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Streptokokken-Infektion
Unbekannte Rezeptormoleküle für Immunreaktion verantwortlich?
Wien, Österreich (18. Juli 2008) – Die Zellen des menschlichen Immunsystems erkennen das Bakterium Streptococcus pyogenes anders als man bisher allgemein annahm. Im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierten Projektes publizieren MikrobiologInnen der Universität Wien überraschende Ergebnisse der ersten Studie, die sich mit den Details der Immunantwort auf Streptokokken befasst.
Das Bakterium Streptococcus pyogenes verursacht beim Menschen eine Vielzahl von Erkrankungen wie z.B. Scharlach, Mandelentzündungen, Wundinfektionen, septischem Schock oder, als Spätfolge, rheumatischem Fieber und Nierenerkrankungen. Schwerwiegende Streptokokken-Infektionen haben meist eines gemeinsam: es kommt zu einer Überreaktion des Immunsystems, die oft schwer behandelbar ist und den Patienten sogar in Lebensgefahr bringen kann. Dringt der Erreger in den Körper ein, werden die sogenannten Fresszellen (Makro-phagen) des angeborenen Immunsystems aktiv. Als ersten Schritt muss allerdings ein Rezeptormolekül der Fresszelle das Bakterium erkennen, um eine Immunreaktion auszulösen.
Bisher ging man davon aus, dass die Rezeptormoleküle aus der Gruppe der Toll-like Rezeptoren (TLR) Streptokokken erkennen und das Signal zum Anschalten der Immunreaktion an ein zentrales Signalmolekül (MyD88) weitergeben. Die Forschungsgruppen von Pavel Kovarik und Emmanuelle Charpentier an den Max F. Perutz Laboratories am Campus Vienna Biocenter in Wien fanden nun jedoch heraus, dass keines der bisher bekannten TLR-Rezeptormoleküle für diesen ersten Schritt der Streptokokken-Erkennung verwendet wird. Wohl aber ist im zweiten Schritt der Immunsystem-Aktivierung das bereits bekannte Signalmolekül MyD88 beteiligt. In der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry" sind die Ergebnisse der ersten Studie, die sich mit den Details der zellulären Erkennungs-Mechanismen von Streptokokken beschäftigt nun nachzulesen.
"Es ist eine große Überraschung, dass nicht der bisher angenommene TLR2-Rezeptor bei Streptokokken-Infektionen zur Erkennung dient", sagt Pavel Kovarik, Immunbiologe der Universität Wien. "Auch keines der anderen Moleküle dieser Rezeptor-Familie kommt zum Einsatz, obwohl der zweite Schritt der Signalweiterleitung über MyD88 läuft. Wir begeben uns nun auf die spannende Suche nach einem noch gänzlich unbekannten Rezeptor", erläutert Kovarik die Pläne für das nächste Forschungsprojekt.
Bisher konnte man nicht erklären, warum gerade Infektionen mit Streptokokken besonders schwere Erkrankungen und Therapie-Komplikationen hervorrufen. Die Forscher vermuten, dass das noch unbekannte Rezeptormolekül der fehlende Puzzlestein zum Verständnis der menschlichen Immunantwort auf diesen Bakterienstamm ist.
Auf die Suche nach dem neuen Rezeptor will sich Pavel Kovarik gemeinsam mit seiner Kollegin Sylvia Knapp, Forscherin am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Fachärztin für Infektiologie am AKH Wien begeben. Auch die Beteiligung der Biotechnologie-Firma Intercell AG an diesem Projekt ist geplant. Das Ziel des Grundlagenforschers Kovarik und der klinischen Forscherin Knapp: das zentrale, noch unbekannte Molekül des Mechanismus der Streptokokken-Erkennung zu entschlüsseln und eine Substanz zu finden, die regulierend in die überschießende Reaktion der menschlichen Immunzellen eingreifen kann.
Originalpublikation: Gratz N, Siller M, Schaljo B, Pirzada ZA, Gattermeier I, Vojtek I, Kirschning CJ, Wagner H, Akira S, Charpentier E, Kovarik P. Group A Streptococcus Activates Type I Interferon Production and MyD88-dependent Signaling without Involvement of TLR2, TLR4, and TLR9. J Biol Chem. 2008 Jul 18;283(29):19879-19887.
Die Max F. Perutz Laboratories sind ein 2005 gegründetes Joint-Venture der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Campus Vienna Biocenter. Diese inter-universitäre Kooperation ist ein neuer und innovativer Ansatz um Forschung und Lehre an beiden Universitäten zu stärken. Am Institut in der Bohr-Gasse forschen 60 Arbeitsgruppen im Bereich Molekularbiologie. Seit 2007 leitet der Biochemiker Graham Warren das Institut.