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9. Deutsches PH-Forum

Therapieziele der Gegenwart – Neues zur PAH aus Greifswald

 

Prof. Dr. med. Ralf Ewert, Greifswald

 

Berlin (16. Juni 2012) – Die aktuellen Leitlinien geben klare Empfehlungen zur Therapie der PAH für Patienten in den NYHA-Klassen IIIV. Der Erfolg dieser Behandlung kann mit Hilfe von Therapiezielen gemessen werden, wobei das Erreichen solcher Therapieziele massgeblich ist für die Entscheidung, ob die bisherige Therapie fortgesetzt werden kann oder eine Therapieeskalation in Form einer Kombinationstherapie erforderlich ist. Diese Zielparameter sollen sowohl eine gute Lebensqualität als auch eine gute Prognose sicherstellen und basieren auf Parametern mit gut dokumentierter prognostischer Bedeutung bei Patienten mit PAH.

 

Insgesamt lassen sich diese Parameter in 3 Gruppen unterteilen:

 

  • Parameter, die auf eine klinische Instabilität hinweisen (Symptome der Rechtsherzinsuffizienz, Krankheitsprogression, Synkopen)
  • Parameter der körperlichen Belastbarkeit (Verbesserung und Stabilisierung der NYHA-Klasse, 6-Minuten-Gehstrecke, Spiroergometrie)
  • Parameter der Rechtsherzfunktion (BNP bzw. NT-proBNP, Rechtsherzfunktion in der Echokardiographie sowie in der invasiven Diagnostik).

 

Wichtig ist, dass nicht alle Parameter die gleiche Wertigkeit haben. Parametern, die die rechtsventrikulare Funktion anzeigen, kommt eine wichtige prognostische Bedeutung zu, ebenso der NYHA-Klasse, die trotz großer Untersuchervariabilität ein wichtiger Prädiktor ist. So konnte eine Abhängigkeit der mittleren Überlebensrate von der NYHA-Klasse bereits in historischen Daten dokumentiert und in aktuelleren Daten bestätigt werden (DAlonzo GE et al. Ann Int Med 1991; Humbert M et al. Eur Respir J 2010). Patienten, die im Verlauf des ersten Jahres die NYHA-Klasse verbessern oder beibehalten, haben eine bessere Prognose als Patienten, die in NYHA III/IV bleiben oder sich bei initial guter NYHA-Klasse verschlechtern (Nickel N et al. Eur Respir J 2012).

 

Der 6-Minuten-Gehtest ist ein zuverlässiger, einfach durchführbarer Test, der in zahlreichen klinischen Studien zur PAH validiert worden ist und prognostisch relevant ist (Miyamoto S et al. Am J Respir Crit Care Med 2000). Die 6-Minuten-Gehstrecke korreliert darüber hinaus mit der NYHA-Klasse und der maximalen Sauerstoffaufnahme (peak VO2). Neben der initialen Beurteilung eignet sich der Test auch zur Verlaufsbeobachtung unter Therapie. Patienten mit idiopathischer pulmonaler arterieller Hypertonie (IPAH), deren 6-Minuten-Gehstrecke nach drei Monaten Therapie mit intravenösem Prostazyklin < 380 m beträgt, weisen eine deutlich schlechtere Prognose auf als Patienten, die größere Distanzen zurücklegen können. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, um wie viele Meter die Gehstrecke unter Therapie zunimmt, prognostisch entscheidend ist, dass die Gehstrecke unter Therapie > 380 m betragt (Sitbon O et al. J Am Coll Cardiol 2002). Allerdings konnte in einer aktuellen Analyse zwar ein Zusammenhang zwischen initialer Gehstrecke und Mortalität nachgewiesen werden, jedoch kein Einfluss der Gehstreckenzunahme unter Therapie auf das Überleben (Nickel N et al. Eur Respir J 2012).

 

Die Spiroergometrie erlaubt eine objektive Betrachtung der kardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Verschiedene Parameter der Spiroergometrie zeigen den Schweregrad der pulmonalen Hypertonie an. IPAH-Patienten mit einer peak VO2 < 10,4 ml/kg/min und einem maximalen systolischen Blutdruck < 120 mmHg haben eine signifikant schlechtere Prognose als Patienten, die höhere Werte erreichen (Wensel R et al. Circulation 2002). In einer neueren Analyse zeigten IPAH-Patienten mit einer peak VO2 > 66% der Norm ein signifikant besseres Überleben für 1,3 und 5 Jahre als Patienten, welche unter diesem Wert lagen (Wensel R et al. Int J Cardiol 2012).

 

Als prognostisch relevant gelten bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung u. a. ein erniedrigter Herzindex, eine Erhöhung des rechtsatrialen Drucks und eine erniedrigte zentralvenöse Sättigung in Ruhe. Eine Evaluation von Rechtsherzkatheterdaten in Ruhe konnte jedoch für den mittleren pulmonal arteriellen Druck keine prognostische Relevanz belegen. Die vorliegenden Daten legen jedoch die Vermutung nahe, dass ein CI 2,5 l/min/m2 wie bereits in den Leitlinien als therapeutisches Ziel angegeben, obgleich nicht evidenzbasiert als prognostisch relevanter Wert gelten kann (Nickel N et al. Eur Respir J 2012). Bei Patienten mit PAH bei systemischer Sklerose konnte das Erreichen eines CI von 2,7 l/min/m2 nach 4-monatiger Therapie mit Bosentan als prognostisch relevanter Grenzwert identifiziert werden (Launay D et al. Rheumatology 2010).

