inzwischen am Universitätsklinikum Dresden, setzte Kern ein intensives ABS-Programm in der Inneren Medizin des Universitätsklinikums Freiburg ein und konnte damit den Verbrauch der kritischen Breitband-Antibiotika in einem Jahr um etwa 30 Prozent senken.

„Dieses Ziel in der Inneren Medizin (300 Betten) einer insgesamt 1600-Betten umfassenden Universitätsklinik zu erreichen, war eine Herausforderung“, gibt Kern zu. Denn gerade in Universitätskliniken liegen Patienten mit schweren Erkrankungen und hohen Risiken, die nicht selten den Einsatz breit wirksamer Antibiotika notwendig machen. Das Antibiotic-Stewardship-Programm in Freiburg zielte darauf ab, den Verbrauch von Cephalosporinen und Fluorchinolonen zu reduzieren, während der Einsatz von Penicillinderivaten befürwortet wurde. „Penicillinderivate sind erfahrungsgemäß weniger riskant für die Bildung der aktuell Besorgnis erregenden resistenten Erreger in Kliniken“, erklärt der Studienleiter.

Das intensive ABS-Programm setzte auf Information, Schulung und Rückmeldung des Antibiotikaverbrauchs. Die internen Leitlinien wurden überarbeitet, Ärzte wurden geschult. Mit intensivierten Visiten, Konsilen und Besprechungen wurde sichergestellt, dass nicht nur die Botschaft ankam: „Gebt mehr Penicilline, gebt weniger Cephalosporine und Fluorochinolone“, sondern auch, dass individuell eine optimale Therapie durchgeführt wurde. Parallel dazu wurde der Verbrauch an Antibiotika sowohl im Vorfeld analysiert als auch während der Studie dokumentiert. Die Daten wurden in bestimmten Abständen statistisch so aufbereitet, dass Trends sichtbar wurden und mittels Zeitreihenanalysen gesichert werden konnten. Als Kontrolle dienten mehrere Abteilungen des Klinikums, auf denen das ABS-Intensivprogramm nicht durchgeführt wurde.

„Die Daten zeigten eindrucksvoll, dass das Programm nicht nur machbar, sondern auch sehr erfolgreich war“, freut sich Kern. Der Verbrauch der Cephalosporine und Fluorochinolone konnte um mehr als 30 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig stieg zwar der Verbrauch von Penicillinen an, das Pro-gramm führte jedoch zusätzlich zu Nettoeinsparungen, und zwar bezüglich Antibiotika-Gesamtverbrauch als Menge und auch Kosten. „Wir sehen in dieser Studie ein proof of concept; das Modell sollte – wenn es an einer Klinik der Maximalversorgung funktioniert – auch auf andere Kliniken übertragbar sein“, ist Winfried Kern überzeugt. Erste Auswertungen zeigen auch einen positiven Einfluss auf resistente Erreger. Im Rahmen des DZIF wird Kern weitere Antibiotic-Stewardship-Programme umsetzen. Bereits im Sommer startet in Berlin parallel dazu ein Programm, mit dem der Antibiotikaverbrauch in Arztpraxen reduziert werden soll.


Originalveröffentlichung

 

Borde, JP; Kaier K; Steib-Bauert M; Vach W; Geibel-Zehender A; Busch H; Bertz H; Hug M; de With K; Kern WV:
Feasibility and impact of an intensified antibiotic stewardship programme targeting cephalosporin and fluoroquinolone use in a tertiary care university medical center.
BMC Infect Dis. 2014 April 15; 14 (1): 201.

 

Im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) entwickeln bundesweit rund 200 Wissenschaftler aus 32 Institutionen gemeinsam neue Ansätze zur Vorbeugung, Diagnose und Behandlung von Infektionskrankheiten. Einer der Schwerpunkte ist die Antibiotikaforschung. Neben der gezielten Steuerung des Antibiotika-Einsatzes arbeiten die DZIF-Wissenschaftler an der Entwicklung neuer Antiinfektiva. Mehr Informationen finden Sie unter www.dzif.de.

 

 

Weitere Informationen

 

 

 

Abb. oben: Klinikum der Maximalversorgung: Universitätsklinikum Freiburg

 


 

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, 07.05.2014 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…