Mutiertes Gen schützt vor Übergewicht und Diabetes

 

Die New Zealand obese-Maus nimmt unter einer fettreichen Diät schnell an Gewicht zu und entwickelt eine Adipositas (Fettsucht), wobei der Körperfettanteil auf über 40 Prozent steigen kann. Der Mausstamm ist ein Modell für das menschliche Metabolische Syndrom und dessen Folgeerkrankungen.Potsdam-Rehbrücke (20. Oktober 2008) – Einem Wissenschaftlerteam vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist es unter der Leitung von Hadi Al-Hasani und Hans-Georg Joost gelungen, erstmals eine natürliche Mutation im Tbc1d1-Gen zu identifizieren, die Mäuse trotz fettreicher Kost schlank bleiben lässt und zudem vor Diabetes schützt. Hierdurch konnten die Forscher einen tiefen Einblick in die Funktionsweise des Gens gewinnen. Die Aufklärung der Genfunktion schafft eine Basis für die Entwicklung neuer Therapie- und Präventionsansätze, denn auch beim Menschen kann das betreffende Gen mit Übergewicht und Diabetes in Verbindung gebracht werden. Die Forscher veröffentlichten ihre Daten heute in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Genetics (Chadt, A. et al.; 2008).

Die Mutation, die das Tbc1d1-Gen ausschaltet, bewirkt eine gesteigerte Fettaufnahme in die Skelettmuskulatur und kurbelt gleichzeitig die Fettverbrennung an. Der Glucoseumsatz der Muskeln nimmt dagegen ab. "Dies beweist, dass das normale Tbc1d1-Gen eine sehr wichtige Funktion im Fett- und Glucosestoffwechsel erfüllt und so eine wesentliche Rolle bei der Regulation des Energiestoffwechsels spielt", erklärt Hadi Al-Hasani.

"Nicht nur wie viel Nahrung wir aufnehmen, sondern auch wie wir sie in unserem Körper umsetzen, ist entscheidend für die Entstehung von Übergewicht und Diabetes", sagt Hans-Georg Joost, wissenschaftlicher Direktor des DIfE. Verschiebt sich das Verhältnis von Glucose- zu Fettverbrennung, so dass die Muskeln verstärkt Fett und weniger Glucose als Energiequelle nutzen, so ist dies energetisch ineffektiv. Die Folge ist, dass der Körper weniger Fett speichern kann. Das Risiko für Übergewicht und damit auch für Diabetes sinkt.

In Deutschland sind bereits 66 Prozent der Männer und 50,6 Prozent der Frauen übergewichtig oder adipös (fettsüchtig). In den USA bringen nach jüngsten Meldungen sogar dreiviertel der Erwachsenen zu viel auf die Waage. Übergewicht erhöht in einem erheblichen Maß das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes. Derzeit sind mehr als sieben Prozent der Bundesbürger an Diabetes erkrankt, wobei die Zahl in den nächsten Jahren durch die steigende Anzahl Übergewichtiger noch zunehmen wird.

Wie Tier- und Humanstudien zeigen, besteht ein Zusammenhang zwischen Übergewicht, Typ-2-Diabetes, Ernährung und Genen. Wissenschaftler vermuten, dass natürliche Varianten von mindestens 50 Genen an der Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. Für Diabetes spielen vermutlich mehr als 100 Gene eine Rolle. Nur sehr wenige dieser Gene und Varianten sind bislang bekannt. Zudem bilden sie ein funktionell interagierendes Netzwerk, dessen einzelne Komponenten beim Menschen nur schwer zu identifizieren und zu untersuchen sind.
Da Mensch und Maus genetisch sehr ähnlich sind, nutzen die Forscher des DIfE Mausmodelle, um Gene zu identifizieren, die an der Entstehung von Übergewicht und Diabetes des Menschen beteiligt sind. Ist zum Beispiel ein "Übergewichtsgen" gefunden, das bei beiden Spezies eine Rolle spielt, können die Wissenschaftler seine Funktion und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen am Tiermodell unter kontrollierten Bedingungen erforschen. Am Menschen sind solche Studien oft aus ethischen sowie auch aus praktischen Gründen nicht möglich. Die am Tiermodell gewonnenen Ergebnisse lassen sich nutzen, um neue Medikamente zur Behandlung von Adipositas (Fettsucht) und Diabetes zu entwickeln.

Hintergrundinformation

Zur Studie: Die Wissenschaftler identifizierten die Mutation im Tbc1d1-Gen mit Hilfe von Rückkreuzungsexperimenten. Dabei verglichen sie das Erbgut zweier sehr unterschiedlicher Mausstämme. Die New Zealand obese-Maus nimmt unter einer fettreichen Diät (60 Prozent Fettanteil) schnell an Gewicht zu und entwickelt eine Adipositas (Fettsucht), wobei der Körperfettanteil auf über 40 Prozent steigen kann. Die Mäuse des Swiss Jim Lambert-Stamms nehmen trotz eines sehr hohen Fettanteils im Futter aufgrund ihrer genetischen Veranlagung nicht zu und bleiben schlank.

Im mutierten Tbc1d1-Gen des Swiss Jim Lambert-Stamms fehlen sieben Genbausteine (Basen). Diese Veränderung führt zu der Synthese eines verkürzten Tbc1d1-Eiweißmoleküls, das hierdurch aller Wahrscheinlichkeit nach seine enzymatische Funktion verliert. Das Tbc1d1-Eiweißmolekül findet sich hauptsächlich im Skelettmuskel. Geringere Mengen konnten die Wissenschaftler im Gewebe von Herz, Bauchspeicheldrüse, Colon, Nieren und dem Hypothalamus nachweisen. Im Fettgewebe und in der Leber trat es nicht auf.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

Die Leibniz-Gemeinschaft hat das Forschungszentrum für Diabetes und Stoffwechselerkrankungen gegründet. Es wird von drei führenden Diabetologen in Deutschland koordiniert: Prof. Michael Roden, Deutsches Diabetes-Zentrum in Düsseldorf, Prof. Hans-Georg Joost, Deutsches Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke, und Prof. Hans-Ulrich Häring, Universitätsklinikum Tübingen. Die Kombination der Forschung an den drei Standorten deckt nach Ansicht der Experten das gesamte Feld des Typ-2-Diabetes ab. Diese Form der Erkrankung ist mit rund sechs Millionen Fällen in Deutschland die häufigste und zählt aus volkswirtschaftlicher Sicht zu den teuersten chronischen Leiden.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 82 außeruniversitäre Forschungsinstitute und forschungsnahe Serviceeinrichtungen. Diese beschäftigen etwa 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand 12/2006). Davon sind ca. 5.400 Wissenschaftler (inkl. 2.000 Nachwuchswissenschaftler). Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,1 Milliarden Euro pro Jahr. Die Drittmittel betragen etwa 225 Millionen Euro pro Jahr. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de  

  


Quelle: Presseinformation des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) vom 20.10.2008.

 

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