PFLEGE
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
Seniorenstiftung Prenzlauer Berg
Nähe bis zum Abschied
Berlin (3. August 2009) – Erstmalig und derzeit auch einmalig in Berlin und Brandenburg ist die Eröffnung des Wohnbereichs „Palliative Pflege“ der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg seit Sonnabend, dem 1. August 2009. Der neue Bereich im Seniorenhaus in der Gürtelstraße 33 dient der behütenden, ganzheitlichen Behandlung und Pflege von Menschen mit nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankungen. Die Stiftung reagiert damit auf festgestellte Defizite in der spezialisierten palliativen Versorgung. Die Wartelisten sind lang in den Berliner Hospizen. Dem Anliegen, für Angehörige oder Freunde mit unheilbaren Krankheiten in ihrer letzte Lebensphase eine qualifizierte Begleitung und Pflege zu finden, kann nicht immer in der Weise entsprochen werden, wie es gewünscht wird. Dabei ist der Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) seit April 2007 im fünften Sozialgesetzbuch festgeschrieben worden. Paragraf 37b SGB V beschreibt, welche Leistungen „Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen,“ beanspruchen können.
Weitgehend eingeführt sind Palliativstationen in Krankenhäusern und klinischen Einrichtungen. Sie dienen jedoch in der Regel nicht der Versorgung Sterbender, sondern sichern die pflegerische und medizinische Betreuung für Leidende. Zu etwa 90 % erfolgt die allgemeine Palliativversorgung ambulant. Für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung, wie sie das Gesetz beschreibt, ist die Beteiligung von Hausarzt und Palliativmediziner, Pflegepersonal mit spezieller Zusatzausbildung und weiteren Begleitern auf der letzten Lebensetappe erforderlich. Sie wird durch ein interdisziplinäres Team erbracht, zu dem neben Ärzten und Pflegenden auch Sozialarbeiter, Seelsorger, freiwillige, ehrenamtliche Begleiter – in jedem Fall auch die Angehörigen und der Patient selbst gehören.
Palliativpflege im Pflegeheim?
Palliativversorgung erfolgt bereits in allen Pflegeeinrichtungen, aber unzusammenhängend, bei einzelnen Bewohnern. Dass ein Pflegeträger sich entschließt, einen eigens dafür vorgesehenen Wohnbereich einzurichten, ist ein Novum in Berlin und Brandenburg. „Ende 2008 begannen wir in der Seniorenstiftung über die Einrichtung eines Wohnbereiches nachzudenken, der sich ausschließlich der palliativen Pflege widmet“, erklärt Lilian Weber, die Pflegedirektorin der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg. „Durch Kontakt mit dem Geriatrieexperten Herrn Professor Zippel, wurde aus der Idee die praktische Planung.“ Prof. Dr. med. Christian Zippel, langjähriger Chefarzt einer Berliner Klinik für Geriatrie und Rehabilitation mit Lehraufträgen an der Charité und der Fachhochschule „Alice Salomon“, hatte im Rahmen seiner wissenschaftlichen Erhebungen den hohen Bedarf eruiert, der zurzeit kaum gedeckt werden kann und sich kommenden Jahren weiter erhöhen wird. „Seine Marktanalyse zeigte, dass dies nicht nur allgemein für die Palliativversorgung in Deutschland gilt, sondern dass auch der Bezirk Pankow in dieser Beziehung unterversorgt ist. Darum haben wir in Zusammenarbeit mit ihm ein entsprechendes Konzept erarbeitet.“
„Es ist nachgewiesen, dass der Standard der Versorgung am Lebensende in den Heimen sehr ungleichmäßig ist. Die Symptomkontrolle ist oft schlecht, und häufig werden Bewohner am Lebensende unnötig in ein Krankenhaus eingewiesen“, schilderte Prof. Zippel am vergangenen Mittwochabend in der Seniorenstiftung die Situation. In einer Informationsveranstaltung für Fachkräfte, Angehörige und interessierte Öffentlichkeit verdeutlichte er, dass Menschen mit Demenz im hohem Grad zusätzliche Leiden und suboptimale Pflege erfahren würden, denn das Personal habe oft wenig Übung und Erfahrung in der Versorgung von Sterbenden. Zudem seien viele Pflegestandards in Heimen von Pflegeassistenten mit geringem formalem Training entwickelt worden. Daher hatte es sich die Stiftung zur Aufgabe gemacht, bei der Einrichtung des Palliativpflegebereichs von vornherein wissenschaftliche Erfahrungen und Standards zu berücksichtigen. Ärztliche sowie pflegerische Versorgung, Koordinierung der Symptomkontrolle – alle Aspekte spezialisierter Palliativversorgung sollten auch in der stationären Pflege gewährleistet werden.
