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9. Deutsches PH-Forum

PAH-Therapie –Was bringt die Zukunft?

 

Prof. Dr. med. Ardeschir Ghofrani, Gießen

 

Berlin (16. Juni 2012) – In den letzten zehn Jahren wurden bedeutende Fortschritte im Verständnis der Pathophysiologie der PAH gemacht, die mit der Entwicklung von Behandlungsrichtlinien und neuen Therapien einherging. Zu den Arzneimitteln, die auf die drei in die Pathogenese involvierten Signalwege ausgerichtet sind, zählen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERAs), Prostazykline und Phosphodiesterase-5-Inhibitoren. Dank PAH-Therapeutika hat sich die Prognose für PAH-Patienten von der symptomatischen Verbesserung der Belastungstoleranz vor zehn Jahren auf eine verzögerte Krankheitsprogression heute verbessert.

 

Trotz dieser Fortschritte auf dem Gebiet der PAH sind die Überlebensraten zu niedrig und die Krankheit ist nach wie vor nicht heilbar.

 

Das Endothelin-(ET)-System spielt in der Pathogenese der PAH eine zentrale Rolle, und Endothelin-Rezeptor-Antagonisten tragen heute wesentlich zu den verbesserten Langzeitergebnissen bei der Behandlung von PAH-Patienten bei. ET-1, einer der stärksten bekannten Vasokonstriktoren, wirkt im Gewebe als parakriner Faktor, der von Endothel-Zellen in die Gefäßwand und somit in das Gewebe abgegeben wird. Daher bleibt der Endothelin-Stoffwechselweg ein Gebiet intensiver Forschung und Entwicklung. Macitentan zeichnet sich durch verschiedene Eigenschaften aus, die von potenziellem klinischem Nutzen sein könnten. Hierzu zählt eine in präklinischen In-vivo-Versuchen beobachtete verstärkte Wirksamkeit gegenüber anderen ERAs, die auf eine anhaltende Bindung an den Rezeptor und eine besonders hohe Gewebeaffinität und -spezifität zurückzuführen ist. Pharmakologische Studien weisen auf eine geringe Neigung von Macitentan zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten hin (Sidharta PN et al. Eur JClin Pharmacol 2011; Bruderer S et al. AAPS J 2012; Bruderer S et al. Xenobiotica 2012 Epub). In einer großen, auf klinische Ereignisse ausgerichtete Langzeitstudie wurde daher der Effekt von Macitentan bei Patienten mit PAH (n = 742) auf die Morbidität und Gesamtmortalität untersucht (Study with Endothelin Receptor Antagonist in Pulmonary arterial Hypertension to Improve cliNical outcome = SERAPHIN-Studie). Macitentan ist ein neuartiger dualer Endothelin-Rezeptor-Antagonist (ERA), der aus einem zielgerichteten Entdeckungsprozess hervorgegangen ist.

 

Die Patientenrekrutierung war im Dezember 2009 mit insgesamt 742 Patienten abgeschlossen. Die Patienten erhielten zwei verschiedene Dosierungen Macitentan (3 mg und 10 mg einmal täglich) oder Plazebo in einem Verhältnis von 1:1:1. Die Verabreichung einer PAH-Basistherapie in Form eines PDE-5-Inhibitors oder oraler inhalierter Prostanoide während der Studie war gestattet. Eine erste Datenanalyse der SERAPHIN-Studie zeigt, dass mit Macitentan sowohl mit 3 mg als auch 10 mg im Verlauf der Behandlung über bis zu dreieinhalb Jahre das Risiko eines Morbiditäts- oder Mortalitätsereignisses gegenüber Plazebo signifikant gesenkt werden konnte. Dieses Risiko konnte in der Gruppe, die mit einer Dosis von 10 mg behandelt wurde, um 45 Prozent (p<0,0001) gesenkt werden. Bei 3 mg wurde eine Risikoverminderung 28 von 30 Prozent (p = 0,0108) beobachtet. Die Behandlung mit Macitentan wurde in der SERAPHIN-Studie gut vertragen. Diese Studie wird nach ihrer vollständigen Analyse Grundlage für das Zulassungsverfahren sein.

 

Der Prostazyklin-Weg spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle in der Entstehung von PAH. Prostazyklin und seine chemischen Analoga werden als PAH-Therapeutika intravenös oder inhalativ eingesetzt: Selexipag ist ein first-in-class oraler, langwirksamer Nicht-Prostanoid-PGI-2-Rezeptor-Agonist, der auf den Prostazyklin-Stoffwechselweg wirkt. Selexipag wird nach der Einnahme durch Hydrolisierung in seinen aktiven Metaboliten überfuhrt. Eine pharmakokinetische Untersuchung bei gesunden Probanden zeigt, dass der aktive Metabolit von Selexipag nach einer oralen Einzelgabe von 100 μg eine Eliminations-Halbwertszeit von 7,9 Stunden hat. In einer Phase-II-Studie an PAH-Patienten reduzierte Selexipag im Vergleich zu Plazebo signifikant den pulmonal vaskulären Widerstand (PVR) nach 17Wochen. Wirksamkeit und Verträglichkeit von Selexipag werden aktuell in einer Phase-III-Studie (Prostacyclin  (PGI2) Receptor agonist In Pulmonary HypertensiON= GRIPHON) untersucht.

