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Riskante Wissenslücken bei der Nahrungsergänzung in der Schwangerschaft

 

München (17. Januar 2011) – Nährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe – in der Schwangerschaft ist der Bedarf teilweise erhöht. Für die meisten Nährstoffe kann dieser Mehrbedarf über eine gesunde Mischkost gedeckt werden, manche Stoffe sollten werdende Mütter hingegen zusätzlich in Tablettenform einnehmen. Eine Studie des Lehrstuhls für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München (TUM) weist jedoch auf Wissenslücken hin: Demnach nehmen Schwangere sinnvolle Nahrungsergänzungspräparate teilweise zu spät oder gar nicht ein, während bei anderen Mikronährstoffen zum Teil ungewollte Überdosierungen auftreten, deren Auswirkungen während der Schwangerschaft noch nicht erforscht sind.

 

Schwangere und Stillende benötigen teilweise mehr Mikronährstoffe als andere Frauen. Eine abwechslungsreiche Ernährung in der Schwangerschaft genügt nach dem Stand der Forschung in der Regel, um für ein gesundes Wachstum des ungeborenen Kindes zu sorgen. Bei Folat und Jod sowie bei Eisen sieht das anders aus: Hier ist unter den heutigen Ernährungsbedingungen in Deutschland eine Mangelversorgung in der Schwangerschaft nicht auszuschließen. Deshalb empfehlen verschiedenste Fachgesellschaften eine Nahrungsergänzung mit Jod und Folsäure, bei Eisenmangel zusätzlich die Einnahme von niedrig dosierten Eisenpräparaten. Doch halten sich Frauen mit Kinderwunsch und Schwangere auch daran? Vor allem dieser Frage ist der TUM-Lehrstuhl für Ernährungsmedizin nachgegangen.

 

„Viele schwangere Frauen und ihre Ärzte sind trotz der bestehenden Empfehlungen unsicher über einen sinnvollen Einsatz von Supplementen“, erklärt Professor Hans Hauner, Ernährungsmediziner an der TUM. In einer Befragung an drei Kliniken im Raum München untersuchte und bewertete sein Team die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln vor und während der Schwangerschaft. Dazu wurden insgesamt 522 Wöchnerinnen in den ersten drei Tagen nach der Entbindung strukturiert befragt – Deutsche wie Ausländerinnen verschiedenster Bildungsabschlüsse, Erstgebärende genauso wie Mütter, die wiederholt schwanger gewesen waren.

 

97 Prozent der Befragten hatte in der Schwangerschaft mindestens ein Supplement eingenommen, fast zwei Drittel sogar schon vorher. Die Mengen variierten dabei in der Untersuchungsgruppe jedoch enorm: Die Folsäureeinnahme schwankte zwischen 0,2 und 5 mg pro Tag, bei Eisenpräparaten sogar zwischen 4 und 600 mg am Tag – das entspricht dem 150-fachen der abgefragten Minimaldosis. Alter, Bildungsgrad, ethnische Abstammung und Zahl der Schwangerschaften hatten dabei kaum Einfluss auf das generelle Supplementierungsverhalten der Frauen. Wohl aber eine gute Beratung: Über 40 % der Befragten gab ihren Gynäkologen als wichtigste Informationsquelle zum Thema Nahrungsergänzungsmittel an.

 

„Die Details stimmen nachdenklich – etwa bei der Einnahme von Folsäure, die Neuralrohrdefekte beim Ungeborenen verhindern kann“, so Prof. Hans Hauner. Zwar hatten über 85 % der befragten Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel Folsäure geschluckt. Allerdings war nur ein gutes Drittel der Empfehlung gefolgt, mindestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft mit einer 0,4 mg-Supplementierung pro Tag zu beginnen. Die Einnahme erfolgte also in vielen Fällen zu spät – dafür dann nicht selten zu hoch dosiert: Rund 8 % der Frauen nahmen mit über 1 mg täglich deutlich mehr Folsäure auf als empfohlen. Prof. Hauner: „Dies kann einen Vitamin B12-Mangel kaschieren und sollte daher vermieden werden.“ Beim Jod können die TUM-Forscher hingegen Entwarnung geben: Das Spurenelement, das für die Gehirnreifung beim Ungeborenen wichtig ist, wird von einem Viertel der Befragten schon vor der Schwangerschaft eingenommen, währenddessen sogar von fast vier Fünfteln.

 

Dafür scheint die Supplementierung mit Eisen – wichtig für die Sauerstoffversorgung des Fötus – viel zu hoch: „In der Untersuchungsgruppe nahmen rund zwei Drittel Eisenpräparate ein, dabei leidet nur etwa ein Drittel an einem Eisenmangel“, so Hauner. „Dieser unkritische Umgang mit Eisenpräparaten ist nicht nur unsinnig, sondern könnte dem Ungeborenen wegen der teilweise sehr hohen Dosen sogar schaden. Leider gibt es hierzu noch keine aussagekräftigen Studien.“ Außerdem zeigte sich, dass drei Viertel der befragten Schwangeren Magnesium substituierten und dass über 40 % Omega3-Fettsäuren einnahmen. Beides ist nach dem derzeitigen Stand der Forschung überflüssig bzw. wenig belegt – Magnesium wird nur in begründeten Einzelfällen vom Arzt empfohlen, Omega3-Fettsäuren tragen vielleicht zur Entwicklung kognitiver Fähigkeiten bei.

 

„In Anbetracht der unklaren Forschungslage zu Nebenwirkungen von überdosierten Supplementen gilt in der Schwangerschaft bei bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln womöglich: weniger ist mehr“, fasst Hauner die Ergebnisse zusammen. „Folsäure und Jod sollten Frauen mit Kinderwunsch jedoch unbedingt in der empfohlenen Dosis ergänzen.“ Aufgrund der Befragungsergebnisse sollten in Zukunft vertiefende Studien nicht nur zum Nutzen sondern auch zu den Risiken von Supplementen in der Schwangerschaft gemacht werden, fordert der TUM-Ernährungsmediziner.

 

 


Quelle: Technische Universität München, 17.01.2011 (tB).

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