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Schutz vor tödlichen Blutgerinnseln nach Schlaganfall

Experten sind nicht überzeugt von der Druckluft-Beinmanschette

 

Berlin (15. August 2013) – Manche Schlaganfall-Patienten sterben nicht an den Folgen der Hirnschädigung, sondern an einer Lungenembolie, ausgelöst durch ein Blutgerinnsel aus den Beinvenen. Das Risiko könne einer aktuellen britischen Studie zufolge durch eine vorbeugende Thrombosebehandlung mit einer durch Druckluft gesteuerten Beinmanschette deutlich gesenkt werden. Die sogenannte intermittierende pneumatische Kompression (IPK) ist eine Wechseldruck-Massage an den Beinen.

Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) fordern jedoch weitere Studien, die die IPK mit dem Standard der Thrombosevorbeugung vergleichen: der Gabe von niedermolekularem Heparin (LMWH). Erst bei Nachweis eines Zusatznutzens zur Standardtherapie könne über den Einsatz der IPK nachgedacht werden.

 

Viele Patienten können in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall das Bett nicht verlassen. Aufgrund von Lähmungen, die oft eine gesamte Körperseite betreffen, kommt es zum Ausfall der „Muskelpumpe“ im Bein. Gemeint sind die spontanen Bewegungen der Beinmuskeln, die beim Gesunden den Transport des Blutes in den Venen fördern. Ohne Muskelpumpe kann der Blutfluss stocken. Dann bilden sich schnell Blutgerinnsel, die über die Körpervenen in die Lunge abdriften und dort die Blutbahnen verstopfen können. Die Patienten erleiden dann eine unter Umständen tödliche Lungenembolie.

Das Risiko einer Blutpfropfenbildung besteht vor allem bei schwer betroffenen Patienten. „Etwa einer von zehn bettlägerigen Schlaganfallpatienten erleidet in der Klinik eine tiefe Beinvenenthrombose“, berichtet Prof. Dr. med. Martin Grond, 1. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Die Gabe von Blutgerinnungshemmern sei eine Möglichkeit, diese Komplikation zu verhindern. Der Standard dafür ist niedermolekulares Heparin (Low Molecular Weight Heparine, LMWH).

Kompressionsstrümpfe, auch unter dem Namen Thrombosestrümpfe bekannt, haben sich als ineffektiv erwiesen, weil sie die Muskelpumpe nicht effektiv genug unterstützen, so der Schlaganfallexperte aus Siegen.

Interessante, jedoch zu hinterfragende Ergebnisse hat jetzt eine Studie aus Großbritannien mit 2876 Patienten (CLOTS 3-Studie) erbracht. Die Teilnehmer waren nach einem Schlaganfall weitgehend bettlägerig. Bei jedem zweiten der liegenden Patienten wurden die „Druckluft-Manschetten“ angelegt und die intermittierende pneumatische Kompression durchgeführt. In kurzen zeitlichen Abständen füllt eine Pumpe die Kissen von der Peripherie her mit Luft, die nach kurzer Zeit wieder entweicht. Der Wechsel von Druck und Entlastung, der so auf die Venen ausgeübt wird, soll die natürliche Muskelpumpe ersetzen. Die Vergleichsgruppe erhielt keine IPK, sondern eine „Routinebehandlung“, einige trugen klassische Thrombosestrümpfe, andere erhielten blutverdünnende Mittel. Nach sieben bis zehn Tagen und nach 25 bis 30 Tagen wurden alle Patienten mittels Ultraschall auf tiefe Venenthrombosen hin untersucht. Der Anteil der Patienten, die nach dem Schlaganfall eine Thrombose in den Beinvenen entwickelte, konnte mit IPK von 12,1 auf 8,5 Prozent gesenkt werden. Auch die Zahl der Lungenembolien war leicht von 2,4 auf 2,0 Prozent verringert, zugleich war die Gesamtsterberate in der IPK-Gruppe bezogen auf einen Zeitraum von sechs Monaten niedriger (13,2 versus 10,8 Prozent).

Das Studiendesign macht die deutschen Schlaganfallexperten jedoch skeptisch. Professor Dr. med. Joachim Röther, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), kommt zu dem Schluss, dass das neue Kompressionsverfahren auf der Basis der CLOTS 3-Studie nicht überzeugt. Der Experte von  der Asklepios Klinik Hamburg Altona kritisiert: „Nur 32 Prozent der Patienten der Kontrollgruppe wurden leitliniengerecht behandelt. Behandlungsstandard zur Vermeidung tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolien ist die Gabe von niedrig dosiertem unfraktioniertem Heparin oder von LMWH, also niedermolekularem Heparin.“ Das Studiendesign hätte IPS+LMWH versus LMWH lauten müssen. Der DSG-Pressesprecher ergänzt: „Eine neue Methode muss immer einen Zusatznutzen gegenüber dem Goldstandard zeigen, und das ist LMWH.“ Über die IPK als ergänzende Therapie bei der Thrombosevorbeugung für bettlägerige Schlaganfallpatienten kann also derzeit noch nicht nachgedacht werden. Vorher muss eine positive Vergleichsstudie durchgeführt werden.

 

 

Quellen

 

 


Quelle: Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), 15.08.2013 (tB).

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