MEDIZIN
AWARDS
Forschergeist gefragt: 14. Novartis Oppenheim-Förderpreis für MS-Forschung ausgelobt
FernstudiumCheck Award: Deutschlands beliebteste Fernhochschule bleibt die SRH Fernhochschule
Vergabe der Wissenschaftspreise der Deutschen Hochdruckliga und der Deutschen Hypertoniestiftung
Den Patientenwillen auf der Intensivstation im Blick: Dr. Anna-Henrikje Seidlein…
Wissenschaft mit Auszeichnung: Herausragende Nachwuchsforscher auf der Jahrestagung der Deutschen…
VERANSTALTUNGEN
Wichtigster Kongress für Lungen- und Beatmungsmedizin ist erfolgreich gestartet
Virtuelle DGHO-Frühjahrstagungsreihe am 22.03. / 29.03. / 26.04.2023: Herausforderungen in…
Pneumologie-Kongress vom 29. März bis 1. April im Congress Center…
Die Hot Topics der Hirnforschung auf dem DGKN-Kongress für Klinische…
Deutscher Schmerz- und Palliativtag 2023 startet am 14.3.
DOC-CHECK LOGIN
Mehr als „nur“ Nierenwerte: Nierenparameter haben eine hohe prognostische Aussagekraft für den allgemeinen Gesundheitszustand
Prof. Dr. Jan Galle, Pressesprecher der DGfN
München (25. Juni 2010) – Schaut man sich die Prävalenz der einzelnen Stadien der chronischen Nierenerkrankung genauer an, zeigt sich, dass fast11 % der Bevölkerung von einer Nierenerkrankung betroffen ist, der Anteil der Patienten im CKD-Stadium4 sowie im CKD-Stadium 5, die eine Nierenersatztherapie (Dialyse/Transplantation) bedürfen, hingegen mit 0,2 % / 0,1 % im Vergleich dazu relativ gering ist (Abb. 1).
Abb. 1
Leider weist dieser „Sprung“ zwischen der Prävalenz CKD 2/3 und der Prävalenz der Spätstadien auf eine traurige Wahrheit: Die Patienten versterben, bevor sie überhaupt das Stadium der Dialysepflichtigkeit erreichen. Dialysepatienten sind so gesehen die „Survivor“, sie sind eine positiv-selektierte Gruppe, die trotz abnehmender Nierenfunktion überlebt hat. Der Unterschied zwischen der 4,3 %-Prävalenz der CKD 3-Gruppe und der 0,2 % Prävalenz der CKD 4-Gruppe ist dramatisch. Rein rechnerisch überlebt also nur jeder 20. Patient die Schwelle zur terminalen Nierenerkrankung.
Da die Patienten auf dem Weg in die Dialysepflichtigkeit nicht an der Nierenkrankheit sterben, sondern an anderen – hauptsächlich kardiovaskulären Erkrankungen – ist zu überlegen, inwieweit die Nierenparameter nicht auch einen prognostischen Wert haben. Nun zeigte eine im renommierten Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichte, systematische Analyse (1), die mehr als 1,2 Millionen Patienten einbezog, dass mit einfachen Nierenfunktionstests die Gesamt- wie auch die kardiovaskuläre Mortalität gut abgeschätzt werden kann.
Die Forscher des „Chronic Kidney Disease Prognosis“-Konsortiums, das im vergangenen Jahr von der KDIGO („Kidney Disease: Improving Global Outcomes“) ins Leben gerufen wurde, zeigten, dass mit zwei einfachen renalen Funktionstests (zum einen mit der Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GRF) und zum anderen mit der Erhebung der Albuminurie) Angaben zur kardiovaskulären wie auch zur Gesamtmortalität gemacht werden können. Kombiniert man die beiden Tests, ist die prognostische Aussagekraft besonders hoch.
Diese neuen Ergebnisse sind u.a. Resultat gemeinsamen Initiative, eine neue Definition und Stadieneinteilung der chronischen Nierenerkrankung (CKD) zu erarbeiten. Die derzeitigen Leitlinien der „Kidney Disease Outcomes Quality Initiative“ (KDOQI) der National Kidney Foundation stützen sich allein auf die Filtrationsleistung (GFR) bei der Stadieneinteilung. Die zugrunde liegende Hypothese der neuen Initiative war, dass die Einbeziehung des Proteinurie-Levels die CKD-Stadieneinteilung verbessern und die Risikoeinschätzung genauer machen könne.
Eine Nierenfiltrationseinschränkung im Bereich 75-105 ml/min/ 1,73 m2 ist nämlich nicht mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert; eine Einschränkung auf 60 ml/min/ 1,73 m2 stellt hingegen bereits ein unabhängiger Risikofaktor für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität dar. Der Grad der Proteinurie kann hier also Zusatzinformationen zum Mortalitätsrisiko in den verschiedenen Stadien der Erkrankung geben: Bei einer Albumin-Kreatinin-Ratio =30 mg/g, dem Grenzwert für das Vorliegen einer CKD, ist das Mortalitätsrisiko bereits um 50% erhöht und steigt sogar auf das über Vierfache bei hoher Albuminurie (1 g/g) im Vergleich zum Normwert (5 mg/g). Selbst Menschen mit hoch-normalen Albuminuriewerten haben ein statistisch signifikant höheres Sterblichkeitsrisiko als Menschen mit niedrigen/optimalen Werten.
Diese beiden Tests haben somit eine extrem erhöhte Aussagekraft zur Gesamt- wie auch kardiovaskulären Mortalität und können Risikopatienten stratifizieren – und zwar lange bevor sich eine Nierenerkrankung klinisch manifestiert. Würden diese Tests routinemäßig bei allen Patienten durchgeführt werden, könnte nicht nur manch eine unerkannte CKD frühzeitig erkannt werden, sondern vor allem die Menschen stratifiziert (und in Konsequenz entsprechend behandelt) werden, die ein hohes Mortalitätsrisiko aufweisen. Die Nierentests sind damit weit mehr als nur Nierentests, sie sind das „Fenster zu den Gefäßen“. Dieses diagnostische Fenster sollten wir nutzen – denn wir wissen „Der Mensch wird so alt wie seine Gefäße“ (Virchow).
Obwohl diese Tests einen enormen prognostischen Wert haben und vergleichsweise kostengünstig durchzuführen sind, werden sie in Risikoberechnungen und in der klinischen Praxis noch viel zu selten eingesetzt. Wir hoffen, dass durch die neue Studie die Nierenfunktionsparameter nun weltweit Einzug in die Risikoberechnungen zur Erfassung des Gesundheitszustandes erhalten werden.“
Anmerkung
Quelle: XLVII ERA-EDTA Congress – DGfN Congress, München, 25.06.2010 (albersconcept) (tB).