Celecoxib außerhalb von rheumatologischen Einsatzgebieten:

Was sagen die Laborbefunde?

 

Von Prof. Gerd Geisslinger, Frankfurt/Main

 

Berlin (9. Oktober 2008) – Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) sind Mittel der Wahl zur Behandlung entzündlicher Schmerzen. Für das Verständnis der Wirkungen und Nebenwirkungen der NSAIDs erwiesen sich die Befunde von Vane und Ferreira in den 1970er Jahren, dass diese Substanzen in die Prostaglandinsynthese eingreifen, als besonders bedeutsam. NSAIDs hemmen in therapeutischen Konzentrationen die Cyclooxygenasen, die Arachidonsäure in Prostaglandine, Thromboxan A2 und Prostacyclin überführen.

 

Für die antiphlogistischen, antihyperalgetischen und antipyretischen Wirkungen traditioneller NSAIDs wird hauptsächlich die Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2), für einige Nebenwirkungen dagegen die der COX-1 verantwortlich gemacht. Dies hat zur Entwicklung selektiver COX-2-Hemmer geführt. Tierexperimente und epidemiologische Untersuchungen haben nahe gelegt, dass NSAIDs auch antiproliferativ auf Tumorzellen wirken können. Dies wurde dadurch erklärt, dass die COX-2 nicht nur im Rahmen von entzündlichen Prozessen, sondern auch in vielen Tumorgeweben massiv überexprimiert wird. In der Tat führte ein Ausschalten der COX-2 zu einer Hemmung der Tumorgenese in Mäusen. Auf der anderen Seite wurden für den selektiven COX-2-Hemmer Celecoxib auch in COX-2-negativen Tumorzellen antiproliferative und apoptotische Eigenschaften nachgewiesen. Da diese Celecoxib-Effekte in COX-2-negativen Tumorzellen mit anderen selektiven oder nicht selektiven COX-2-Hemmern bisher nicht beschrieben wurden, ist davon auszugehen, dass Celecoxib neben der COX-2-Hemmung auch noch andere Enzyme bzw. Proteine in ihrer Funktion beeinflusst. So konnte gezeigt werden, dass Celecoxib ein Schlüsselenzym der Zellproliferation, die so genannte Ser/Thr Kinaseaktivität der 3-Phosphoinositid abhängigen Kinase 1 (PDK1), hemmt.

 

Andere Arbeitsgruppen konnten herausarbeiten, dass Celecoxib auch die der PDK1 nachgeschaltete Kinase, die Proteinkinase B (PKB/Akt) inhibiert. Diese Hypothese wird durch Experimente mit einer nicht COX-2-hemmenden struktur­verwandten Substanz (Dimethylcelecoxib) von Celecoxib unterstützt. Dimethylce­lecoxib, ein Inhibitor der Proteinkinase B hemmt die Tumorzellproliferation und das Tumorwachstum genau so wie Celecoxib, ohne jedoch die COX-2 zu beeinflus­sen. Neuere Zellkultur‑ und tierexperimentelle Befunde zeigen, dass Celecoxib im Gegensatz zu anderen COX-2-Hemmern auch die Aktivität der 5-Lipoxygenase (5­LOX) und damit die Leukotriensynthese hemmen kann. Da 5-LOX-Leukotriene bei einer Reihe von entzündlichen Erkrankungen (z.B. Asthma bronchiale) eine Rolle spielen, wird zurzeit untersucht, ob diese Eigenschaft des Celecoxibs für seine Wirkungen und Nebenwirkungen bzw. Indikationen und Kontraindikationen rele­vant ist. Diese bisher ausschließlich in Zellkultur- und Tierexperimenten beschrie­benen COX-2-unabhängigen Effekte benötigen vergleichsweise hohe Konzentrati­onen von Celecoxib, so dass die klinische Bedeutung dieser Untersuchungen noch aussteht.

 

Literatur (Auswahl)

  • Grösch S, Tegeder I, Niederberger E, Bräutigam L, Geisslinger G. COX-2 independent in­duction of cell cycle arrest and apoptosis in colon cancer cells by the selective COX-2 inhi­bitor celecoxib. FASEB J 2001; 15: 2742‑2724
  • Grösch S, Maier TJ, Schiffmann S, Geisslinger G. Cyclooxygenase-2 (COX-2)­independent anticarcinogenic effects of selective COX-2 inhibitors. J Natl Cancer Inst. 2006; 98:736‑47
  • Schiffmann S, Maier TJ, Wobst I, Janssen A, Corban-Wilhelm H, Angioni C, Geisslinger G, Grösch S. The anti-proliferative potency of celecoxib is not a class effect of coxibs. Biochem Pharmacol 2008; 76: 179‑187
  • Maier TJ, Tausch L, Hoernig M, Coste O, Schmidt R, Angioni C, Metzner J, Grösch S, Pergola C, Steinhilber D, Werz O, Geisslinger G. Celecoxib inhibits 5‑lipoxygenase. Bio­chem Pharmacol 2008; 76: 862‑872
  • Schiffmann S, Sandner J, Schmidt R, Birod K, Wobst I, Schmidt H, Angioni C, Geisslinger G, Grösch S. The selective COX-2-inhibitor celecoxib modulates sphingolipid synthesis. J Lipid Res 2008 Aug 18 [Epub ahead of print]

 


 

Quelle: Symposium der Firma Pfizer zum Thema “Pleiotrope Effekte von Celecoxib – Laborbefunde heute, mögliche Indikationen morgen” am 09.10.2008 in Berlin (Medical Consulting Group).

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