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NOGGO – Neues vom amerikanischen Krebskongress (ASCO)

Gastrointestinale Tumoren

 

Berlin (12. Juni 2013) – Mehrere Sitzungen beim diesjährigen Krebskongress in Chicago widmeten sich der Behandlung von Patienten mit gastrointestinalen Malignomen, wobei eine Reihe von Präsentationen unmittelbare Auswirkungen auf den Behandlungsalltag hat.

 

 

Darmkrebs

 

Bei lokal fortgeschrittenen Dickdarmtumoren kann die durch alleinige operative Therapie erreichte Kurationsrate durch adjuvante, postoperative Chemotherapie mit einem Fluoropyrimidin + Oxaliplatin um absolut 15% verbessert werden. Eine praktische Limitierung dieser Therapie besteht in der Oxaliplatin-bedingten, kumulativen, nicht regelhaft nach Absetzen komplett reversiblen Nervenschädigung, die von Zyklus zu Zyklus kontinuierlich zunimmt, so dass die Oxaliplatingabe nur bei etwa 50% der Patienten für alle vorgesehenen zwölf Oxaliplatingaben durchgeführt werden kann. Eine englisch-australische prospektive Phase-III-Studie mit 353 Patienten konnte den erhofften präventiven Effekt einer verbreitet regelhaft durchgeführten Infusion mit Kalzium und Magnesium zusammen mit der Oxaliplatingabe auf die Entwicklung dieser Polyneuropathie leider nicht belegen [1].

 

Dass molekulare Veränderungen der Tumorzellen, insbesondere der sogenannte K-ras-Mutationsstatus, direkten Einfluss auf das Therapieansprechen und damit auf die Auswahl der einzusetzenden Therapeutika bei Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen hat, ist seit Jahren bekannt. Erstmals belegen die auf dem ASCO präsentierten Daten der deutschen AIO-Studiengruppe [2], dass bei Erstlinientherapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms bei K-ras-Wildtyp-Patienten die Primärtherapie mit Fluoropyrimidin und Irinotekan in Kombination mit dem EGF-Rezeptor-Antikörper Cetuximab der alternativen Antikörpertherapie mit der antiangiogenetischen Substanz Bevacizumab tendenziell hinsichtlich Remissionsrate, insbesondere aber signifikant hinsichtlich des Langzeitüberlebens überlegen ist.

 

Retrospektive Analysen der Tumorzellmutationen aus Studien mit dem zweiten verfügbaren EGFR-Antikörper Panitumumab ergaben, dass nicht nur die bisher untersuchten Mutationen im Exon 2 des K-ras-Gens bedeutsam sind, sondern dass darüber hinausgehende Untersuchungen in Exon 3 und 4 sowie Untersuchungen von N-ras und BRAF sinnvoll und klinisch hilfreich sind [3] . Aus diesen Daten resultiert, dass bei Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen, deren Tumoren eine dieser Mutationen tragen, kein Therapieeffekt von Panitumumab zu erhoffen ist, so dass diesen Patienten eine teure und möglicherweise belastende Therapiekomponente erspart werden kann. Andererseits wirkt der EGFR-Antikörper mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bei Patienten, deren Tumoren keine dieser Mutationen zeigen.

 

Mehrere prospektiv randomisierte Studien belegen zudem erstmals zweifelsfrei, dass bei Patienten mit metastasiertem kolorektalen Karzinom und initialem Ansprechen auf eine intensive Dreifach-Erstlinienchemotherapie unter Einschluss von Bevacizumab, eine Deeskalation auf eine Einfach- oder Zweifacherhaltungstherapie („Maintenance“) ohne negative Beeinflussung des Gesamtüberlebens durchführbar ist. Hier sind in Zukunft weitere Studienergebnisse zur  optimalen Form einer derartigen Erhaltungstherapie in Abhängigkeit von der verwendeten Erstlinientherapie und dem Therapieansprechen zu erwarten.

 

 

Bauchspeicheldrüsenkrebs

 

Auch auf dem Gebiet der Behandlung von Patienten mit Pankreaskarzinomen ergeben sich versorgungsrelevante Aspekte aufgrund der präsentierten Studien.

