Neuer NK1-Rezeptorantagonist eingeführt

Rolapitant ermöglicht einfache und langanhaltend wirksame Antiemese

München (24. Mai 2017) – Ende April wurde von der EMA mit Rolapitant (VARUBY®) ein neuer Neurokinin-1-Rezeptorantagonist zur Prävention von verzögerter Übelkeit und Erbrechen bei hoch und moderat emetogener Chemotherapie bei erwachsenen Tumorpatienten in der Kombination mit anderen Antiemetika zugelassen. Der moderne Neurokinin-1-Rezeptorantagonist verfügt mit etwa 180 Stunden über eine außerordentlich lange Halbwertszeit. Rolapitant (2 Tabletten zu 90 mg) wird nur einmal vor der Chemotherapie gegeben und kann mit jedem 5-HT3-Rezeptorantagonisten und Dexamethason kombiniert werden. Im Gegensatz zu den älteren Vertretern der Substanzklasse müssen dabei keine Anpassungen der Dexamethason-Dosis vorgenommen werden. VARUBY® ist das erste Produkt aus der Pipeline des jungen, rein onkologisch ausgerichteten biopharmazeutischen Unternehmens Tesaro, wie Birgit Schunck, München, Geschäftsführerin von Tesaro in Deutschland, Österreich und der Schweiz, auf der Einführungspressekonferenz berichtete. VARUBY® ist seit Juni 2017 in Deutschland im Handel.

Prof. Hans-Peter Lipp, Tübingen, der die neue antiemetische Therapieoption Rolapitant aus pharmakologischer Sicht erläuterte, erinnerte zunächst an die Pathomechanismen, die an der Entstehung der Chemotherapie-induzierten Übelkeit und Erbrechen (CINV) beteiligt sind. In den ersten 24 Stunden nach Gabe der Chemotherapie (akute Phase) ist Serotonin (5-HT3) der entscheidende Neurotransmitter. Man geht aber davon aus, dass der Effekt des Serotonins nicht mehrere Tage lang anhält, sondern die enterochromaffinen Zellen im Gastrointestinaltrakt nach etwa 24 Stunden entleert sind, so dass insbesondere an den Folgetagen – aber in gewissem Maße auch schon an Tag 1 – mit der Substanz P aus der Gruppe der Neurokininen ein anderer Neurotransmitter die Problematik weiter vorantreibt. Lipp: „Wir haben gelernt, dass wir insbesondere bei hoch emetogenen Chemotherapien den Patienten an Tag 1 mit einem 5-HT3-Rezeptorantagonisten und einem NK1-Rezeptorantagonisten flankiert von Dexamethason, dieses gegebenenfalls auch an den Folgetagen, abdecken müssen“.

Lange Halbwertszeit: Einmalgabe genügt auch bei mehrtägigen Chemotherapien

Rolapitant ist ein hochselektiver NK1-Rezeptorantagonist (RA) und weist eine vergleichbare Affinität (Ki = 0,66 nM) an die NK1-Rezeptoren auf wie die älteren NK1-RA Aprepitant und Netupitant, jedoch mit deutlich längerer Verweilzeit im Cortex und im Striatum. „Was Rolapitant von den anderen Vertretern der Substanzklasse unterscheidet, ist die Pharmakokinetik“, so Lipp. „Rolapitant hat von allen NK1-Rezeptorantagonisten mit Abstand die längste Eliminationshalbwertszeit“, berichtete der Chefapotheker der Universität Tübingen weiter. Diese außerordentlich lange Halbwertzeit von Rolapitant und seines Hauptmetaboliten SCH 720881 von 180 Std. bzw. 146-212 Std. erkläre, dass mit einer Einmalgabe von Rolapitant vor der Chemotherapie eine sichere Abdeckung über fünf Tage erreicht werden kann. „Der erste NK1-Rezeptorantagonist Aprepitant muss aufgrund seiner kurzen Halbwertzeit auch an den Folgentagen einer Chemotherapie gegeben werden, und auch die Einmalgabe von Netupitant wäre bei einem mehrtägigen Cisplatin-basierten Protokoll, wie es beim Hodenkarzinom verabreicht wird, nicht ausreichend“, so Lipp. Bei Rolapitant hingegen ist aufgrund seiner sehr langen Halbwertzeit auch bei einem fünftägigen PEB-Protokoll (Cisplatin, Etoposid, Bleomycin) eine Einmalgabe von 180 mg vor der Chemotherapie ausreichend. „Nach 120 Stunden haben wir noch immer beeindruckende 90% Sättigung der Rezeptoren im Cortex und eine Sättigung von 73% im Striatum“, kommentierte Lipp. Bei dem bisher nur oral verfügbaren Rolapitant sei dabei unbedingt darauf zu achten, dass der Patient den NK1-RA nicht zu knapp vor der Chemotherapie bekommt, Rolapitant müsse ein bis zwei Stunden vor der Chemotherapie verabreicht werden.