Nachdem die fachlichen Rahmenbedingungen geklärt waren, musste die räumliche und technische Ausstattung bedacht werden. „Palliative Pflegebereiche haben einen höheren Bedarf als die normalen Wohn- und Pflegebereiche“, erläutert Clarissa Lejeune-Jung, Pflegedienstleiterin der Gürtelstraße 33, die seit Beginn ihrer Tätigkeit in der Stiftung intensiv am Projekt mitgewirkt hat. „Sowohl Menge und Art der Medikation, technische Ausstattung wie Infusoren oder Aspiratoren und diverse Hilfsmittel müssen in größerem Umfang sofort verfügbar sein.“ Ein wichtiger Aspekt war auch die Raumgestaltung. Es sollte eine freundliche und wohnliche Atmosphäre geschaffen werden. Der Palliativbereich verfügt zudem über eine große Wohnküche zum gemeinsamen Essen und zur Begegnung, die von Bewohnern, Familien, Freunden und Mitarbeitern genutzt werden kann. Angehörige finden bequeme und komfortable Übernachtungsmöglichkeiten mit Teilnahme an den Mahlzeiten. In den Bewohnerzimmern lassen sich zusätzlich Betten aufstellen. Die schwerkranken Bewohner sollen die menschliche Nähe und kompetente Versorgung erhalten, die sie für ein würdiges Leben bis zum Abschied benötigen.
„Empathie kann ich nicht lernen!“
Wichtigstes Potential im Rahmen einer ganzheitlichen palliativen Pflege ist jedoch das qualifizierte und geeignete Personal. „Die Pflege Schwerstkranker bedeutet weit mehr als Waschen, Ankleiden und die Versorgung mit Nahrung. Häufig rücken gerade diese Belange für die Betroffenen eher in den Hintergrund“, sagt Gundula Schiewe, die den Wohnbereich Palliativpflege leitet. Sie kam vom Ernst von Bergmann Klinikum Potsdam, einem der größten Schwerpunktkrankenhäuser Brandenburgs, in die Seniorenstiftung. Nach mehrjähriger Berufspraxis im Zentrum für Onkologie und Strahlentherapie, hat sie ihre beruflichen Erfahrungen auf der dortigen Palliativstation gesammelt. „Palliativ zu pflegen bedeutet vielmehr, unglaublich nah an den Menschen zu sein, an ihren Ängsten und Sorgen, ihren Gedanken und ihren Schmerzen“, fährt sie fort. „Palliativpflege ist kein Bereich, auf den jemand gesetzt werden kann. Er muss es wollen und können, denn es geht nicht allein um klassische Pflege, sondern vor allem die zwischenmenschlichen Aspekte spielen eine Rolle.“ Daher wurde der Auswahl der Pflegekräfte hohe Bedeutung zugemessen. Voraussetzung war der Abschluss als dreijährig examinierte Alten- oder Krankenpflegekraft mit der Zusatzqualifikation Palliative Care. Hohe Fachlichkeit, Erfahrung und menschliche Qualifikation waren Entscheidungskriterien.
