MEDIZIN

DOC-CHECK LOGIN

Die (R)evolution der hormonellen Therapie

 

Von Prof. Dr. Thomas Ebert, Euromed Clinic, Fürth

 

Stuttgart (25. September 2008) – Der Gedanke, dass Prostatakarzinom (PCa) androgenabhängigsei, entstand in den 40er Jahren, als erstmals Huggins und Hodges die vorteilhaften Effekte der Kastration und der Injektion von Östrogenen bei Patienten mit metastasierendem Prostatakarzinom beobachteten. Seit den 40er Jahren hatte sich die chirurgische Kastration (Orchiektomie) ‑ auch wenn sie nicht so oft angewendet wurde ‑ im Rahmen der Androgenentzugstherapie (ADT) als Gold-Standard in der Therapie des fortgeschrittenen PCa etabliert. Während die Therapie mit Östrogenen eine mit der Kastration vergleichbare Wirkung erzielt, blieb ihr Nutzen jedoch aufgrund der signifikanten kardiovaskulären Toxizität eingeschränkt.

 

In den 70er Jahren hat man die Struktur der natürlich vorkommenden Gonadotropin-releasing Hormone (GnRH) aufgeklärt, was schließlich zur Entwicklung synthetischer GnRH-Agonisten führte. Die medizinische Kastration durch GnRH-Agonisten wurde erstmals von Schally und seinen Kollegen 1982 demonstriert. In den späten 80er Jahren kamen die GnRH-Agonisten/ Analoga Leuprolide und Goserelin für die Behandlung des Prostatakarzinoms auf den Markt. Mit der Perspektive einer reversiblen medizinischen Kastration repräsentieren GnRH-Agonisten einen beträchtlichen Fortschritt in der Behandlung des PCa und machen heute einen Großteil der ADT aus. In den 90er Jahren konnten Studien belegen, dass die Überlebensquote von Patienten, die mit GnRH-Agonisten behandelt wurden, derjenigen gleicht, die eine bilaterale Orchiektomie durchführen ließen. Jedoch führen GnRH-Agonisten zu einem initialen Testosteronanstieg, der das Wachstum des Prostatakarzinoms stimuliert und bei bis zu 63 % der Patienten mit einem Organ überschreitenden Karzinom einen klinischen ,flare‘ verursacht. Dieser,flare‘ kann bei Vorhandensein von Knochenmetastasen Schmerzen des Skeletts verstärken, ureterale Obstruktionen und Rückenmarkskompressionen verschlimmern. Um die durch den initialen TestosteronAnstieg hervorgerufene Tumorstimulation zu bekämpfen, werden GnRH-Agonisten initial in der Regel mit nicht‑steroiden Antiandrogenen (AA) kombiniert, um die Wirkung der Androgene zu hemmen.

 

Eine permanente Kombination von GnRH-Agonist und Antiandrogen ‑ die maximale Androgenblockade (MAB) ‑ kann eingesetzt werden, um das Überleben von Patienten zu verlängern, bei denen die alleinige Kastrationtherapie als nicht ausreichend angesehen werden.

 

Die durch den Testosteron-Anstieg hervorgerufenen Probleme stießen die Suche nach neuen Therapiestrategien an. GnRH-Rezeptor-Blocker induzieren eine sofortige Blockade des luteinisierenden Hormons (LH), des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und somit eine schnelle Absenkung des Testosterons sowie eine lang anhaltende Testosteronsuppression. Hervorzuheben ist, dass es unter GnRH-Rezeptor-Blockern zu keinem initialen Hormon-Anstieg und somit auch zu keinem klinischen flare oder,microsurges‘ (Testosteronanstieg nach GnRH-Agonisten-Gabe) kommt. Verschiedene GnRH-Rezeptor-Blocker wurden für die PCa-Therapie entwickelt, jedoch zeigten sich allergische Reaktionen und Probleme in Bezug auf Wirkung und Löslichkeit als limitierende Faktoren. Neue GnRH-Rezeptor-Blocker wie Degarelix, die sich in fortgeschrittenen Stadien der klinischen Entwicklung befinden, verfügen über ein exzellentes Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprofil ohne Anzeichen von systemischen allergischen Reaktionen. GnRH‑Blocker haben das Potential, das Prostatakarzinom effektiv zu behandeln, und zusätzliche Vorteile für die Patienten zu bieten.

 

Betrachtet man die Zukunft der Hormontherapie bei Prostatakrebs, stößt man unweigerlich auf verschiedene Herausforderungen. Diese beinhalten die zunehmende Anwendung der Hormon­therapie bei der frühen adjuvanten Therapie, die Verbesserung der Pharmakologie von GnRH­-Analoga, die Reduzierung der mit den Hormonwirkstoffen verbundenen Toxizität (wie kardiovas­kuläre Effekte, Osteoporose, etc.) sowie die negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität. Letztere fordern aktives Management und ein engmaschiges Monitoring der Nebenwirkungen, einhergehend mit der Entwicklung von alternativen Strategien wie der intermittierenden Hormon­Behandlung, der Therapie mit Antiandrogenen und SERMs (Selektive Östrogen Rezeptor Modula­toren). Die Hormontherapie des Prostatakarzinoms wird einen weiteren Schritt in Richtung Indivi­dualisierung erfahren.

 

 

Autor

 

Prof. Dr. med. Thomas Ebert

Euromed Clinic

Europa-Allee 1

90763 Fürth

 


Quelle: Symposium der Firma Ferring zum Thema „Hormontherapie und Prostatakarzinom: What’s known, what’s new, what’s next?“ im Rahmen des 60. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Urologie am 25. September 2008 in Stuttgart (AdLexis) (tB).

 

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…