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Besonderheiten und Therapiemanagement bei HCV Genotyp 1-Patienten

 

Von PD Dr. med. Thomas Berg,
Charité Campus Virchow-Klinikum, Berlin

 

Frankfurt am Main (27. Januar 2006) – Zwischen 1997 und 2003 hat die Zahl der in Deutschland gemeldeten Hepatitis B-Infektionen tendenziell abgenommen, während die Hepatitis C-Infektionen eher zugenommen haben. (1) Im Gegensatz zur Hepatitis B- kann der Hepatitis C-Infektion bisher nicht durch eine Impfung vorgebeugt werden.

Bleibt eine akute Hepatitis C-Infektion unerkannt oder unbehandelt und es kommt zu keiner spontanen Ausheilung, nimmt sie nach etwa 6 Monaten einen chronischen Verlauf (CH). In Abhängigkeit davon wie schnell die Erkrankung fortschreitet, kann es ohne geeignete Therapie bereits im Verlauf von Jahren bzw. Jahrzehnten zu schwerwiegenden Leberschäden in Form einer Leberzirrhose und in der Folge sogar zur Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) kommen.

 

Die HCV-Infektion kann jedoch nicht nur die Leber der Betroffenen schädigen, sondern zusätzlich eine Vielzahl weiterer Erkrankungen hervorrufen. Dazu zählen neben Erkrankungen der Haut und der Zähne auch negative Auswirkungen im Bereich der Rheumatologie, Hämatologie, Nephrologie und Neurologie.

Aufgrund des in den meisten Fällen langsamen Verlaufs der Infektion, wird die HCV-assoziierte Mortalitätsrate in den nächsten Jahren deutlich zunehmen und in 2014 mit knapp 30.000 Todesfällen ihren vorläufigen Höhepunkt erreichen. Die kumulativen Kosten durch HCV-assoziierte Komplikationen belaufen sich bis 2030 schätzungsweise auf 2,7 Milliarden Euro.(2,3)

 

Die Inzidenzrate des hepatozellulären Karzinoms hat in den letzten 30 Jahren ebenfalls kontinuierlich zugenommen: Im Vergleich mit Anfang der 1980er Jahre waren bereits Ende der 1990er Jahre doppelt so viele Hepatitis C-Patienten an Leberkrebs erkrankt.(4) Die Anzahl der Lebertransplantationen, die aufgrund einer HCV-induzierten Leberzirrhose in den USA durchgeführt werden mußten, ist zwischen 1991 und 2000 ebenfalls stetig angestiegen.(5)

 

 

Therapie

 

Da die HCV-Infektion unter Umständen zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen führen kann und in vielen Fällen ernsthafte Leberschäden verursacht, ist ihre Prävention das oberste Ziel. Bei Vorliegen einer akuten HCV-Infektion kann eine frühzeitige Therapie zur Eliminierung des Virus führen. Hat die Infektion bereits einen chronischen Verlauf genommen, gilt es durch eine antivirale Therapie schwerwiegende Folgeschäden der Leber zu verhindern. Im schlimmsten Fall droht dem Patienten eine Lebertransplantation.

 

Bei der antiviralen Behandlung des Hepatitis C-Virus hat sich mittlerweile die Kombinationstherapie aus pegyliertem Interferon und Ribavirin als Standard etabliert. Dabei gibt es unterschiedliche Formen der Interferon-Response: Fällt die Viruslast (HCV-RNA) durch die Therapie unterhalb die Nachweisgrenze ab, gilt der Patient als HCV-RNA negativ. Hält dieser Zustand 6 Monate nach Therapieende weiterhin an, spricht man von einem anhaltenden virologischen Ansprechen (Sustained Virological Response, SVR). Kommt es im Zuge der Interferon-Response zur länger andauernden HCV-RNA Negativität, die jedoch 6 Monate nach Abschluß der Therapie nicht mehr anhält, liegt ein Relapse vor. Sofern die Therapie nur über einen sehr kurzen Zeitraum zu einer HCV-RNA Negativität führt, handelt es sich um einen Breakthrough. Patienten, bei denen die Viruslast zu keinem Zeitpunkt der Therapie unter der Nachweisgrenze liegt, gelten als Non-Responder.

 

Langzeitverlaufsstudien belegen, daß bei über 99 Prozent aller Patienten mit so genannter Sustained Virological Response (SVR) auch Jahre nach Ende der Therapie kein HCV mehr im Blut nachweisbar war.(6) Diese Patienten können daher als von der chronischen Hepatitis C geheilt betrachtet werden. Die antivirale Kombinationstherapie hat somit auch eine entscheidende Bedeutung für das zukünftige Ausmaß der hepatischen Dekompensationen. Denn würden die HCV-Patienten keiner Behandlung unterzogen, läge die Zahl der Patienten mit Leberdekompensation in 2035 bei etwa 150.000. Beim Einsatz der Kombinationstherapie läßt sich diese Zahl mit nur noch 55.000 Fällen um knapp zwei Drittel reduzieren.(7)

Damit hat die Therapie der chronischen Hepatitis C in den letzten 15 Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Konnten 1990 mit der 24- bzw. 48-wöchigen Interferon-Monotherapie nur 8 bis 12 Prozent der Patienten geheilt werden, so liegen die anhaltenden Remissionsraten unter der Kombinationstherapie mit Peginterferon plus Ribavirin heute durchschnittlich bei 62 bis 64 Prozent (bei 80 Prozent der empfohlenen Therapiedauer und Dosis). Die Entwicklung neuer Medikamente wie Protease- und Polymeraseinhibitoren läßt eine weitere Verbesserung der Heilungsraten erhoffen.

