Pflegebranche tut sich schwer mit Suche nach Fachkräften im Ausland

 

Gütersloh (1. Juni 2015) – Die deutschen Unternehmen fremdeln noch immer mit der gezielten Ansprache ausländischer Fachkräfte. Zu stark wirkt die Logik des Anwerbestopps nach: Seit den 70er Jahren hat die Politik qualifizierte Zuwanderung allenfalls erlaubt, aber selten aktiv ermöglicht. Genau das jedoch wäre heute notwendig, wie das Beispiel der Pflegebranche verdeutlicht.


Selbst wenn es Unternehmen an Fachkräften mangelt, tun sie sich schwer, gezielt Arbeitnehmer aus dem Ausland für sich zu gewinnen. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung am Beispiel der Pflegebranche. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig in Deutschland hat derart große Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden. 61 Prozent der Pflegeeinrichtungen haben Vakanzen, durchschnittlich sind dort 4,3 Stellen unbesetzt. Trotzdem, so das Ergebnis einer Unternehmensbefragung, hat bislang nur ein Sechstel der Pflegebetriebe versucht, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren.

Für die repräsentative Studie befragte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) knapp 600 Arbeitgeber. Drei von vier Pflegeeinrichtungen, die vakante Stellen haben, bezeichnen demnach die Suche nach geeigneten Fachkräften als schwierig. Trotzdem nimmt die Rekrutierung aus dem Ausland den letzten Platz ein unter den Strategien, mit denen die Pflegebranche diesem Arbeitskräftemangel begegnet. Gerade einmal 16 Prozent der Einrichtungen wählen diesen Weg. Lieber werben die Unternehmen Personal von der Konkurrenz ab (20 Prozent) oder versuchen, den Krankenstand abzusenken (83 Prozent).


Zu aufwendig, zu teuer, zu hohe rechtliche Hürden

"An der Pflegebranche wird deutlich, wie weit Deutschland von einer gezielten und am Arbeitsmarkt orientierten Einwanderungspolitik entfernt ist", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Denn trotz aller Personalknappheit ist für 59 Prozent der Pflegebetriebe ohne Erfahrung mit Rekrutierung aus dem Ausland dies auch künftig keine Option: Zu aufwendig, zu teuer, zu hohe rechtliche Hürden, lauten die Begründungen. 83 Prozent der befragten Unternehmen mit Rekrutierungserfahrung stießen bei ihrer internationalen Fachkräftegewinnung auf bürokratische Hemmnisse, 67 Prozent auf Probleme bei der Anerkennung von Qualifikationen. 60 Prozent hatten Schwierigkeiten mit der Einwanderungserlaubnis für Drittstaatler.

Deshalb wünschen sich die Unternehmen einen Abbau rechtlicher Hürden (67 Prozent), bessere Angebote an Sprach- und Integrationskursen (87 Prozent) und mehr Informationsmöglichkeiten über Bewerber (73 Prozent). Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen benötigen Unterstützung. Die Studie zeigt: Je größer das Unternehmen und je professioneller seine Personalabteilung, desto mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland gewinnt es. Kaum aktiv sind vor allem die ambulanten Pflegedienste, von denen nur jeder zehnte in den vergangenen drei Jahren Rekrutierungsversuche im Ausland unternommen hat. Dagegen war jede fünfte stationäre Krankenpflegeeinrichtung und Altenpflegeeinrichtung aktiv, um international zu rekrutieren.

Das Land, in dem die deutschen Pflegebetriebe in den vergangenen drei Jahren am häufigsten Arbeitskräfte gesucht haben, ist Spanien. Dort waren 61 Prozent aller Unternehmen mit internationaler Rekrutierungserfahrung aktiv. Dahinter folgen Polen (19 Prozent), Kroatien (16 Prozent), Rumänien (14 Prozent), Italien (13 Prozent) und Griechenland (12 Prozent). Bei den wenigen Unternehmen, die auch Rekrutierungsversuche außerhalb der Europäischen Union unternommen haben, verteilen sich die Aktivitäten vor allem auf osteuropäische Länder (Bosnien Herzegowina, Ukraine, Russland, Moldawien) und asiatische Länder (China, Philippinen, Vietnam).


Hohe Zufriedenheit mit aus dem Ausland rekrutierten Fachkräften

Pflegeeinrichtungen, die Mitarbeiter aus dem Ausland eingestellt haben, ziehen mehrheitlich ein positives Fazit. 60 Prozent der Unternehmen sind mit diesen Pflegefachkräften zufrieden oder sehr zufrieden. Positiv bewerten die Unternehmen bei den aus dem Ausland eingestellten Mitarbeitern vor allem die Einsatzbereitschaft. 48 Prozent der Betriebe schätzen diese höher ein als bei ihren deutschen Mitarbeitern. Deutlich schlechter beurteilen die Personalverantwortlichen die Praxiserfahrung der Migranten. 53 Prozent der Unternehmen sagen, sie sei niedriger als die ihrer übrigen Mitarbeiter.

"Angesichts der demographischen Entwicklung mit höherem Pflegebedarf und geringerem Angebot an Arbeitskräften ist die gezielte Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland unverzichtbar", sagte Dräger. Mehr qualifizierte Einwanderung entbinde die Pflegebranche allerdings nicht davon, Bezahlung, Arbeitsbelastung und Image zu verbessern. Hilfreich für eine erfolgreiche Anwerbung aus dem Ausland seien bessere Informationen für Unternehmen, ein bundesweit einheitliches Verfahren bei der Berufsanerkennung von Pflegefachkräften sowie einfachere und transparentere Zuwanderungsregeln. Um interessierten Arbeitgebern mehr Sicherheit zu geben, bedürfe es effizienter Stellenbörsen und der Zertifizierung von Personaldienstleistern.


Zusatzinformationen

Die Studie von Prof. Dr. Holger Bonin und Angelika Ganserer vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Dr. Grit Braeseke vom Institut für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft (IEGUS) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung untersucht die Praxis der internationalen Fachkräfterekrutierung in der deutschen Pflegebranche und basiert auf einer Umfrage unter knapp 600 Personalverantwortlichen. Die Resultate der Befragung durch TNS Emnid wurden mit Hilfe des Mannheimer Unternehmenspanels auf die Grundgesamtheit der Unternehmen in der deutschen Pflegebranche hochgerechnet, so dass sich repräsentative Aussagen ergeben. Zudem wurden die Befunde der Befragung in Interviews mit ausgewählten Experten und Praktikern aus der Branche vertieft und reflektiert.

 

Weitere Informationen

 

 

 


Quelle: Bertelsmann Stiftung, 01.06.2015 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…