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Therapie digitaler Ulzerationen bei systemischer Sklerose mit Bosentan: Die RAPIDS-Studien (RAPIDS-1 und 2)

 

Prof. Dr. med. Bernhard Hellmich

 

Epidemiologie und Pathogenese digitaler Ulzerationen

 

Hamburg (16. September 2010) – Etwa 30 bis 60 % aller Patienten mit limitierter oder diffuskutaner Systemischer Sklerose entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung digitale Ulzerationen1, 2. Diese digitalen Ulzerationen werden in der Regel definiert als ischämisch-nekrotische Läsionen, welche bevorzugt an den Spitzen der Endphalangen oder im Bereich knöcherner Prominenzen (z. B. Ellenbogen, Fingergelenke) auftreten.

Digitale Ulzerationen sind sehr schmerzhaft und behindern den betroffenen Patienten funktionell erheblich. Zudem prädisponieren diese Ulzerationen zu Weichteilinfektionen des betroffenen Gewebes oder zum Auftreten einer Osteomyelitis. Digitale Ulzerationen entstehen vor allem als Folge einer Gewebsischämie, einer intimalen Proliferation von Fibroblasten und thrombotischen Verschlüssen der Digitalarterien. Zudem beeinträchtigen rezidivierende Mikrotraumen und Wundheilungsstörungen des atrophen und avaskulären Gewebes die Heilung digitaler Ulzerationen. Der digitalen Gewebsischämie liegt eine endotheliale Schädigung zu Grunde. Diese geht einher mit einer verminderten Produktion vasodilatierender Mediatoren wie Prostazyklin oder Stickstoffmonoxid (NO).

 

Die Endothelschädigung führt zudem zu einer vermehrten Freisetzung des potenten Vasokonstriktors Endothelin-1 (ET-1) aus Endothelzellen. Die Wirkung von ET-1 wird über zwei Rezeptoren, ET-A und ET-B vermittelt, welche auf Endothelzellen, Fibroblasten, glatten Muskelzellen und anderen Zellen des menschlichen Körpers exprimiert wird. Da bei Patienten mit systemischer Sklerose erhöhte ET-1-Konzentrationen im Serum gemessen werden konnten, wird angenommen, dass ET-1 in der Pathogenese der mit systemischer Sklerose assoziierten Vaskulopathie eine zentrale Rolle spielt.

 

 

Therapie digitaler Ulzerationen bei systemischer Sklerose

 

Während zahlreiche wirksame Substanzen wie ACE-Hemmer oder Kalzium-Antagonisten zur Behandlung des Raynaud-Syndroms zur Verfügung stehen, sind die genannten Therapeutika zur Behandlung digitaler Ulzerationen wenig effektiv3. Durch eine intravenöse Gabe von
Iloprost kann die Abheilung digitaler Ulzerationen bei Patienten mit systemischer Sklerose begünstigt werden4, 5. Allerdings ist die Behandlung mit Iloprost zeitaufwendig und muss intravenös über 6 h und 5 aufeinanderfolgenden Tagen erfolgen. Orale Prostanoide erwiesen sich im Gegensatz zu intravenösen Iloprost als wenig effektiv5, 6.

 

 

Bosentan

 

Bosentan ist ein dualer, oraler ET-1-Rezeptor-Antagonist, der erfolgreich zur Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie bei Patienten mit systemischer Sklerose eingesetzt wird1. Zudem wurde in zwei randomisierten placebokontrollierten Studien der Nutzen von Bosentan zur Therapie und Prävention von digitalen Ulzerationen bei Patienten mit systemischer Sklerose untersucht, den RAPIDS-Studien (RAndomized, double-blind, Placebo-controlled study with bosentan on healing and prevention in Ishemic Digital ulcerations in Systemic sclerosis): RAPIDS-1 und RAPIDS-2.

 

 

RAPIDS-1

 

In dieser randomisierten, prospektiven, placebokontrollierten, doppelblinden Studie wurden 122 Patienten mit systemischer Sklerose in 17 Zentren in Europa und Nordamerika eingeschlossen 7. Patienten in der Verumgruppe erhielten Bosentan 62,5 mg bid für 4 Wochen gefolgt von 125 mg bid für weitere 12 Wochen. Primärer Endpunkt der Studie war die Anzahl neuer digitaler Ulzerationen während der Studiendauer von 16 Wochen.

 

 Patienten in der Bosentan-Gruppe entwickelten im Vergleich zu den Patienten in der Placebogruppe signifikant weniger neue digitale Ulzerationen (1,4 versus 2,7; p=0,0083). Patienten die bereits bei Studienbeginn digitale Ulzerationen aufwiesen hatten ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung neuer Ulzerationen; in dieser Subgruppe konnte die Zahl neuer Ulzerationen von 3,6 auf 1,8 um 50% reduziert werden (p=0,0075). Zudem zeigte sich bei den Patienten der Bosentangruppe eine signifikante Verbesserung der über den Scleroderma Health Assessment Score (SHAQ) erfassten Handfunktion.

 

Die Zeit bis zur Abheilung von bereits präexistenten Ulzerationen unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen. Ähnlich wie in früheren Studien zu Bosentan zeigte sich bei 14% der mit Bosentan behandelten Patienten ein Anstieg der Transaminasen über das 3-fache des oberen Normwertes und führte bei 6% der Patienten zum Abbruch der Therapie. Die Inzidenz aller anderen unerwünschten Wirkungen unterschied sich nicht zwischen Bosentan und Placebo.

