»Unser Gesundheitssystem ist ein Nocebo für Schmerzpatienten«

 

Oberursel (21. Oktober 2013) – Erfahrungen, die Patienten mit Therapien machen, und Erwartungen, die Patienten an ihre Ärzte und Therapien haben, beeinflussen Behandlungsergebnisse in einem stärkeren Ausmaß als Ärzte bislang angenommen haben – im positiven wie im negativen Sinn. Auswirkungen hat dies insbesondere bei Patienten mit chronischen Schmerzen. »Die geringe Zuwendung, die diese Patienten erhalten, sowie die Vielzahl vergeblicher Behandlungsversuche wirken als Nocebo und spielen bei der Chronifizierung von Schmerzen eine große Rolle«, erklärte Dr. Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie bei den Südwestdeutschen Schmerztagen am 19. Oktober in Göppingen.

 

Eine positive Erwartung kann heilen und aus einem Wirkstoff-freien Scheinmedikament (Placebo) eine heilsame Arznei machen. Eine negative Erwartung kann dazu führen, dass ein wirksames Schmerzmittel nicht besser hilft als eine Zuckerpille (Nocebo-Effekt). »Erfahrungen, Erwartungen und Lernprozesse von Patienten beeinflussen jedes Therapie-Ergebnis«, resümmierte Professor Ulrike Bingel von der Universitätsklinik Essen ihre Forschungsergebnisse bei den Südwestdeutschen Schmerztagen am vergangenen Wochenende.

»Placebo- und Nocebo-Effekte haben«, so die Neurologin und Schmerzforscherin weiter, »ganz eindeutig ein neurobiologisches Korrelat.« Eine positive Erwartungshaltung aktiviert beispielsweise die körpereigene Schmerzhemmung und negative Erfahrungen und Erwartungen können Schmerzen verstärken und so die Wirksamkeit einer Behandlung schwächen. Darum sei eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patient und schnelle Strategiewechsel nach vergeblichen Therapieversuchen wichtig, um Nocebo-Effekte zu vermeiden, betonte Professor Bingel.

»Schmerzpatienten machen in unserem Gesundheitssystem jedoch andere Erfahrungen«, kritisiert Dr. Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. »Eine systembedingte sprachlose Drei-Minuten-Medizin und Monotherapien wirken bei Schmerzpatienten als Nocebo und gehören sicherlich zu den Hauptgründen fortschreitender Chronifizierungsprozesse.«

Eine hochkomplexe Erkrankung wie die Schmerzkrankheit bedarf einer komplexen Diagnostik und Therapie. Das belegt inzwischen eine Fülle von Forschungsergebnissen. So genannte multimodale Therapien, bei denen verschiedene medizinische und psychologische Strategien mit Bewegungstherapien kombiniert werden, sind Monotherapien überlegen, wie die Experten in Göppingen betonten.

Doch Spezialisten und Zentren, die solche Therapien anbieten, sind in Deutschland noch immer Mangelware: »Weder diese Spezialisten noch solche Zentren sind im System vorgesehen«, kritisiert Müller-Schwefe. »Damit sich die Versorgung der Patienten an deren Bedarf und nicht an falschen gesundheits- und standespolitischen Rahmenbedingungen orientiert, brauchen wir den Facharzt für Schmerzmedizin.«

Mehr Informationen zu diesen Themen gibt es in einem Interview mit Dr. Müller-Schwefe, das zum Anhören und Herunterladen auf der Website der Südwestdeutschen Schmerztage verfügbar ist.


http://www.schmerztag.org/Schmerztag_2013/presse.htm

 


 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie e.V., 21.10.2013 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…