 

Dies betrifft einerseits Patienten mit lokal fortgeschrittenem Pankreaskarzinom, für die durch eine bei über 250 Patienten durchgeführte Studie nun definitiv belegt wurde, dass entgegen der landläufigen Meinung und pathophysiologischen Vermutung kein Vorteil durch eine lokoregionäre Strahlentherapie zusätzlich zur Chemotherapie erreicht wird, so dass außerhalb von Studien gegenwärtig kein Stellenwert für eine Strahlentherapie bei lokal fortgeschrittenen, nicht metastasierten Pankreaskarzinomen mehr besteht.

 

Leider wurden auch auf dem diesjährigen Kongress eine Reihe randomisierter Studien gezeigt, bei denen das Studienziel einer Verbesserung des Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom nicht realisiert werden konnte. Umso erfreulicher war es, dass in einer großen Phase-III-Studie an über 800 Patienten  mit metastasiertem Pankreaskarzinom ein neues wirksames und ambulant durchführbares Behandlungskonzept nachgewiesen werden konnte: Die zusätzliche Gabe von nano-Albumin gekoppeltem Paclitaxel (nab-Paclitaxel) verbessert die Wirksamkeit der Gemcitabin-(Standard-)Therapie, sowohl hinsichtlich der Remissionsraten, des progressionsfreien Überlebens, als auch des Gesamtüberlebens klinisch relevant [5]. Dabei scheint diese Kombination (Gemcitabin + nab-Paclitaxel) – auch aufgrund eigener Erfahrungen – eine geringere Toxizität aufzuweisen, als die bisher alternativ zur Verfügung stehende intensive Chemotherapie mit FOLFIRINOX, für die vor zwei Jahren ähnliche, zahlmäßig etwas bessere Überlebensdaten gezeigt wurden. Die vergleichende Wertung dieser beiden intensiveren Therapieverfahren bleibt der Zukunft vorbehalten.

 

Diese beispielhaften Studien stellen einen deutlichen Fortschritt im Bestreben dar, durch „Individualisierung“ oder „Personalisierung“ eine verbesserte Nutzen (Lebenszeit)-Risiko (Therapietoxizität)-Relation und damit eine verbesserte Lebensqualität ohne verminderte Therapiewirksamkeit der betroffenen Patienten zu erreichen.

 

 

Literatur 

  1. Loprinzi CL et al. Phase III randomized, placebo (PL)-controlled, double-blind study of intravenous calcium/magnesium (CaMg) to prevent oxaliplatin-induced sensory neurotoxicity (sNT), N08CB: An alliance for clinical trials in oncology study. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 3501)
  2. Heinemann V et al. Randomized comparison of FOLFIRI plus cetuximab versus FOLFIRI plus bevacizumab as first-line treatment of KRAS wild-type metastatic colorectal cancer: German AIO study KRK-0306 (FIRE-3). J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr LBA3506)
  3. Schwartzberg LS et al. Analysis of KRAS/NRAS mutations in PEAK: A randomized phase II study of FOLFOX6 plus panitumumab (pmab) or bevacizumab (bev) as first-line treatment (tx) for wild-type (WT) KRAS (exon 2) metastatic colorectal cancer (mCRC). J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 3631)
  4. Hammel P et al. Comparison of chemoradiotherapy (CRT) and chemotherapy (CT) in patients with a locally advanced pancreatic cancer (LAPC) controlled after 4 months of gemcitabine with or without erlotinib: Final results of the international phase III LAP 07 study. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr LBA4003)
  5. Von Hoff DD et al. Results of a randomized phase III trial (MPACT) of weekly nab-paclitaxel plus gemcitabine versus gemcitabine alone for patients with metastatic adenocarcinoma of the pancreas with PET and CA19-9 correlates. J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 4005)

 

Autor

 

Prof. Dr. med. Hanno Riess

Charité Universitätsmedizin Berlin, CVK, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie

 


 

Quelle: NOGGO – Nord-Ostdeutsche Gesellschaft für Gynäkologische Onkologie e.V., 12.06.2013 (hB).

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