 

 

Prognostische Parameter und Therapiedauer

 

Generell können einige Faktoren die Eliminierung des Hepatitis C-Virus positiv oder negativ beeinflussen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Genotyp der HCV-Infektion. Die HCV Genotypen 2 und 3 gelten im Vergleich mit den HCV Genoytpen 1 und 4 als einfacher therapierbar. Der HCV Genotyp 1 hat in Deutschland die höchste Prävalenz. Zahlreiche Untersuchungen konnten zeigen, daß die Therapiedauer und auch die Ribavirindosis einen Effekt auf die anhaltende virologische Ansprechrate haben. Die Höhe der Viruslast hat ebenfalls eine wichtige Bedeutung: HCV Genotyp 1-Patienten mit hoher Virämie sprachen signifikant schlechter auf die antivirale Therapie an als Patienten mit niedriger Virämie (65 Prozent vs. 47 Prozent bei 1.000-1.200 mg Ribavirin über 48 Wochen).(8)

 

Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) hat 2004 folgende Therapieempfehlung für HCV-Patienten ausgesprochen: HCV Genotyp 2- und 3-Patienten sollten über 24 Wochen mit Peginterferon plus 800 mg Ribavirin behandelt werden. HCV Genotyp 1-Patienten (sowie Genotyp 4, 5 und 6) hingegen sollten bei frühem virologischem Ansprechen (Early Virological Response, EVR) mit einem Abfall der Viruslast bis Woche 12 um mindestens 2 Log-Stufen, über 48 Wochen mit Peg-interferon plus 1.000-1.200 mg Ribavirin therapiert werden.(9)

 

Die Zulassungserweiterung für Peginterferon alfa-2b empfiehlt unter bestimmten Voraussetzungen nun sogar eine nur 24-wöchige Therapie bei HCV Genotyp 1-Patienten. In Frage kommen Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (< 600.000 IE/ml), die in Woche 4 und bis Woche 24 der Therapie HCV-RNA negativ sind. Die Zulassungsstudie konnte zeigen, daß unter diesen günstigen Umständen eine Verlängerung der Therapie auf 48 Wochen nicht mit höheren anhaltenden Ansprechraten verbunden ist.(10)

 

Der wichtigste prognostische Parameter für das Therapieansprechen ist generell der Leberzustand des HCV-Patienten. Der Entzündungs-, Fibrose- und Zirrhosegrad haben deutliche Auswirkungen auf die Ansprechraten. Aus diesem Grund ist eine frühzeitige Therapie der HCV-Infektion von großer Bedeutung. Fortgeschrittenes Alter, Alkoholmißbrauch und Übergewicht sind weitere entscheidende ungünstige prognostische Parameter für ein anhaltendes Ansprechen auf die Therapie.(11)

 

Bei der Behandlung des HCV Genotyp 1 steigen die Heilungschancen unter günstigen prognostischen Faktoren ebenfalls signifikant an. Als besonders wichtig gelten hier die GGT-Werte (Gamma-Glutamyl-Transferase), das Alter des Patienten, die Viruslast zu Beginn der Therapie sowie der Fibrosegrad und der Body Mass Index (BMI). Die genannten prognostischen Faktoren sollten zur Bestimmung der individuellen HCV-Therapie herangezogen werden, die bei gutem Nebenwirkungsmanagement zu hohen anhaltenden Ansprechraten und damit zur Heilung der Hepatitis C-Infektion führen kann.

 

 

Literatur  

  1. Jahrbuch des Robert Koch Instituts, 2004.
  2. Wong JB et al., Estimating future hepatitis c morbidity, mortality, and costs in the United States, Am J Public Health 2000; 90:1562.
  3. Buti M et al., Estimating the impact of hepatitis C virus therapy an future liver-related morbidity, mortality, and costs related to chronic hepatitis C, J Hepatoi 2005; 42:639.
  4. EI-Serag HB et al., The continuing increase in the incidence of hepatocellular carcinoma in the United States: an update, Ann Intern Med 2003; 139:817.
  5. Kim, Hepatology 2002.
  6. Swain M et al., Hepatology 2005; 42:646A.
  7. Davis GL et al., Projecting future complications of chronic hepatitis C in the United States, Liver Transpl 2003; 9:331.
  8. Hadziyannis et al., Peginterferon alfa-2a and ribavirin combination therapy in chronic hepatitis C : a randomized study of treatment duration and ribavirin dose, Ann Intern Med 2004.
  9. Zeuzem S, Z Gastroenterol 2004; 42:714.
  10. Zeuzem S et al., Efficacy of 24 weeks treatment with peginterferon laf-2b plus ribavirin in patients with chronic hepatitis c infected with genotype 1 and low pretreatment viremia. Journal of Hepatology 2006; 44:97-103.
  11. Weich V et al., 2004.

 


 

Quelle: Pressekonferenz der Firma essex pharma zum Thema « Neue Therapieoptionen bei HCV Genotyp 1“ am 27.01.2006 in Frankfurt am Main (Plus-Pool) (tB).

 

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