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Schlaganfall-Rezidivprophylaxe bei offenem Foramen ovale mit ASS

 

Berlin (5. März 2021 – Relativ oft kann die Ursache eines Schlaganfalls nicht geklärt werden. Nicht selten haben diese Patienten als Zufallsbefund im Herzultraschall einen „Vorhofseptumdefekt“ bzw. persistierendes Foramen ovale (PFO), das zu paradoxen Embolien und somit zu Schlaganfällen prädisponieren kann. Eine Studie [1] zeigte nun, dass bei den Betroffenen zur Prophylaxe eines erneuten Schlaganfalls Acetylsalicylsäure/ASS genauso gut geeignet ist wie Antikoagulanzien.

Ein sogenanntes offenes (oder persistierendes) Foramen ovale (PFO) ist eine kleine Öffnung in der Scheidewand des rechten und linken Herzvorhofes (Vorhofseptum). Vorgeburtlich ist das Foramen ovale notwendig, damit das Blut nicht durch die Lunge fließt (die ja noch nicht arbeitet), sondern direkt vom venösen Gefäßsystem in das arterielle gepumpt wird. Meistens verschließt sich das Foramen nach der Geburt. Gelegentlich persistiert es aber auch und wird dann häufig zufällig entdeckt (als Herzgeräusch oder als Zufallsbefund bei einer Herzultraschalluntersuchung). Ein PFO bereitet normalerweise keine Beschwerden, kann aber zu Schlaganfällen prädisponieren, da kleine Blutgerinnsel (Thromben), die sich irgendwo im Venensystem (z. B. in den Beinen) unbemerkt bilden können, dann mit dem Blutstrom in Hirnarterien gelangen können. Dort kann ein solches Gerinnsel eine Hirnembolie (ischämischer Schlaganfall) auslösen. Wenn bei Schlaganfallpatientinnen und -patienten keine andere Emboliequelle gefunden wird („ESUS: embolic stroke of undetermined source“), kann ein PFO die Ursache sein.

Zur Prophylaxe erneuter Schlaganfälle kann ein PFO interventionell verschlossen werden. Dafür gibt es gute wissenschaftliche Evidenz [2]. Eine andere Möglichkeit ist eine medikamentöse, gerinnungshemmende Therapie. Diese kann mit Antikoagulanzien (direkte Hemmung plasmatischer Gerinnungsfaktoren bzw. deren Co-Faktoren) oder mit Hemmern der Blutplättchen (Thrombozytenaggregationshemmer, z. B. Acetylsalicylsäure/ASS) erfolgen. Dabei ist nach der bisherigen Datenlage bei Patienten mit ESUS und PFO die Antikoagulation gegenüber der Plättcheninhibition zu bevorzugen [3].

Um die Evidenzlage zu verbessern, analysierte eine aktuelle Studie [1] Daten einer präspezifizierten Subgruppe der „RE-SPECT ESUS“-Studie [4, 5]. Über 5.000 ESUS-Patienten (mit und ohne PFO) waren zu gleichen Teilen randomisiert worden und erhielten zur sekundären Schlaganfallprophylaxe entweder das direkte orale Antikoagulans Dabigatran (150 oder 110 mg zweimal täglich) oder täglich 1×100 mg ASS. Primärer Endpunkt war die Rate der Schlaganfall-Rezidive. Außerdem wurde die Rate ischämischer Schlaganfälle von Patienten mit versus ohne PFO erfasst.

Ein PFO war bei 680/5.388 Patienten (12,6%) vorhanden – bei 319/2694 in der Dabigatran-Gruppe, (11,8%) und bei 361/2694 (13,4%) in der ASS-Gruppe. In der PFO-Subgruppe war (gegenüber der Gruppe ohne PFO) das mittlere Alter niedriger und der Anteil an Patienten <60 Jahren größer. Die Patienten der PFO-Subgruppe hatten weniger schwere Schlaganfälle und weniger vorbestehende Schlaganfall-Risikofaktoren. Das Risiko für ein Schlaganfallrezidiv war in den Gruppen Dabigatran versus ASS (mit/ohne PFO) statistisch nicht signifikant unterschiedlich (ca. 3-5%). In der PFO-Subgruppe zeigte die Metaanalyse aller vorhandenen (einschließlich der neuen) Daten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede für das Antikoagulans versus ASS hinsichtlich des Risikos eines erneuten ischämischen Schlaganfalls (OR 0,7).

 

„Zusammenfassend bedeutet das, dass bei Schlaganfall-Patienten mit einem PFO die Antikoagulation nicht wirksamer war als ASS“, kommentiert DGN-Pressesprecher Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen. „Somit ist letztendlich auch die Empfehlung der Favorisierung von oralen Antikoagulanzien gegenüber der Plättchenhemmung zu überdenken; zumal ASS insgesamt weniger Nebenwirkungen hat und deutlich kostengünstiger ist.“

 

 

Literatur

[1] Diener HC, Chutinet A, Easton JD et al. Dabigatran or Aspirin After Embolic Stroke of Undetermined Source in Patients With Patent Foramen Ovale Results From RE-SPECT ESUS. Stroke 2021 Mar;52(3):1065-1068 . doi: 10.1161/STROKEAHA.120.031237. Epub 2021 Jan 28.

https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/STROKEAHA.120.031237

[2] Diener H.-C., Grau A., Baldus S. et al., Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale, S2eLeitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie

in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 04.03.2021) https://dgn.org/wp-content/uploads/2012/11/030142_LL_Kryptogener_Schlaganfall_2018.pdf

[3] Kuijpers T, Spencer FA, Siemieniuk RAC et al. Patent foramen ovale closure, antiplatelet therapy or anticoagulation therapy alone for management of cryptogenic stroke? A clinical practice guideline. BMJ 2018; 362: k2515

[4] Diener HC, Sacco RL, Easton JD et al. RE-SPECT ESUS Steering Committee and Investigators. Dabigatran for prevention of stroke after embolic stroke of undetermined source. N Engl J Med 2019; 380: 1906–1917

[5] Diener HC, Easton JD, Granger CB et al. RE-SPECT ESUS Investigators. Design of Randomized, Double-Blind, Evaluation in Secondary Stroke Prevention Comparing the Efficacy and Safety of the Oral Thrombin Inhibitor Dabigatran Etexilate vs. Acetylsalicylic Acid in Patients With Embolic Stroke of Undetermined Source (RE-SPECT ESUS). Int J Stroke 2015; 10: 1309–1312

 

 

 

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 10.000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

 

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN), 05.03.2021 (tB).

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