Das Pflegekonzept der Palliativpflege unterscheidet sich stark von anderen Pflegekonzepten. Durch die begrenzte Lebenserwartung und die nicht-kurative Behandlung kann es für den pflegebedürftigen Bewohner zu einer Verschiebung von Prioritäten, Bedürfnissen und Werten kommen. Der Pflegende muss diese Situation akzeptieren und zugleich durch einen würdevollen Umgang eine möglichst hohe Lebensqualität und die Linderung quälender Symptome sichern. Dazu gehört die Schaffung einer tiefen Vertrauensbasis. In der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Tod stellen sich für den Betroffenen Fragen nach Sinn und Bilanz seines Lebens. Die Pflegekräfte müssen Raum lassen für Abschied und Trauer und die individuellen kulturellen und religiösen Werte beachten.
„Empathie kann ich nicht lernen“, sagt Gundula Schiewe. „Neben dem hohen Maß an Eigenständigkeit, das für diese Tätigkeit mitgebracht werden muss, ist es für jede Pflegekraft wichtig, sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen. Sie muss die Fähigkeit besitzen, den Sterbenden nur zu begleiten, nicht mitzugehen, sonst erleidet sie selbst einen Burnout.“ Sie ist sichtlich zufrieden, dass dieses Team gefunden werden konnte. Zum Teil haben Pflegekräfte innerhalb der Stiftung gewechselt, zum Teil wurden sie eingestellt. Die Stiftung bietet auch eine Fortbildung „Palliative Care“ an.
Sorge und Fürsorge am Ende des Lebens
Zum multiprofessionellen Team des neuen Wohnbereichs gehören neben den speziell ausgebildeten Pflegekräften, fünf Ärzte aus dem Berliner Home Care-Projekt, die rund um die Uhr zur ärztlichen Intervention bereitstehen. Daneben sind auch die Fach- und Hausärzte der Bewohner einbezogen. Den spirituellen Bedürfnissen widmen sich Seelsorger und Geistliche der jeweiligen Religion und Konfession. Darüber hinaus wird eine enge Zusammenarbeit mit ambulanten Hospizdiensten und Trauerberatungsstellen aufgebaut, so dass auch ehrenamtliche Begleiter ein wesentlicher Bestandteil des Teams sein werden. Ethisch-moralische Grundlage der Hospiz- und Palliativmedizin ist der Auftrag, die Menschenwürde lebenslang zu bewahren und die dafür erforderlichen Hilfen bereitzustellen. Es gilt zu zeigen, dass auch Menschen in der letzten Phase ihres Lebens ein wichtiger Teil der menschlichen Gemeinschaft sind. Darum hat palliative Fürsorge eine ganzheitliche Dimension. Sie berücksichtigt die physischen, emotionalen, psychosozialen und spirituellreligiösen Bedürfnisse sowohl des (sterbenden) Menschen als auch seiner Familie und Angehörigen und bietet gerade auch ihnen Unterstützung über den Tod hinaus. Mit dem neuen Wohnbereich „Palliative Pflege“, der zunächst mit neun Pflegeplätzen am 1. August 2009 eröffnet wurde, ist – neben PflegeWohnen, ServiceWohnen und dem Kompetenzzentrum für Hörgeschädigte – in der Gürtelstraße 33 etwas Neues und Wertvolles in der stationären Altenpflege Berlins entstanden. Im Oktober wird der Bereich auf 15 Pflegeplätze erweitert.
Die Seniorenstiftung Prenzlauer Berg besteht seit Januar 1996. Sie wurde als erste Stiftung des Landes Berlin ehemals kommunaler Seniorenhäuser eingerichtet und betreibt vier Pflegeeinrichtungen an zwei Standorten im Stadtteil Prenzlauer Berg: drei Häuser in der Gürtelstraße und ein Haus in der Stavangerstraße. Sie verfügt über insgesamt 678 Pflegeplätze für Bewohner aller Pflegestufen und 100 Seniorenwohnungen.
Quelle: Pressemitteilung der Seniorenstiftung Prenzlauer Berg vom 03.08.2009.