Pharmakokinetik von Rolapitant ermöglicht unkomplizierte Antiemese

„Wir müssen davon ausgehen, dass die Nausea, vor allem die verzögert auftretende, für die Patienten auch heute noch ein Problem darstellt“, konstatierte Lipp und verwies auf zwei aktuelle Erhebungen zum Management der CINV.1 2 Diese zeigen auch, dass Patienten oftmals nicht von Übelkeit oder Erbrechen berichten, zum Teil aus Angst vor einer möglicherweise nachteiligen Therapieumstellung. Dabei wird gerade die Übelkeit von Patienten als schwerere Beeinträchtigung wahrgenommen als von den behandelnden Ärzten und vom Pflegepersonal. Auch ist an den Folgetagen der Chemotherapie die Adhärenz zu Hause bzgl. der mitgegebenen Antiemetika häufig nicht zufriedenstellend. Grund hierfür kann die bereits hohe Tablettenlast sein oder die Angst, dass Schlucken von Peroralia die Nausea fördert. „Größtes Problem ist aber, dass die Antiemetika für die Folgetage als Notfallmedikation verstanden, also viel zu spät eingenommen werden. Genau dieses Problem können wir mit dem Einsatz von Rolapitant sicher umgehen“, so Lipp. Nach Gabe der empfohlenen Dosis von einmal 180 mg Rolapitant ist von einer vollständigen Absorption und absoluten Bioverfügbarkeit von 100% auszugehen. „Die Substanz kann dabei unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden, eine Nahrungsaufnahme hat keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik“, ergänzte Lipp. Das Verteilungsvolumen wurde mit ca. 460 Litern berechnet, die Plasmaeiweißbindung liegt bei über 99%. Die Parameter Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, das verabreichte Chemotherapieregime, Kreatininclearance, Albumin, ALT, AST, Bilirubin, die Alkalische Phosphatase, Co- Medikation und die Neutrophilenzahl haben keinen signifikanten Einfluss auf die Pharmakokinetik von Rolapitant. „Wir müssen also nicht bei jedem Patienten individuelle Faktoren berücksichtigen, um gegebenenfalls Dosisanpassungen vorzunehmen“, kommentierte Lipp. Bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit bestünden keine Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Patienten, allerdings sollte Rolapitant bei Patienten über 75 Jahren aufgrund eingeschränkter Daten mit Vorsicht eingesetzt werden. Bei Patienten mit geringer oder mäßiggradiger Beeinträchtigung der Leberfunktion sowie bei Patienten mit geringer oder mäßiggradiger Beeinträchtigung der Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung notwendig. Zu Patienten mit schwerer renaler oder hepatischer Beeinträchtigung liegen keine Daten vor.

Rolapitant: keine Modifikation der Dexamethason-Dosierung notwendig

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen Rolapitant und den anderen NK1-RA wird beim Thema Arzneimittelwechselwirkungen deutlich. Im Gegensatz zu Aprepitant und Netupitant führt Rolapitant nicht zu Wechselwirkungen mit Glukokortikoiden (Dexamethason) und CYP3A-Substraten. Starke CYP3A4-Inhibitoren wie Ketoconazol haben keinen klinisch relevanten Einfluss auf die Pharmakokinetik von Rolapitant. Der Einsatz des starken CYP3A-Enzyminduktors Rifampicin führte zu einer Reduktion der Spitzenspiegel von Rolapitant, was jedoch für die Antiemese bei Chemotherapiepatienten kaum praktische Relevanz habe, so Lipp. „Aprepitant ist ein moderater Hemmstoff von CYP3A4 und des Glukokortikoidstoffwechsels, was dazu führt, dass bei einer Antiemese mit Aprepitant die Dexamethason-Dosis von den in den Leitlinien empfohlenen 20 mg auf 12 mg reduziert werden muss“, berichtete Lipp. Auch von Netupitant geht ein moderat hemmender Effekt auf CYP3A4 und des Glukokortikoidstoffwechsels aus. „Rolapitant dagegen beeinflusst den Glukokortikoid-Stoffwechsel nicht, deshalb muss für Dexamethason keine Dosismodifikation vorgenommen werden, weder für die Prävention der akuten noch der verzögerten CINV“. Bezüglich möglicher Arzneimittelwechselwirkungen der verfügbaren NK1-RA wies Lipp auf einen Hinweis in der Fachinformation der oralen Fixkombination NEPA hin, dass ein pharmakokinetischer Einfluss auf Docetaxel und Etoposid und eine damit verbundene Expositionssteigerung der Zytostatika nicht ausgeschlossen werden könne. Aus diesem Grund sollte NEPA bei Patienten, die gleichzeitig oral mit Wirkstoffen, die vorwiegend über CYP3A4 metabolisiert werden und eine geringe therapeutische Breite aufweisen, mit Vorsicht angewendet werden.