 

Der Echokardiographie kommt neben initialer Abklärung und Screening eine wichtige Rolle im Rahmen der funktionellen Beurteilung des rechten Ventrikels zu. Während die Dopplerechokardiographische Messung des sPAP für die Detektion einer PAH entscheidend ist, besitzen funktionelle Parameter des rechten Ventrikels wie der Doppler-RV-Index (Tei-Index) (Tei C et al. J Am Soc Echocardiogr 1996) und die Tricuspid annular plane systolic excursion (TAPSE) prognostische Bedeutung (Forfia PR et al. Am J Respir Crit Care Med 2006). Weitere prognostische Prädiktoren sind ein vergrößerter rechter Vorhof sowie der Nachweis eines Perikardergusses.

 

NT-proBNP und BNP gelten als Marker einer Herzinsuffizienz und sind demzufolge nicht spezifisch für eine PAH. Allerdings weisen Patienten mit einem BNP-Spiegel > 150 pg/ml bei Diagnosestellung eine höhere Mortalität auf als Patienten mit niedrigeren Serumspiegeln. Darüber hinaus haben Patienten, deren BNP-Spiegel unter Therapie abnimmt, eine bessere Prognose als Patienten, deren BNP-Werte unverändert bleiben oder ansteigen (Nagaya N et al. Circulation 2000). Auch die aktuellen Daten bestätigen diese Ergebnisse sowohl für BNP als auch NT-proBNP (Leuchte H et al. Chest 2007; Fijalkowska A et al. Chest 2006).

 

Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass die bislang beschriebenen prognostischen Daten bei selektierten Patientengruppen erhoben wurden (teilweise vor Beginn oder bei laufender spezifischer Therapie) und möglicherweise nicht den individuellen Patienten widerspiegeln. Auch müssen sie für einige Patientengruppen wie z.B. Patienten mit PAH bei angeborenen Herzfehlern oder systemischer Sklerose nicht unbedingt zutreffen. Ebenso finden bislang wichtige Parameter wie Alter, Geschlecht oder Begleiterkrankungen nur unzureichende Berücksichtigung bei den genannten Therapiezielen. Weiterhin muss kritisch angemerkt werden, dass für die einzelnen Parameter keine zuverlässigen Grenzwerte existieren und somit immer eine Zusammenschau aller Parameter unter individuellen Gesichtspunkten erforderlich ist.

 

Therapieziele sollten also definiert werden unter Berücksichtigung des individuellen Patienten und seiner Komorbiditäten. Das Erreichen und Vorliegen dieser Therapieziele muss auch bei anscheinend stabilen Patienten in regelmäßigen Abständen überprüft werden.

 

Im Rahmen des Arbeitssymposium Pulmonale Hypertonie vom 7. 9. Juni 2012 in Greifswald wird u.a. die Frage diskutiert, welches in Zukunft geeignete Zielkriterien bei der Behandlung der Patienten mit PH/PAH sein sollten. Die Ergebnisse dieser Konferenz werden hier erstmals vorgestellt.

 

 

Kernaussagen

 

  • Das Erreichen von prognostisch relevanten Therapiezielen im Therapieverlauf ist für die Entscheidung, ob die bisherige Therapie fortgesetzt werden kann oder eine Therapieeskalation in Form einer Kombinationstherapie erforderlich ist, maßgeblich.
  • Prognostisch relevante Parameter sind z.B. Parameter, die die rechtsventrikulare Funktion anzeigen, die WHO- NYHA-Klasse, der 6-Minuten-Gehtest und ein erniedrigter Herzindex.
  • Daten zu Prognose und prognostischen Parametern wurden meist nur bei selektierten Patientengruppen erhoben und spiegeln möglicherweise nicht den individuellen Patienten mit PAH wider.
  • Im Rahmen des Arbeitssymposium Pulmonale Hypertonie in Greifswald wird u.a. die Frage diskutiert, welches in Zukunft geeignete Zielkriterien bei der Behandlung der Patienten mit PH/PAH sein sollten.

 

 

Referenzen

 

  • DAlonzo GE et al. Ann Int Med 1991; 115: 343-349.
  • Fijalkowska A et al. Chest 2006; 129: 1313-1321.
  • Forfia PR et al. Am J Respir Crit Care Med 2006; 174: 1034-1041.
  • Ghofrani HA et al. Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: S67S77.
  • Grünig E et al. Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: S67S77.
  • Humbert M et al. Eur Respir J 2010; 36: 549-555).
  • Launay D et al. Rheumatology 2010; 49: 490-500
  • Leuchte H et al. Chest 2007; 131: 402-409.
  • Miyamoto S et al. Am J Respir Crit Care Med 2000; 161: 487-492.
  • Nagaya N et al. Circulation 2000; 102: 865-870.
  • Nickel N et al. Eur Respir J 2012; 39: 589-596.
  • Sitbon O et al. J Am Coll Cardiol 2002; 40: 780-788.
  • Tei C et al. J Am Soc Echocardiogr 1996; 9: 838-847.
  • Wensel R et al. Circulation 2002; 106: 319-324.
  • Wensel R et al. Int J Cardiol 2012 [Epub ahead of print].

 

 

Abbildungen

 

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Quelle: 9. Deutsches PH-Forum der Firma Actelion Pharmaceuticals Deutschland, 15./16.06.2012 (tB). CGC-Cramer Gesundheits Consulting

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