Satellitensymposium im Rahmen des 17. Kongresses der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI-2017)

Wie würden Sie entscheiden? Roundtable zum souveränen Umgang mit Schmerz, Agitation und Delir

Leipzig (7. Dezember 2017) – Schmerz, Agitation und Delir sind tägliche Herausforderungen für Ärzte und Pflegepersonal auf der Intensivstation. Aufmerksamkeit und hohe Sorgfalt sind notwendig, um diese keineswegs nur isoliert auftretenden Symptome rechtzeitig zu erkennen und gezielt zu behandeln. Wie ein effektives PAD-Management gelingen kann, diskutierten namhafte Experten auf einem von ORION Pharma initiierten Roundtable im Rahmen des 17. Kongresses der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin in Leipzig. Rund 400 Teilnehmer diskutierten live vor Ort aktuelle Kasuistiken oder verfolgten die Veranstaltungen interaktiv per Live Stream im Internet. Dabei wurde deutlich, dass die konsequente Umsetzung der aktuellen Leitlinien-Empfehlungen, einen wachen, aufmerksamen und kooperativen Patienten bei einem RASS von 0 bis -1 mit in die Behandlung einzubinden, als wertvolle Basis für ein erfolgreiches Therapiemanagement gilt.

PAD-Management, also die Prävention, das Erkennen und die Therapie von Schmerz, Agitation und Delir, ist seit Einführung nationaler und internationaler Leitlinien-Empfehlungen ein essentieller Bestandteil zeitgemäßer Therapieregime auf Intensivstationen. Jeder Patient reagiert individuell, auch auf die unterschiedlichen Stressfaktoren. „Patienten mit Schmerzen sind häufig agitiert und können darüber hinaus auch ein Delir entwickeln“, erklärte PD Dr. Norbert Zoremba, Gütersloh. Alle drei Faktoren interagieren eng miteinander und können zudem von weiteren Einflüssen – wie beispielsweise Angst, Stress, gestörter Schlaf, eingeschränkte Kommunikation oder auch pflegerische Maßnahmen – negativ beeinflusst werden. Daher ist regelmäßiges Assessment jeder einzelnen Komponente mit einem validen Messinstrument unerlässlich, um eine individuelle Therapie einleiten zu können. „Ziel sollte ein wacher, aufmerksamer und kooperativer Patient bei einem RASS von 0 bis -1 sein, um diesen aktiv in die Behandlung einbeziehen zu können“, konstatierte Zoremba.

Der Weg zum Ziel – leitliniengerechtes PAD-Management

Wie wichtig diese Herangehensweise auch bei komplexen Sachverhalten sein kann, verdeutlichte Prof. Dr. Detlef Kindgen-Milles, Düsseldorf, anhand der Kasuistik einer 62-jährigen Patientin mit koronarer Herzerkrankung, mehreren Herzinfarkten und einer bekannten eingeschränkten linksventrikulären Funktion. Nachdem sie sich bereits mehrere Tage unwohl gefühlt hatte, rief ihr Ehemann nach Auftreten einer akuten Luftnot und einem thorakalen Engegefühl den Notarzt. Beim Eintreffen fand dieser die Patientin bewusstlos vor. Er stellte Kammerflimmern fest. Nach einer Standard-CPR über 15 Minuten wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Während des Transports musste sie mehrfach defibrilliert werden. Eine Koronarangiographie zeigte, dass sich keine neuen Stenosen gebildet hatten und alle Stents offen waren. Die linksventrikuläre Pumpfunktion war jedoch dramatisch reduziert und auch während der Untersuchung musste die Patientin mehrfach reanimiert werden.

