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Neurologische Behandlung von EHEC-Patienten muss frühzeitig beginnen
Berlin (1. Juni 2011) – Schwer erkrankte EHEC-Patienten leiden an gravierenden neurologischen Symptomen und Folgeschäden. Dies ist eine aktuelle Erkenntnis von Professor Christian Gerloff und Professor Joachim Röther von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Beide behandeln in Hamburg, im Zentrum der Epidemie, zahlreiche EHEC-Patienten mit dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS). Sie raten zu einem mutigen Vorgehen und einer frühzeitigen Beteiligung der Neurologie bei der Behandlung von EHEC-Patienten.
Noch ist kein Ende der EHEC-Epidemie abzusehen. Auch der weitere Verlauf bleibt unklar. Während die Zahl der Neuinfektionen leicht rückläufig ist, liegen derzeit weiterhin hunderte Patienten mit einer EHEC-Infektion im Krankenhaus. In Hamburg, dem am stärksten betroffenen Bundesland, sind bislang 669 Fälle gemeldet, 110 Menschen werden in Kliniken wegen lebensgefährlicher Komplikationen – dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) – behandelt. Die Neurologen in Hamburg berichten jetzt von ihren Erfahrungen mit diesen Patienten. „Etwa die Hälfte aller Patienten mit HUS zeigt ernste neurologische Verläufe“, so Prof. Dr. Joachim Röther, Chef der Neurologie in der Asklepios Klinik in Hamburg-Altona, wo derzeit 16 EHEC-Patienten neurologisch-intensivmedizinisch behandelt werden. Alarmierend bei diesen Patienten sei, dass sich ihr neurologischer Zustand trotz frühzeitiger Plasmapherese-Behandlung (Blutwäsche) nicht bessere oder sogar weiter verschlechtere. Diese Beobachtung bestätigt auch Prof. Dr. Christian Gerloff, Leiter der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätskrankenhauses in Hamburg-Eppendorf (UKE). „Wir beobachten bei den von uns betreuten Patienten, dass neurologische Störungen nicht zwingend am Ende einer eskalierenden Krankheitssequenz auftreten. Sie können sich bereits gleichzeitig mit gastroenterologischen und nephrologischen Symptomen entwickeln.“ Im UKE werden aktuell 82 Patienten mit HUS-Syndrom behandelt. Mehr als die Hälfte von ihnen zeigt schwere neurologische Verläufe, 24 Patienten liegen auf Intensivstationen. Ursache der neurologischen Störungen ist wahrscheinlich das Shiga-Toxin Das Shiga-Toxin wird von den EHEC-Erregern freigesetzt und führt einerseits zu einer toxischen Gefäßveränderung mit einer Schwellung des Gefäßendothels. Eine Weitung intrakranieller Gefäße und eine Störung der Autoregulation wird ebenfalls vermutet. Andererseits begünstigt das Toxin die Bildung von Fibrinthromben. Schließlich spielt auch die Aktivierung eines Teils der Immunantwort, der so genannten Komplementkaskade, eine wichtige pathophysiologische Rolle. Sie ist der theoretische Ansatzpunkt für den experimentellen Einsatz des monoklonalen Antikörpers Eculizumab. Neurologische Symptomatik bestimmt bei schwerem Krankheitsverlauf die Therapie Aufgrund der Schwere und der oft irreversiblen Verläufe müssen zusätzlich zur Plasmapherese auch drastische Therapiemaßnahmen wie die experimentelle Gabe von Eculizumab in Betracht gezogen werden. Dieser eigentlich zur Behandlung einer seltenen Blutbildungsstörung zugelassene Wirkstoff wurde kürzlich bei drei EHEC-erkrankten Kindern der Uniklinik Heidelberg erfolgsversprechend eingesetzt und konnte dort die EHEC-bedingten Nierenfunktionsstörungen positiv