Rolapitant ist ein moderater Hemmstoff von CYP2D6. Klinisch-pharmakokinetische Untersuchungen mit dem Modellsubstrat Dextromethorphan haben gezeigt, dass der gleichzeitige Einsatz von Rolapitant zu einer Steigerung der Dextromethorphan-Exposition um das 2,2- bis 3,9-fache führte. Bei CYP2D6 Ultrarapid-Metabolizern ist von einer stärkeren Expositionssteigerung auszugehen (ca. 5,7-fach), während bei Intermediate-Metabolizern der Effekt deutlich abgeschwächt ist (ca. 1,4- bis 1,7-fach). Diese moderate CYP2D6- Inhibition sei jedoch nur bei Arzneistoffen relevant, die zu einem hohen Anteil via CYP2D6 metabolisiert werden und eine geringe therapeutische Breite aufweisen, die aber in der Praxis heute kaum mehr im Einsatz seien, erläuterte Lipp. Auch die BCRP/PgP-Inhibition durch Rolapitant sei wahrscheinlich klinisch kaum relevant.

Klinische Studien mit Rolapitant zur Prävention der CINV

Prof. Petra Feyer, Berlin, konstatierte zunächst einen Bedarf an neuen, verbesserten Antiemetika, da die CINV und vor allem die verzögerte Übelkeit trotz optimalem und leitliniengerechtem Einsatz der verfügbaren Antiemetika noch immer für viele Patienten ein Problem darstelle. Pflegepersonal und vor allem Ärzte unterschätzten diese Problematik immer wieder, wie eine Reihe von Untersuchungen demonstriert hätten2 3. Wie Lipp zeigte sich auch Feyer überzeugt, dass eine möglichst einfache Antiemese, bei der alle Antiemetika für die akute und die verzögerte Phase nur einmal vor der Chemotherapie verabreicht werden („alles an Tag 1“), die bestmögliche antiemetische Versorgung der Patienten gewährleiste.

Nachdem in einer Phase-II-Dosisfindungsstudie bei mit mindestens 70 mg/m² Cisplatin behandelten Patienten 180 mg Rolapitant p.o. als Dosis für folgende Phase-III-Studien ermittelt worden war4, wurde der NK1-RA nachfolgend in zwei gleich aufgebauten Studien bei Cisplatin-basierter hoch emetogener Chemotherapie (HEC)5 und einer analog aufgebauten Studie bei moderat emetogener Chemotherapie (MEC)6 untersucht. Letztere enthielt allerdings zu 50% Patienten unter Anthrazyklin/Cyclophosphamid (AC)-basierter Chemotherapie, was heute ebenfalls den hoch emetogenen Regimen zugerechnet wird, wie Feyer erinnerte. In allen drei Phase-III-Studien war das komplette Ansprechen (Complete Response (CR): kein Erbrechen, keine Notfall-Medikation) in der verzögerten Phase (Tag 2- 5) der primäre Endpunkt.