 

Ein anderer wichtiger Mediator in der Pathogenese der PAH ist Stickoxid (NO). NO bindet an lösliche Guanylatzyklase (sGC) und führt so zur Aktivierung und Synthese von zyklischem Guanosin-Monophosphat und dadurch zu Vasodilatation. Riociguat, ein oraler sGC-Stimulator, erhöht die Sensitivität für endogenes NO und zugleich die sGC-Aktivität, unabhängig von NO. Die Wirksamkeit von Riociguat bei PAH wird zurzeit in Phase-III-Studien (PATENT) mit dem primären Endpunkt Verlängerung der 6-Minuten-Gehstrecke untersucht. Tyrosinkinase-Hemmstoffe (TKIs) werden gegenwärtig für die Therapie der PAH geprüft. Ermutigende Einzelfallberichte über therapeutische Erfolge mit Imatinib bei PAH haben zur Durchführung einer Phase-III-Studie geführt, die auf eine Wirksamkeit dieses neuen Therapieprinzips hinweist. Zu anderen Multikinaseinhibitoren wie z.B. Sorafenib und Sunitinib liegen ebenfalls ermutigende präklinische Daten vor, die möglicherweise auch eine klinische Entwicklung in naher Zukunft anstoßen werden.

 

Das serotoninerge System ist bereits seit Langem im Fokus der Forschungen zur PAH. Sowohl dysregulierte Serotonin-(5-HT)-Rezeptoren als auch -Transporter wurden in verschiedenen experimentellen Modellen der pulmonalen Hypertonie als auch bei Patienten mit PAH nachgewiesen. Derzeit werden die Effekte des 5-HT2a- und 5-HT2b-Antagonisten Terguride im Rahmen einer klinischen Phase-II-Studie (TERPAH) bei Patienten mit PAH untersucht. Schließlich wird die Anwendung modifizierter endothelialer Vorläufer-Zellen untersucht. Solche Zellen konnten zur Wiederherstellung der pulmonalen Mikrovaskulatur beitragen, wie in Tiermodellen bereits erfolgreich gezeigt wurde und zurzeit bei Menschen mit PAH weiter geprüft wird.

 

Insgesamt zeigt die Vielzahl der neuen Therapiekonzepte, die derzeit für die Behandlung der PAH in Entwicklung befindlich sind, welche Anstrengungen weltweit unternommen werden, um die Prognose der von dieser tückischen Erkrankung betroffenen Patienten zu verbessern. Obwohl derzeit keine Heilung der PAH in Aussicht steht, konnte das stetig wachsende Wissen um die molekularen und zellulären Vorgange in den betroffen Gefäßgebieten der Lunge uns langfristig diesem Ziel näher bringen.

 

 

Kernaussagen

 

  • Unsere gegenwärtigen PAH-Therapeutika führen zu klinischen Verbesserungen der PAH und verbessern das Überleben, sie können die PAH jedoch nicht heilen.
  • Endothelin-Rezeptor-Antagonisten verhindern die schädlichen Wirkungen von Endothelin bei der der PAH zugrunde liegenden Vaskulopathie über die Hemmung von Endothelin-Rezeptoren.
  • Die ersten Ergebnisse der SERAPHIN-Studie mit Macitentan, einem neuartigen Endothelin-Rezeptor-Antagonisten, zeigten eine signifikante Reduktion der Mortalität/Morbidität bei Patienten mit PAH.
  • Eine Verbesserung der NO-sGC-cGMP-vermittelten Signaltransduktion, wie z.B. durch Stimulierung der löslichen Guanylatzyklase, konnte zusätzlichen Nutzen bieten.
  • Tyrosinkinase-Inhibitoren bieten die Hoffnung auf eine neue antiproliferative Therapie einer Erkrankung (PAH), bei der Proliferation eine zentrale Bedeutung bei der vaskulären Obliteration hat. Die Wirksamkeit und Toxizität dieser Wirkstoffe muss jedoch noch weiter geprüft werden.
  • Der Prostacyklin-Rezeptor-Agonist Selexipag wird aktuell in der Studie Prostacyclin (PGI2) Receptor agonist In Pulmonary HypertensiON (GRIPHON) untersucht.
  • Der 5HT2a- und 5HT2b-Antagonist Terguride befindet sich ebenfalls in klinischer Entwicklung (Phase II) fur die Behandlung der PAH (TERPAH)

 

 

Referenzen

 

  • Bruderer S et al. Xenobiotica Epub Mar 30, 2012.
  • Bruderer S et al. AAPS J. 2012; 14(1): 68-78.
  • Ghofrani HA et al. J Am Coll Cardiol. 2009 Jun 30; 54(1 Suppl): S108-S117.
  • Iglarz M et al. J Pharmacol Exp Ther 2008; 327: 736-745.
  • Kim SJ et al. Neoplasia 2011; 13: 167-179.
  • Kummer O et al. Eur J Pharm Sci 2009: 38: 384-388.
  • Kuwano K et al. J Pharmacol Exp Ther 2007; 322: 1181-1188.
  • Raja SG. Cardiovasc Ther 2010; 28: e65-e71.
  • Raja SG. Curr Opin Investig Drugs 2010; 11: 1066-1073.
  • Savai R et al. Expert Opin Investig Drugs. 2010; 19: 117-131.
  • Schermuly RT et al. Expert Opin Investig Drugs 2011; 20: 567-576.
  • Sidharta PN et al. Eur J Clin Pharmacol 2011; 67: 977-984
  • Simmoneau G et al. Am J Respir Crit Care Med 2010; 181: A2515.
  • Wagner OF et al. J Biol Chem 1992; 267: 16066-16068.

 

 

Abbildungen

 

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Quelle: 9. Deutsches PH-Forum der Firma Actelion Pharmaceuticals Deutschland, 15./16.06.2012 (tB).

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