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Aktuelle Aspekte: Altershypogonadismus und das metabolische Syndrom des Mannes
Von PD Dr. med. Michael Zitzmann
Berlin (20. November 2008) – Die Zahl der älteren Männer mit Beschwerden wie Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2 und entsprechenden Gefäßleiden, oft führend an der erektilen Dysfunktion erkannt, steigt drastisch. Diese Erkrankungen sind deutlich mit einem Testosterondefizit gekoppelt, das seiner Natur nach ein gemischter Hypogonadismus ist, der so genannte Altershypogonadismus. Dies kann bei entsprechend vorhandener Prädisposition, wie einem hohen Anteil an Bauchfett, jedoch durchaus auch jüngere Männer treffen.
Das ganze verwundert nicht, denn Lebensgewohnheiten und Verfügbarkeit von hoch-kalorischer Nahrung haben sich in den so genannten „entwickelten“ Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten deutlich geändert: Die Zahl übergewichtiger Menschen steigt dramatisch an. Daraus resultiert oft die o.g. komplexe Störung, die das viszerale Fett als hochaktives endokrines Organ als zentralen Bestandteil aufweist: das metabolische Syndrom.
Bei Männern besteht zudem ein pathophysiologischer Zusammenhang zwischen viszeralem Fett und Testosteronmangel, wie in epidemiologischen und interventionellen Studien gezeigt wurde. Einerseits führen inflammatorische Zytokine, die von den endokrin aktiven Zellen des Bauchfettgewebes sezerniert werden, zu einem Testosteronmangel; andererseits fördert ein Mangel an Testosteron die weitere Akkumulation von viszeralem Fett, so dass viele Männer in einen circulus vitiosus geraten. Entsprechend kann eine Testosteronsubstitution bei Männern mit metabolischem Syndrom und Hypogonadismus die entsprechenden Pathomechanismen invalidieren und durch Abbau der viszeralen Fettmasse sowie Steigerung der Muskelmasse und Glukoseutilisation einen Weg aus diesem Problem weisen. Da es sich bei dem metabolischen Syndrom um eine zivilisationsbedingte Erscheinung handelt, sind gleichzeitige Umstellungs-Maßnahmen zur vernünftigen Ernährung und körperlichen Betätigung eine weitere Bedingung zur Förderung der Gesundheit des Mannes.
Einleitung
Die Lebensumstände in den Industrienationen haben sich erheblich geändert: Das Ausmaß an körperlicher Aktivität hat abgenommen, gleichzeitig besteht ein Überangebot an hochkalorischer, fetthaltiger Nahrung. Dies resultiert in einer steigenden Prävalenz von Übergewicht. Die Akkumulation von viszeralem Fett als einem endokrin hochaktiven Organ stellt hier ein besonderes Problem dar, das sich als komplexe pathologische Entität mit Störungen des Blutdrucks, des Fettstoffwechsels und der Glukosetoleranz manifestiert und als metabolisches Syndrom bezeichnet wird. Das viszerale Fett schüttet unter anderem inflammatorische Zytokine, pro-kuagulative Substanzen sowie das Angiotensin-Aldosteron-System aktivierende Stoffe aus. Damit haben Menschen mit dem Metabolischen Syndrom ein dreifach erhöhtes Risiko für klinisch manifeste kardio-vaskuläre Ereignisse oder Schlaganfälle. Das Risiko zur Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2 ist fünffach erhöht [1-3].
Die International Diabetes Federation hat die Kriterien zur Diagnose des metabolischen Syndroms angepasst und den Bauchumfang als Maß des viszeralen Fettgewebes als zentralen Faktor identifiziert. Dabei ist als Grenzwert für europäische Männer ein Bauchumfang von 94 cm angegeben worden (Tabelle 1).
Metabolisches Syndrom, Alterungsprozess und Testosterondefizit des Mannes
Bei Männern ist die zentrale Adipositas als Schlüsselkomponente des metabolischen Syndroms häufig mit einem Testosteronmangel assoziiert. Entsprechend zeigen longitudinale epidemiologische Studien, dass ein Testosterondefizit einen unabhängigen Prädiktor für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms bei Männern darstellt; auch umgekehrt stellt ein metabolisches Syndrom ein Risiko für die Entwicklung eines Testosterondefizits dar. Dies trifft offenbar nicht nur auf Männer mit einem erhöhten Body-Mass-Index, sondern auch auf normalgewichtige Personen mit einem erhöhten Bauchumfang zu [4-6].
Betroffen sind besonders ältere, jedoch auch zunehmend jüngere Männer. Da die Inzidenz des Hypogonadismus mit dem Alter zunimmt, taucht der Begriff „Andropause“ gelegentlich in Publikationen auf: Er spielt auf die Menopause an und suggeriert, dass die Sezernierung gonadaler Steroide beim Mann ähnlich wie bei der Frau rasch und unwiderruflich sistiert. Bei älteren Männern wird häufig die Hormonkonstellation, erniedrigte Spiegel von Testosteron in Zusammenhang mit niedrig normalen, d.h. inadäquaten, Spiegeln von Luteinisierungshormon (LH), angetroffen. Diese besondere klinische Entität zeichnet sich durch beeinträchtigte Leydig-Zellfunktion und eine Störung des hypothalamisch-hypophysären Pulsgenerators mit einer Degeneration der Ordnung und Amplitude von LH-Pulsen bei gleichzeitiger Zunahme der Frequenz aus. Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass dieses Phänomen mit dem Alterungsprozess aber auch dem Gesundheitszustand des Mannes, ganz besonders mit Faktoren des metabolischen Syndroms [7] verknüpft ist: Die Bezeichnung „Altershypogonadismus“ ist daher meist zutreffend; jedoch sind auch jüngere Männer mit dem o.g. Risikoprofil der viszeralen Adipositas betroffen, so dass allgemein besser von einem Testosterondefizit-Syndrom gesprochen werden kann, das in diesem Fall weder rein primär oder sekundär, sondern gemischter Natur ist. Einen Imperativ zur Substitutionstherapie stellen aber weder die Bezeichnung noch die Hormonkonstellation dar; sie sind vielmehr eine notwendige Bedingung, die durch die entsprechende Symptomatik und den Ausschluss von Kontraindikationen komplettiert werden muss.