Rolapitant-basierte Antiemese verbessert CINV-Prävention bei MEC

In die MEC-Studie waren 1.369 Chemotherapie-naive Patienten mit vorwiegend soliden Tumoren eingeschlossen, die Studienarme waren hinsichtlich der Patientencharakteristika ausgewogen. Die Patienten erhielten 1-2 Stunden vor der Chemotherapie entweder 180 mg Rolapitant p.o. oder ein Placebo und etwa eine halbe Stunde vor der Chemotherapie 2 mg Granisetron p.o. und Dexamethason 20 mg sowie an den Folgetagen 2 und 3 jeweils 2 mg Granisetron. „Sowohl beim primären Endpunkt, dem kompletten Ansprechen in der verzögerten Phase, als auch beim kompletten Ansprechen im gesamten Risikozeitraum wurde nach dem ersten Zyklus ein statistisch hoch signifikanter Unterschied zugunsten von Rolapitant beobachtet“, berichtete Feyer (p<0,0002 bzw. <0,0001) und ergänzte: „Außerdem zeigte sich beim kompletten Ansprechen auf die Antiemese ein Plateau, das über die gesamte verzögerte Phase anhielt, während in der Kontrollgruppe der Schutz vor CINV über die fünf Tage immer weiter abnahm.“ Eine Subgruppenanalyse der MEC-Studie ergab, dass alle Patienten von der Dreifachkombination mit Rolapitant profitierten, unabhängig davon, ob sie eine AC-basierte Chemotherapie bekommen hatten oder nicht. Bei den Patienten, die eine AC-haltige Chemotherapie erhalten hatten, ergaben sich in der verzögerten Phase und im fünftägigen Gesamtzeitraum signifikant erhöhte Komplettansprechraten auf die Antiemese mit Rolapitant (p=0,0465 und p=0,0332). Bei den nicht mit AC behandelten Patienten waren die CR-Raten in allen drei Phasen nach der Chemotherapie durch den Zusatz von Rolapitant signifikant verbessert (p=0,0008, p=0,0163 und p=0,0003). „Bei der Verträglichkeit der Antiemese gab es zwischen den beiden Behandlungsgruppen keine Unterschiede“, fügte Feyer hinzu.

Rolapitant bei Carboplatin: Komplettansprechen auf die Antiemese signifikant erhöht

Eine Post-hoc-Analyse der 401 mit Carboplatin behandelten Patienten im Rahmen der MEC-Studie ergab, dass in Zyklus 1 signifikant mehr Patienten, die Rolapitant erhalten hatten, sowohl in der verzögerten Phase (82,3% versus 65,6%, p < 0,001) als auch im Gesamtzeitraum (0-120 Std.) (80,2% versus 64,6%, p < 0,001) komplett auf die Antiemese ansprachen7. „Wir wissen, dass Carboplatin knapp an der Grenze zur Gruppe der hoch emetogenen Substanzen liegt, mit einer Wahrscheinlichkeit für Übelkeit und Erbrechen von bis zu 89%, wenn keine Prophylaxe erfolgt“, erklärte Feyer. Auch andere Studien hatten bereits gezeigt, dass mit Carboplatin behandelte Patienten vom Zusatz eines NK1- Rezeptorantagonisten deutlich profitieren, weshalb Carboplatin-haltige Regime in den aktuellen Antiemese-Leitlinien von MASCC und ESMO mittlerweile eine Sonderstellung innerhalb der Gruppe der MEC einnehmen: Auch diese Patienten sollten an Tag 1 ein antiemetisches Kombinationsregime mit NK1-RA erhalten, analog der Vorgehensweise bei HEC.

Hoch emetogene Chemotherapien

In den zwei multizentrischen Studien HEC-1 und HEC-2 erhielten insgesamt 1.087 Chemotherapie-naive Patienten im Median 75 mg/m² i.v. Cisplatin und als Antiemese vor der Chemotherapie 10 μg/kg Granisetron i.v. und Dexamethason 20 mg sowie entweder 180 mg Rolapitant p.o. ein bis zwei Stunden vor Beginn der Cisplatin-Infusion oder ein Placebo. An den Folgetagen 2-4 wurden jeweils 8 mg Dexamethason oral gegeben. Die gepoolte Analyse beider Studien ergab, dass im Rolapitant-Arm 71% der Patienten und im Vergleichsarm 60% das primäre Studienziel, ein komplettes Ansprechen auf die Antiemese in der verzögerten Phase, erreichten (p=0,0001). „Auch im Gesamtzeitraum war der Unterschied im kompletten Ansprechen statistisch hoch signifikant“, ergänzte Feyer. Auch in den HEC-Studien war das Plateau beim Ansprechen im Risikozeitraum über fünf Tage zu erkennen, wie Feyer hinzufügte. Subgruppenanalysen hätten außerdem gezeigt, dass sowohl ältere als auch junge Patienten in gleichem Maße von der Kombinationsantiemese mit Rolapitant profitierten.

