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Schmerzspuren im Gehirn sichtbar gemacht
Berlin (18. August 2008) – Migräne oder Reizdarm, ziehende Kreuzschmerzen oder ein pochender „Geisterzeh“ – obwohl sich chronische Schmerzen ganz unterschiedlich bemerkbar machen, scheinen sie doch eines gemeinsam zu haben: Sie alle hinterlassen im Gehirn denselben „Schmerzabdruck“. Neurowissenschaftler der Hamburger Uniklinik haben mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstmals alle vorliegenden Studien zusammengeführt, welche die schmerzverarbeitenden Hirnregionen von Patienten mit verschiedenen chronischen Schmerzsyndromen und Gesunden vergleichen. Dabei machten sie eine interessante Entdeckung. Egal wo es weh tut – bei Rückenschmerzen, Migräne, Spannungskopfschmerzen, Phantomschmerzen oder Reizdarmsyndrom finden sich immer dieselben Veränderungen in der Hirnstruktur. „Dies ist vielleicht die visuelle Darstellung des lange diskutierten Schmerzgedächtnisses“, erklärt Projektleiter Privatdozent Dr. Arne May. Experten nehmen an, dass ein solches Gedächtnissystem dafür verantwortlich ist, dass Schmerzen chronisch werden.
Substanzverlust in der Schmerzmatrix
Die graue Hirnsubstanz weist bei Patienten mit Chronischen oder wiederkehrenden Schmerzen in bestimmten Abschnitten des Gehirns ein anderes Muster auf als bei gesunden Kontrollpersonen. Diese Hirnregionen gehören zur sogenannten Schmerzmatrix und spielen vor allem bei der Verarbeitung von Schmerzen eine wichtige Rolle. Mit der voxelbasierten Morphometrie (VBM), einem dreidimensionalen Analyseverfahren, wiesen die Forscher einen Verlust der grauen Substanz in diesen Hirnarealen nach. Die graue Substanz setzt sich aus Nervenzellen zusammen – anders als die weiße Substanz, die aus Nervenfasern besteht. Der Verlust der „grauen Zellen“ könnte Ausdruck der gestörten Schmerzhemmung und -kontrolle bei chronischen Schmerzen sein. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass chronische Schmerzen das Gehirn verändern. Im komplexen System der Schmerzverarbeitung wirken Rezeptoren, elektrische Impulse, Botenstoffe und Hormone, aber auch Gefühle, Erinnerungen und Denkweisen zusammen.
Schmerzgedächtnis entdeckt?
„Möglicherweise repräsentieren diese Veränderungen das Schmerzgedächtnis“, sagt Schmerzspezialist May. Werden Nervenzellen ständig mit durch den Körper rasenden Schmerzimpulsen befeuert, reagieren sie jedes Mal heftiger. Das kann soweit gehen, dass die Nervenzelle spontan aktiv wird und ihrerseits pausenlos Signale abgibt – auch wenn gar keine Schmerzreize mehr ankommen. Ausgleichende schmerzhemmende Impulse, die bei Gesunden gegensteuern, fehlen. Die Schmerzen verselbstständigen sich. Dabei liegt es am Schmerzgedächtnis, dass der Schmerz nicht vergessen wird. Obwohl sich das verhobene Kreuz schon längst erholt hat, signalisiert das Gehirn weiterhin Rückenschmerz. Aus akuten Beschwerden entwickeln sich infolge der gestörten Schmerzregulation dauerhafte Schmerzzustände. Chronische Schmerzen sind eine eigenständige Krankheit. Sie sind äußerst hartnäckig und schwer zu behandeln.
Hirnveränderung: Ursache oder Folge der Schmerzen?
Eine wichtige Frage wollen die Wissenschaftler klären. Wer war zuerst da: der Schmerz oder die Hirnveränderung? Handelt es sich bei den abweichenden Strukturen um die Folge der chronischen Schmerzen oder sind sie womöglich die Ursache für die dauerhafte Pein? „Wenn die Veränderungen die Konsequenz und nicht der Grund für die Schmerzsyndrome sind, dann müssten sie nach der richtigen Behandlung verschwinden“, vermutet May. Unklar ist auch noch, was der Verlust der grauen Substanz auf mikroskopischer Ebene bedeutet – etwa Verkleinerung oder sogar Schwund der Nervenzellen oder eine verminderte Durchblutung dieser Regionen? In weiteren Studien wollen die Forscher die „grauen Zellen“ daher näher analysieren. May: „Wenn wir genauer wissen, woraus diese Hirnveränderungen bestehen und warum sie entstehen, könnten wir chronische Schmerzsyndrome besser verstehen und neue und effektivere Therapien entwickeln.“
Hintergrund: „Pixel3“ – Voxelbasierte Morphometrie
Moderne bildgebende Verfahren liefern Einblicke in Struktur und Aufbau des Gehirns, die früher nur durch die Untersuchung von Autopsiematerial verstorbener Patienten möglich waren. Die Morphometrie charakterisiert Objekte mithilfe von Maßzahlen. Das Wort setzt sich aus Morphologie (griech.: Lehre von der Gestalt, Form) und Metrik (griech.: Messung) zusammen. Neurowissenschaftler nutzen die Morphometrie, um Hirnstrukturen in der computer- oder kernspintomografischen Bildgebung quantitativ zu beschreiben. Dadurch lassen sich die Hirnstrukturen verschiedener Patienten statistisch miteinander vergleichen. Ein Computerprogramm überträgt dazu die Bilddaten in ein Referenz-Koordinatensystem und berechnet die Abweichungen. So lassen sich Strukturunterschiede des Gehirns – beispielsweise in der Größe, Form oder Textur – darstellen. Bei der voxelbasierten Morphometrie (VBM) werden so dreidimensionale Bilddaten ausgewertet. Ein Voxel ist die kleinste Volumeneinheit einer 3-D-Grafik und entspricht damit dem Pixel einer zweidimensionalen Rastergrafik.
Ansprechpartner
PD Dr. Arne May
Institut für Systemische Neurowissenschaften
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Tel.: 040 42803-9189
Fax: 040 42803-9955
E-Mail: a.may@uke.uni-hamburg.de
Quelle: Newsletter Nr. 39, August 2008, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (18.08.2008).