Neue Erkenntnisse in der Pathophysiologie des Testosteronmangels sowie der Pharmakogenetik [8,9] legen nahe, dass eine labortechnisch definierte Grenze für das Testosterondefizit nicht existiert: Vielmehr lässt sich ein Testosterondefizit als absoluter oder relativer Mangel an Androgenwirkung definieren, der zu einer Symptomatik führt, die dafür als typisch beschrieben ist, und zwar unabhängig vom Alter [10]. Eine rasche Abnahme der Androgenproduktion bei gesunden Männern kann generell allerdings nicht beobachtet werden; die Verarmung an Sexualhormonen ist vielmehr ein langsamer, interindividuell sehr unterschiedlich ablaufender Prozess, der durch vielfältige somatische, psychische und äußerliche Einflüsse moduliert wird: Dazu gehört eben in immer stärkerem Maße auch das Metabolische Syndrom. Eine Umkehrung dieses patho-genetischen Kreislaufs durch eine externe Testosteronsubstitution wird daher physiologisch sinnvoll.
Pathophysiologische Grundlagen
Entsprechende Korrelate zeigen sich in vitro darin, dass mesenchymale pluripotente Stammzellen, die die Möglichkeit zur Weiterentwicklung entweder in Adipozyten oder Myozyten besitzen, im Zustand des Androgenmangels den Weg in die adipogene Linie einschlagen, wohingegen eine Testosterongabe dosisabhängig die Differenzierung in Muskelzellen fördert [11]. Entsprechend finden sich unter Testosterongabe bei hypo-gonadalen Männern Befunde der Abnahme von viszeralem Fett und der Zunahme von Muskelmasse, wie dies durch Untersuchungen in der weltweit größten placebo-kontrollierten Studie mittels Testosteron-Gel belegt werden konnte [12].
Klinische Studien
Es ist daher nicht überraschend, dass sich unter der Gabe von Testosteron auch die Insulinsensitivität bessert; denn diese ist sowohl maßgeblich von der mitochondrialen Funktion innerhalb der Muskelzellen als auch von Androgen-Rezeptor-vermittelten Prozessen in Fettzellen abhängig. Bei Männern mit einem Diabetes mellitus Typ 2 konnte daher in einer placebo-kontrollierten Studie mit intramuskulär injiziertem Testosteron eine signifikante Besserung der Insulinresistenz und der glykämischen Kontrolle sowie eine Abnahme des viszeralen Fettanteils und eine Minderung der Dyslipidämie dargestellt werden [13]. Dies wird durch Langzeitbeobachtungen von hypogonadalen Männern, die über mehrere Jahre Testosteronundekanoat als intramuskuläres, lang wirksames Depot erhielten, unterstützt: Fettstoffwechsel und Blutdruckprofile zeigten signifikante Änderungen in Richtung einer Normalisierung des Metabolismus [14].
Der Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Testosterondefizit ist ein wechselseitiger, der über mindestens zwei ineinander greifende, sich selbst verstärkende pathophysiologische Mechanismen entsteht. Dementsprechend zeigen Studien, bei denen Männer mit metabolischem Syndrom gleichzeitig Sport und Diät zur Reduktion des viszeralen Fettanteils in Kombination mit einer Testosterongabe durchführen, die deutlichsten positiven Aspekte. Dabei verstärken sich die beiden therapeutischen Ansätze [15].
Ausblick
Diese Beobachtungen sind interessant und vielversprechend, beziehen sich aber immer noch auf Sub-Komponenten des metabolischen Syndroms in kleineren Kohorten. Länger-fristige, multizentrische Studien zur Testosterongabe bei hypogonadalen Männern mit Endpunkten wie Änderung der Körperzusammensetzung, des Glucosestoffwechsels und, letztendlich, der kardiovaskulär bedingten Mortalität, sind daher erforderlich und werden auch zurzeit durchgeführt.
Tabelle 1
Neu-Definition des metabolischen Syndroms durch die International Diabetes Federation
Bauchumfang > 94 cm für Männer plus zwei der weiteren vier Faktoren: |
1. Nüchtern-Triglyceride > 150 mg/dL, oder Behandlung dieser Störung, |
|
2. HDL Cholesterin < 40 mg/dL für Männer und < 50 mg/dL für Frauen, oder Behandlung dieser Störung, |
|
3. Systolischer Blutdruck > 130 oder diastolischer Blutdruck > 85 mm Hg, oder Behandlung dieser Störung, |
|
4. Nüchternglucose > 100 mg/dL, oder behandelter DM Typ 2. |
Quelle: http://www.idf.org/webdata/docs/MetSyndrome_FINAL.pdf |
Literatur
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Anderson PJ, Critchley JA, Chan JC, Cockram CS, Lee ZS, Thomas GN, Tomlinson B. Factor analysis of the metabolic syndrome: obesity vs. insulin resistance as the central abnormality. Int J Obesity 2001; 25: 1782–8.
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Folien Referat PD Dr. med. Michael Zitzmann.pdf (1.44 MB)