Projekt „TrauErLeben“

Trauerbegleitung kann Wege „zurück ins Leben“ ebnen

 

Berlin (28. August 2013) – „Am schlimmsten ist es, wenn man sich nicht verabschieden kann“, zitierte Prof. Dr. Michael Wissert bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin einen häufig geäußerten Satz aus der schriftlichen Befragung von 680 trauernden Menschen im Rahmen des Forschungsprojekts „TrauErLeben“ (1). Grundsätzlich zeigte sich in der Studie: „Plötzliche Todesfälle durch Unfall, Suizid, Herzversagen oder ein Aneurysma führen zu besonders hohen Belastungen bei den Angehörigen“. Auch Todesfälle unter besonderen Umständen wie das Versterben eines Kindes im Mutterleib, eine Fehlgeburt, der Tod nach Gewalttaten oder einer Naturkatastrophe haben bei den unmittelbar Betroffenen oftmals einen erhöhten Bedarf an Trauerbegleitung zur Folge.

 

Die Teilnehmer der Befragung haben rückblickend ihre Belastungen zum Zeitpunkt direkt nach dem Todesfall eingeschätzt, in einem zweiten Teil des Fragebogens wurde erhoben, wie belastet sie sich aktuell fühlen. Dabei zeigte sich: Für die Nutzer von Trauerbegleitungsangeboten haben sich im Zeitraum seit dem unmittelbaren Trauerereignis die Belastungen deutlich stärker verringert als für diejenigen, die keine qualifizierte Hilfe von außen in Anspruch genommen haben. Insbesondere wurden Einzel- oder Gruppenbegleitungen von Menschen aufgesucht, die bezüglich der unmittelbaren Zeit nach dem Todesfall in allen Lebensbereichen über höhere Belastungswerte berichtet hatten.


Frauen empfanden eine höhere Gesamtbelastung direkt nach dem Todesfall als Männer. Nach dem Verlust eines Kindes oder des Lebenspartners wurden, so die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojektes an der Hochschule Ravensburg-Weingarten, häufig Angebote zur Trauerbegleitung wahrgenommen.


„Eine Trauer direkt nach dem Tod meines Mannes war mir durch familiäre Streitereien nicht möglich. Das hat mich sehr belastet und mir eine wichtigen Teil der Trauer genommen. Mit dem Beginn der Trauergespräche in der Begleitung war die Art der Trauer schon eine andere. Diese wurde von der Mitarbeiterin im Trauergespräch sehr gut aufgefangen.“ (eine 58-jährige Frau, Zitat aus der Befragung)

In diesem Zusammenhang betonte Christine Stockstrom, Bundesverband Trauerbegleitung e.V., in Berlin die Notwendigkeit der Qualifizierung von Trauerbegleiterinnen: Mit dem Verlust eines Menschen zu leben, ins eigene Leben zurückzufinden, den Alltag zu bewältigen, sich sozial wieder zu integrieren, der Trauer einen Ort und ihre Zeit zu geben, aber auch mit Schuld- und Schamgefühlen zurecht zu kommen, all diese Aufgaben, die sich Trauernden stellen, erfordern besondere Kompetenzen bei den Begleitern.

Die Erhebung bei 319 Trauerbegleitern zeigt, dass diese aus sehr unterschiedlichen Grundberufen kommen, je ein Viertel aus der Sozialarbeit bzw. aus der Pflege, gleichzeitig haben 40 Prozent eine berufliche Grundqualifikation jenseits sozialer oder gesundheitsbezogener Berufe. Sie alle eint, dies ist die Erkenntnis des Forschungsteams, dass sie sich in der Regel „aus eigener Betroffenheit“ für die ehren- oder hauptamtliche Arbeit als Trauerbegleiter entschieden haben. Zielgruppen dieser Tätigkeit sind zu 40 Prozent Kinder und Jugendliche.