Wirksamkeit über multiple Therapiezyklen und verbesserte Lebensqualität

Während die Zulassungsstudien die Wirksamkeit von Rolapitant in Zyklus 1 untersucht hatten, wurden mittlerweile auch Wirksamkeit und Sicherheit von Rolapitant in den Folgezyklen 2-6 untersucht8. Hierfür wurden die Patienten der MEC-Studie und der HEC-Studien an den Zyklustagen 6-8 befragt, ob es an den fünf Tagen nach der Chemotherapie zu Erbrechen oder Würgen gekommen war und ob sie unter Übelkeit litten, die ihren normalen Alltag beeinträchtigte. „Es konnte gezeigt werden, dass Rolapitant seine Effektivität über mehrere Zyklen behält“, fasste Feyer die Untersuchung zusammen.

„Für unsere Patienten ist die Frage nach der Lebensqualität während der Therapie zentral. Damit die Tumortherapie möglichst wenig negativen Einfluss auf die Lebensqualität hat, ist es wichtig, dass wir moderne, verbesserte Antiemetika zur Verfügung haben“, konstatierte Feyer. Auch bei den Zulassungsstudien von Rolapitant war die Lebensqualität der Patienten von Interesse und wurde mithilfe von FLIE-Bögen erfasst. In der MEC-Studie gaben signifikant mehr Patienten, die eine Antiemese mit Rolapitant erhalten hatten, keine Auswirkungen der CINV auf ihr tägliches Leben an als Patienten aus dem Kontrollarm (p=0,0270). In den beiden HEC-Studien ließ sich bei der Auswertung der FLIE-Bögen ein Unterschied zugunsten des Rolapitant-haltigen Regimes feststellen, der jedoch nicht statistisch signifikant war (p=0,0821). Die Scores zur Nausea und zum Erbrechen in den HEC-Studien und der MEC-Studie ließen durchgängig eine signifikante Verbesserung für das Rolapitant-haltige Regime erkennen9.

Leitlinien und praktische Aspekte des Managements von CINV

„Ein bisschen Übelkeit und Erbrechen, so schlimm ist das ja nicht“ – das sei eine Einstellung, der man auch im Jahr 2017 noch begegne, konstatierte Dr. Jörg Schilling, Berlin, der sich zunächst mit den negativen Auswirkungen von unkontrollierter CINV beschäftigte. So komme es zur Ausbildung der ausgesprochen schwierig zu behandelnden antizipatorischen Übelkeit und Erbrechen, aber auch zu Angst, Depressionen und einer Verstärkung von Fatigue. Auf körperlicher Ebene drohen neben Mineral- und Flüssigkeitsverlust Anorexie und Kachexie sowie eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Durch Therapieverweigerungen seitens der Patienten und auch medizinisch notwendige Therapieabbrüche oder -verkürzungen sei das Therapieziel gefährdet. In letzter Konsequenz könne die CINV zu einer Verkürzung des Überlebens beitragen, so Schilling.

„Die Einführung des ersten 5-HT3-Rezeptorantagonisten war ein Meilenstein und Voraussetzung dafür, dass Chemotherapien überhaupt ambulant durchgeführt werden konnten. Ein weiterer Meilenstein war die Entwicklung der NK1-Rezeptorantagonisten und wir wissen heute außerdem, dass ein Glukokortikoid wie Dexamethason die antiemetische Potenz dieser beiden Substanzklassen verstärkt. Wir können uns aber mit dem, was wir heute erreicht haben, noch nicht zufrieden geben“, konstatierte Schilling. Noch immer leiden 50% bis 70% der Patienten unter Übelkeit, 10% bis 15% müssten erbrechen10. Eine Umfrage des Berufsverbandes der Niedergelassenen Gynäkologischen Onkologen (BNGO) 2015 habe außerdem gezeigt, dass gerade die verzögerte Übelkeit von den Patienten als belastend empfunden wird, berichtete Schilling.