Es stand die Frage im Raum, was als nächstes getan werden sollte. Dem innovativen Konzept der praxisnahen und praxisrelevanten Veranstaltungen Rechnung tragend wurden die Teilnehmer interaktiv eingebunden. Diese sprachen sich mittels online Voting überwiegend für den Einbau eines extrakorporalen Kreislaufunterstützungs­systems (ECLS) aus. Eine Entscheidung, die das Expertenpanel mittrug und auch bei der Patientin getroffen wurde. Nach Stabilisierung unter der Gabe von Katecholaminen wurde die Patientin auf die Intensivstation verlegt, wo dann das weitere Vorgehen bzgl. der Sedierung besprochen wurde. Die Teilnehmer waren der Meinung, dass vorerst eine Sedierung mit einem Narkotikum und einem Opioid erfolgen sollte. Da die Patientin immer noch hämodynamisch instabil war, wurde in diesem Fall auf ein Benzodiazepin in Verbindung mit einem Opioid zurückgegriffen und eine tiefe Sedierung mit einem RASS von -4/-5 angestrebt. In den folgenden Tagen stabilisierte sich die Patientin gut und es gab auch im CCT keinen Anhalt für ein schweres neurologisches Defizit. Allerdings konnte keine ausreichende Erholung der kardialen Pumpfunktion erzielt werden. Nach Rücksprache mit dem Ehemann, der seiner Frau einen guten Lebenswillen bescheinigte aber auch die Aussage tätigte, dass sie „nie an Apparate wollte“, entschieden sich die behandelnden Ärzte für einen Aufwachversuch. Nur so konnte die Neurologie exakt beurteilt und die Patientin nach ihrem persönlichen Willen befragt werden. Entsprechend wurde die Benzodiazepingabe gestoppt, die Opiate deutlich reduziert und zeitgleich mit der Gabe von Dexmedetomidin begonnen. Über drei Tage stieg der RASS von -5 auf -1 und die Patientin wurde wach und kooperativ. Unter ihrer aktiven Beteiligung konnte Zeit für eine weitere Stabilisierung gewonnen werden und letztendlich ein LVAD-System implementiert werden, mit dem sie nach sechs Wochen in die Reha entlassen werden konnte. „An diesem Beispiel sieht man, dass auch in komplexen Situationen ein wacher und aufmerksamer Patient möglich ist – wenn auch nicht immer und gleich von Beginn an“, so Kindgen-Milles. „Das ist schon allein deswegen notwendig, weil es die Prognose der Patienten deutlich verbessert. Und meiner Erfahrung nach ist dies mit einer angepassten Dosis von Dexmedetomidin in der Regel ohne ein Delir möglich.“

Delirprophylaxe beginnt nicht erst im OP

Diese Erfahrung bestätigte auch Dr. Rebecca von Haken, Heidelberg, die die Kasuistik eines 73-jährigen Mannes vorstellte, der sich einem großen Aorteneingriff unterziehen musste. Dieser hatte bei drei vorherigen Operationen schwerste Delire entwickelt und war entsprechend vorbelastet und ängstlich. Der Vorschlag der Teilnehmer, hier ein multimodales Präventionskonzept anzuwenden, entsprach auch dem Vorgehen der Expertin. Neben einem ausführlichen präoperativen Gespräch über den gesamten perioperativen Ablauf und der Aufforderung, ausreichend zu trinken, wurde auf die Prämedikation verzichtet und die perioperative Planung im Team genauestens besprochen. Im Sinne der Delirprophylaxe wurde dann die Narkose unter einem BIS-Monitor geführt und bereits perioperativ Dexmeditomidin kontinuierlich i.v. verabreicht. Tatsächlich entwickelte der Patient kein Delir und konnte nach der OP über die IMC bereits nach drei Tagen auf die Normalstation verlegt werden. „Die Delirprophylaxe beginnt bereits bei der Aufnahme des Patienten und sollte in einer perioperativen low-dose Dexmedetomidin-Gabe münden“, fasste von Haken ihre Ausführungen zusammen.

Alpha-2-Agonist Dexmedetomidin überzeugt

Die Experten waren sich einig, dass eine Delir-Prävention unabdingbare Basis für eine effektive Therapieführung darstellt. Zudem sollte die Zielvorgabe eines ruhigen und kooperativen Patienten mit einem RASS von 0 bis -1 angestrebt werden. Diese ist allerdings mit konventionellen Sedativa häufig nur schwer zu erreichen. Dexmedetomidin konnte hierbei in einer randomisierten Pilotstudie1 überzeugen: Die Patienten wurden entweder mit einem Dexmedetomidin-basierten Algorithmus therapiert oder erhielten eine Standardsedierung mit Propofol und/oder Midazolam. Die Patienten unter Dexmedetomidin befanden sich deutlich häufiger im idealen RASS als diejenigen unter der Standardsedierung. Diese Ergebnisse bestätigten die Beobachtungen in zwei großen Vergleichsstudien2: Sowohl im Gegensatz zu einer Therapie mit Propofol, als auch mit Midazolam konnte mit Dexmedetomidin ein signifikant höherer Patientenanteil den idealen RASS-Zielbereich von 0 bis -1 erreichen.

Der Alpha-2-Agonist Dexmedetomidin (dexdor®) beeinflusst demnach nicht nur die Vermeidung eines Delirs günstig, sondern unterstützt ein effektives PAD-Management. Es ermöglicht so eine deutlich einfachere Führung der Patienten in den von der S3-Leitlinie empfohlenen RASS-Zielbereich von 0 bis -1. Das Symposium kann unter www.dexdor.de oder www.stream.das-scoring.net noch einmal aufgerufen und nachverfolgt werden.

Quellen

  1. Shehabi Y et al. Early goal-directed sedation versus standard sedation in mechanically ventilated critically ill patients: a pilot study. Crit Care Med 2013; 41(8):1983-91.
  2. Jakob SM et al. Dexmedetomidine vs midazolam or propofol for sedation during prolonged mechanical ventilation: two randomized controlled trials. JAMA 2012; 307(11):1151-60.


Quelle: Orion Pharma, 11.01.2018 (tB).

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