beeinflussen. Derzeit werden im UKE 28 Patienten und im Asklepios-Klinikum Hamburg Altona 5 Patienten mit dem Medikament behandelt. Noch ist es jedoch zu früh, um verlässliche Aussagen zum Verlauf der Erkrankung bei Erwachsenen unter Eculizumab zu treffen. Gerloff und Röther raten daher zu einer frühzeitigen Beteiligung der Neurologie bei der interdisziplinären Behandlung von EHEC-Patienten. Insbesondere sollten Entscheidungen über Art, Zeitpunkt und Dauer experimenteller Behandlungen auch von der Schwere und dem Verlauf neurologischer Defizite abhängig gemacht werden. Auch bei nicht intensivpflichtigen Patienten mit stabilisierter renaler Situation und steigenden Thrombozytenwerten kann die Zunahme neurologischer Defizite eine Intensivierung der Therapie bis hin zum experimentellen Einsatz von Eculizumab rechtfertigen. Darüber hinaus kann präventiv eine frühzeitige Anti-Krampf-Therapie erwogen werden (etwa mit Levetiracetam), sobald die Patienten neurologisch auffällig werden. Denn das Auftreten epileptischer Anfälle bis hin zum Status epilepticus ist eine typische Komplikation, die bis zu 66 Prozent der EHEC-Patienten mit HUS-Syndrom triff und häufig die Versetzung der Patienten in ein künstliches Koma nötig macht. Aktuelle Informationen für Neurologen HUS-Patienten mit neurologischer Symptomatik zeigen schwere Verläufe. Oft beginnt diese mit leichten, transienten Symptomen wie Verwirrtheit, erhöhter Erregbarkeit, einem deliranten Bild oder auch einer Vigilanzminderung. Andere neurologische Anfangssymptome sind Herdzeichen, auffällig häufig einhergehend mit Aphasie und Apraxie, aber auch mit Funktionsstörungen des Hirnstamms wie dem Wegfall des Schluckreflexes oder Hirnnervenausfällen (z. B. des Nervus abducens). Auch pyramidale Symptome mit positivem Babinski-Zeichen kommen vor. Myoklonien, z. T. stimulussensitiv, werden häufig beobachtet und scheinen auf eine Senkung der Krampfschwelle hinzuweisen. In vielen Fällen verschlechtert sich der Zustand der Patienten weiter. Zum einen treten schwere und nur durch Analgosedierung zu durchbrechende epileptische Anfälle auf, zum anderen verschlechtert sich auch spontan die Vigilanz bis hin zu Sopor und Koma mit Beatmungspflicht. Nachweisbare Veränderungen im MRT sind individuell unterschiedlich
Mit einem craniellen CT ist häufig kein pathologischer Befund festzustellen. Sensitiver ist das MRT, in dem sich, wie bei an EHEC/HUS erkrankten Kindern beschrieben, ein sehr inhomogenes Bild mit großen interindividuellen Unterschieden zeigt. Die MRT-Befunde reichen von beidseitigen Diffusionsstörungen im Thalamus, im Balken, Kleinhirn und Hirnstamm bis hin zu diffusen, posterior betonten Signalveränderungen (diffusionsgestört und hyperintens in FLAIR), die vor allem den Cortex zu betreffen scheinen. Die Pathophysiologie, die diesen Veränderungen zugrunde liegt, bleibt zunächst ungewiss. Auch inwieweit die sichtbaren Veränderungen reversibel sind und damit Rückschlüsse auf die Prognose zulassen, ist derzeit nicht absehbar. Interessant ist, dass trotz der regelhaft bestehenden Thrombozytopenie hämorrhagische Transformationen oder intrakranielle Blutungen nicht zu den typischen neuroradiologischen Befunden gehören. Es muss betont werden, dass es Patienten mit erheblichem fokalem Defizit gibt (z. B. Aphasie), ohne dass im MRT Läsionen nachweisbar sind. |
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), 01.06.2011 (tB).