Erhebungen zeigen mangelhafte Leitlinienumsetzung im klinischen Alltag

Die Fachgesellschaften empfehlen übereinstimmend eine antiemetische Dreifach- Prophylaxe unter Hinzunahme von NK1-Rezeptorantagonisten für Patienten, die hoch emetogene Therapien (z.B. Cisplatin, Anthrazyklin/Cyclophosphamid-Kombinationen) erhalten. Auch bei gynäkologischen Patientinnen unter Carboplatin sei diese Strategie sinnvoll und werde von den aktuellen Antiemese-Leitlinien von MASCC/ESMO, und den Clinical Practice Guidelines des NCCN empfohlen, so Schilling. Gemäß der deutschen S3- Leitlinie Supportive Therapie bei onkologischen PatientInnen kann bei Carboplatin-haltiger Chemotherapie ein NK1-RA zusätzlich zu 5-HT3-RA und Dexamethason gegeben werden. „Heute liegen uns nicht nur wirksame Antiemetika, sondern auch evidenzbasierte Leitlinien mit detaillierten Prophylaxeschemata für alle Substanzen und Emesisrisikogruppen vor“, konstatierte Schilling. „In der Realität werden diese Leitlinien aber leider oft nur unzureichend umgesetzt und eine Vielzahl von Patientinnen und Patienten erhält keine adäquate Prophylaxe“. Dies habe beispielsweise auch eine 2012 bis 2013 durchgeführte Umfrage des BNGO zur Bekanntheit und Umsetzung von antiemetischen Leitlinien in 49 gynäko-onkologischen Praxen des BNGO anlässlich der damaligen Neueinstufung von AC als hoch emetogen gezeigt. Evaluiert wurde, ob Patientinnen mit Mammakarzinom, die eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie mit einem AC-basierten Schema erhalten, die für hoch emetoge Chemotherapien empfohlene Antiemese erhielten. Die antiemetische Therapie wurde bei 246 Patientinnen jeweils im ersten und dritten Zyklus der Chemotherapie dokumentiert. „Die Bekanntheit nationaler und internationaler Leitlinien unter den teilnehmenden Ärzten war nach deren Angaben zwar hoch, aber tatsächlich kam es in der Mehrzahl der Fälle zu einer Untertherapie“ berichtete Schilling. Nur etwa ein Drittel der Patientinnen erhielt die leitliniengerechte Triple-Antiemese. „Diese Versäumnisse sind aber keineswegs spezifisch für die Gynäko-Onkologen, sondern die mangelnde Umsetzung der Antiemese-Leitlinien ist ein Problem, das in allen Fachgruppen zu beobachten ist“, so Schilling weiter. Denn ein ähnliches Bild hatte auch eine 2015 publizierte retrospektive, repräsentative Datenerhebung und Analyse der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS) der Deutschen Krebsgesellschaft zur Einhaltung der ASCO- und MASCC/ESMO-Leitlinien zur antiemetischen Prophylaxe bei hoch emetogener Chemotherapie ergeben11. Vor allem für die Abdeckung der verzögerten Phase wurden die Vorgaben der Leitlinien bei den Tumorentitäten Mammakarzinom, Lungenkarzinom, Magen-/Ösophaguskarzinom und Kopf- Hals-Tumoren mehrheitlich nicht erfüllt, wobei die Mammakarzinompatientinnen am besten behandelt wurden. „Ein Problem ist sicherlich, dass die Behandler Übelkeit und Erbrechen meist nicht sehen, da sie zu Hause stattfindet und die Patienten nach drei Wochen die Symptome vergessen haben. Insofern halte ich einen FLIE-Bogen, der am Tag der Übelkeit oder des Erbrechen ausgefüllt wird, für ein geeignetes Instrument“, so Schilling und plädierte abschließend: „Im Vergleich zu den Kosten für moderne kurative Therapien sind die Kosten für die Antiemese marginal. Wir sollten verinnerlichen, dass eine supportive Therapie wie die Antiemese wirksame und kurative antitumorale Therapien in der notwendigen Länge überhaupt erst ermöglicht“.

Literaturverweise

  1. Hilarius DL et al. Support Care Cancer 2012;20:107-117
  2. Vidall C et al. Support Care Cancer 2015;23:3297-305
  3. Grunberg SM et al. Cancer 2004;100:2261-2268
  4. Rapoport BL et al. Support Care Cancer 2015;23:3281-3288
  5. Schwartzberg L et al. Lancet Oncol 2015;16:1071-1078
  6. Rapoport BL et al. Lancet Oncol 2015; 16:1079-1089
  7. Hesketh PJ et al. Cancer 2016;122:2418-25
  8. Rapoport BL et al. Eur J Cancer 2016;57:23-30
  9. Chasen M et al. Support Care Cancer 2017;25:85-92
  10. Jordan K et al. Eur J Pharmacol 2014;722:197-202
  11. Link H et al. Oncol Res Treat 2015;38 (Suppl 5): 192: V629

Autorinnen: Dr. Claudia Schöllmann, Grasbrunn, und Mascha Pömmerl, Feldkirchen-Westerham


Quelle: Pressekonferenz der Firma Tesaro zur Markteinführung von VARUBY® am 24.05.2017 in München (tB).

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