 

In der offenen Verlängerungsstudie der RAPIDS-1-Studie über insgesamt 28 Wochen traten bei 65% der eingeschlossenen Patienten (n=88) keine neuen digitalen Ulzerationen auf. Die konstante Reduktion der Anzahl neuer digitaler Ulzerationen zeigt, dass der therapeutische Nutzen von Bosentan auch in der Langzeitbehandlung aufrecht erhalten bleibt.8

 

 

RAPIDS-2

 

Nachdem durch die RAPIDS-1-Studie ein positiver Effekt von Bosentan auf die Prävention digitialer Ulzerationen nachgewiesen werden konnte, war das Ziel der RAPIDS-2-Studie, den Effekt auf die Abheilung bereits bestehender Ulzerationen zu untersuchen. Zudem sollten die Ergebnisse der RAPIDS-1-Studie zur Prävention digitaler Ulzerationen in einer zweiten Kohorte bestätigt werden. In diese randomisierte, prospektive, placebokontrollierte, doppelblinde Studie wurden 188 Patienten mit systemischer Sklerose in 41 Zentren weltweit ein geschlossen9. Patienten mit mindestens einer digitalen Ulzeration zum Zeitpunkt der Randomisierung erhielten Bosentan 62,5 mg bid für 4 Wochen gefolgt von 125 mg bid für weitere 20 Wochen, oder Placebo.

 

In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der RAPIDS-1-Studie wiesen die mit Bosentan behandelten Patienten nach einer Studiendauer von 24 Wochen signifikant weniger digitale Ulzerationen auf, als die Patienten der Placebogruppe (1,9 vs. 2,7; p=0,035) (Abb.1). Wie schon in der RAPIDS-1-Studie profitierten vor allem Patienten mit hoher Ulkuslast von der Therapie mit Bosentan. In der Abheilung bereits bestehender Ulzerationen zeigte sich zwischen beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied. Das zur Evaluation ausgewählte Kardinalulkus bestand bei 50% der Patienten auch noch nach 24 Wochen. Hier spielen offenbar zusätzlich zum Endothelin andere Pathomechanismen, wie zum Beispiel eingeschränkte Mikrozirkulation und fortgeschrittene Gefäßschädigungen bei bestehenden Ulzerationen, eine Rolle.4,9 Periphere Ödeme und eine Erhöhung der Transaminasen trat in der Bosentan-Gruppe häufiger auf als unter Placebo. Digitale Ulzerationen traten in den Sommer- und Wintermonaten gleich häufig auf (Abb.2).10

 

 

Kernaussagen

 

Die Ergebnisse der RAPIDS-Studien zeigen, dass durch die Gabe des Endothelin-Rezeptor-Antagonisten die Zahl neuer digitaler Ulzerationen bei Patienten mit systemischer Sklerose signifikant reduziert werden kann.

Die Zeit bis zur Abheilung bereits bestehender Ulzerationen hingegen konnte durch eine Therapie mit Bosentan nicht signifikant verkürzt werden. Hier spielen offenbar zusätzlich zum Endothelin andere Pathomechanismen, wie zum Beispiel fortgeschrittene Gefäßschädigungen bei bestehenden Ulzerationen, eine Rolle.

Der präventive Effekt von Bosentan ist bei Patienten die bereits mehrere digitale Ulzerationen aufweisen besonders ausgeprägt.

Der Einsatz von Bosentan bei rezidivierenden digitalen Ulzerationen sollte in ein multimodales Therapiekonzept eingebettet werden, welches zusätzliche medikamentöse Maßnahmen (z.B. Kalzium-Antagonisten, Iloprost, ggf. Antibiotika) und ein lokale Wundbehandlung der Ulzerationen umfasst.

Eine frühzeitige Therapie von digitalen Ulzerationen ist insbesondere aus Patientensicht sehr wichtig – eine Saisonalität besteht beim Auftreten der digitalen Ulzerationen nicht

 

 

Referenzen

 

  1. Ahmadi-Simab K et al. Eur J Clin Invest. 2006;36:44–48.
  2. Chung L et al. Autoimmun Rev. 2006;5:125–128.
  3. Riemekasten G. Z Rheumatol 2005;64:90–92.
  4. Pope J et al (2000) Cochrane Database Syst Rev.: CD000953.
  5. Wigley FM et al. Arthritis Rheum 1998;41:670–677.
  6. Vayssairat M. J Rheumatol 2005;26:2173–2178.
  7. Korn JH et al. Arthritis Rheum 2004;50:3985–3993.
  8. Black C et al. Ann Rheum Dis 2006;65(Suppl.II):384.
  9. Matucci-Cerinic M et al. Ann Rheum Dis 2010 (in press).
  10. Steen V et al. Rheumatology 2009;48:iii19–iii24.

 

 


Quelle: Symposium der Firma Actelion anlässlich des 38. Kongresses der Deitschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) 2010 zum Thema „Digitale Ulzerationen und PAH bei systemischer Sklerose – Was kann der Rheumatologe tun?“ am 16.09.2010 in Hamburg (Cramer-Gesundheits-Consulting) (tB).

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