Eine wesentliche Schlussfolgerung aus dem Forschungsprojekt ist laut Heiner Melching, Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, dass die Versorgung und Betreuung eines schwerkranken Menschen und seiner Familie nicht mit dem Tod enden muss, sondern dass den Angehörigen auch darüber hinaus Angebote zur Trauerbegleitung zugänglich gemacht werden sollten. „Insbesondere, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind, muss das Umfeld befähigt werden, offen und bedürfnisorientiert mit deren Trauer umzugehen.“

„Meine Klasse hat mich damals gemobbt und ausgelacht, dass ich keinen Vater mehr habe. Ich hatte dreimal Suizidversuche unternommen. Ich wäre bei einer Aktion von meiner Klasse fast von einem Auto überfahren worden. Niemand hat mir aber geglaubt. Das Wochenende in der Trauerbegleitung war sehr hilfreich. Es hat mir auch zu verstehen gegeben, dass es ganz normal ist, sich sehr viele Gedanken über das Leben zu machen. Das Gespräch mit den anderen, die wie ich auch den Vater/Mutter verloren haben, gab mir neuen Mut.“ (ein 16-jähriges Mädchen im Rückblick auf die letzten Jahre)

Auch im Umfeld plötzlicher Todesfälle, z.B. in Kliniken, Rettungsdiensten, bei Polizei und Feuerwehr, muss weiter darüber nachgedacht werden, wie ein Angebot verankert werden kann, welches Menschen in organisierter Weise Beratung, Unterstützung und Begleitung in der Trauer anbietet. Grundsätzlich auffallend im Projekt „TrauErLeben“ ist die große Bedeutung, die Trauernde dem Zuhören, der Akzeptanz ihrer Trauer und dem Austausch untereinander als Wirkungsfaktoren geben.

„Als mein Bruder starb war ich noch ein Kind. Die eigentliche Trauerverarbeitung fand heftig während meiner Jugend zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr statt. (…) Da ich in der ersten Phase meiner Trauer den Tod verdrängt hatte und dies vom Umfeld in meinem Heimatort nicht akzeptiert wurde, empfand ich es als erlösend, dass mein Umgang mit dem Tod im Trauerseminar völlig akzeptiert wurde. Es war auch äußerst hilfreich für mich zu sehen, dass ich nicht das einzige Kind bin, das ein Geschwister verloren hat. Ich glaube aber, dass die Kinder, denen ich dort begegnet bin, meine eigentliche Trauerbegleitung waren, da nur sie mich in vollem Ausmaß verstehen konnten und nachvollziehen konnten, wie es mir ging.“ (19-j. Frau)

„Akzeptanz und Verständnis für trauernde Menschen sind nicht in allen Bereichen unserer Gesellschaft gegeben. Wir brauchen ein Klima, in dem Trauernde mit ihren Bedürfnissen angenommen werden und entsprechende Angebote zur Begleitung erhalten. Es ist notwendig, dass die dazu erforderlichen Ressourcen bereitgestellt werden“, so Benno Bolze, Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands.

 


Im Rahmen der umfassenden Fragebogenerhebung bei 680 Hinterbliebenen und 319 Trauerbegleitern konnte in Deutschland erstmals empirisch nachgewiesen werden, dass eine qualifizierte Trauerbegleitung Trauernden nach dem Tod eines Angehörigen oder Freundes hilft und ihnen den Weg „zurück ins Leben“ ebnen kann. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Wirkungen von Trauerbegleitung im Rahmen der emotionalen und sozialen Bewältigung von tiefgehenden und komplizierten Trauerprozessen“ unter Leitung von Prof. Dr. Michael Wissert, Hochschule Ravensburg-Weingarten, wurden am 28. August in Berlin vorgestellt.

 


Unerwartet selbst für die erfahrenen Forscher: Zahlreiche der Befragten haben sich direkt in den Fragebögen oder auch in Briefen dafür bedankt, „dass sich endlich jemand dieses so wichtigen Themas annimmt“.

 

 

Anmerkung

 

  • (1)„Wirkungen von Trauerbegleitung im Rahmen der emotionalen und sozialen Bewältigung von tiefgehenden und komplizierten Trauerprozessen“

 

 

Weitere Informationen

 


 

Quelle: Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., 28.08.2013 (tB).

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