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Studie liefert erstmals repräsentative Daten
Demenz stellt Krankenhäuser vor Herausforderungen
- 40 Prozent der älteren Patienten weisen kognitive Störungen auf, fast jeder Fünfte leidet an Demenz
- Experten sehen große Belastung für Klinikpersonal und raten zu besseren Betreuungsangeboten
- Ausschreibung des Förderprogramms „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“ startet ab sofort
Stuttgart (2. Juni 2016) – Mehr als 8 Millionen ältere Menschen werden in Deutschland jährlich stationär behandelt. Sie kommen mit Knochenbrüchen, Lungenentzündungen oder Harnwegsinfektionen ins Krankenhaus, benötigen aber häufig viel mehr als die übliche Behandlung: Insgesamt 40 Prozent aller über 65-jährigen Patienten in Allgemeinkrankenhäusern weisen kognitive Störungen auf, fast jeder Fünfte leidet an Demenz. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Robert Bosch Stiftung geförderte Studie „Demenz im Allgemeinkrankenhaus. Prävalenz und Versorgungssituation“ der Hochschule Mannheim und der Technischen Universität München. Die Studie, die heute in der Berliner Repräsentanz der Robert Bosch Stiftung vorgestellt wurde, liefert erstmals repräsentative Daten zu Anzahl, Verteilung und Versorgungsbedarf von stationären Patienten mit kognitiven Störungen.
„Die große Zahl an Patienten mit kognitiven Beeinträchtigungen stellt Krankenhäuser vor eine erhebliche Herausforderung, auf die derzeit weder das pflegerische noch das medizinische Personal vorbereitet ist“, sagt Prof. Dr. Martina Schäufele von der Fakultät für Sozialwesen der Hochschule Mannheim. „Studien haben zwar bereits belegt, dass ältere Menschen mit Demenz ein weit höheres Risiko haben, in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden, als Gleichaltrige ohne Demenz. Zu ihrer Anzahl gab es aber bisher keine belastbaren Daten“, so Schäufele. Für die Studie haben die Forscher über zwei Jahre rund 1.500 Patienten untersucht und die Versorgungssituation in über 30 Krankenhäusern beurteilt.
Große Belastung für Krankenhauspersonal
Die Studie belegt, dass Patienten mit Demenz besondere Anforderungen an das pflegerische und medizinische Personal stellen. Neben kognitiven Beeinträchtigungen zeigten nahezu 80% zusätzliche Verhaltenssymptome wie nächtliche Unruhe, Umtriebigkeit und Aggressivität, die den Umgang mit den Patienten erschweren. Insgesamt nimmt die Versorgung deutlich mehr Zeit in Anspruch und ist mit zahlreichen Problemen in Pflege und Therapie verbunden.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Diagnose bei gut zwei Drittel der Demenzkranken zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme nicht bekannt ist. Die Experten empfehlen deshalb entsprechende Untersuchungen. „Der bei der Studie eingesetzte kurze Screeningtest erkennt auch leichte dementielle Störungen zuverlässiger, als die üblicherweise von den Kliniken herangezogenen Verfahren“, erklärt Dr. Horst Bickel von der Arbeitsgruppe für Psychiatrische Epidemiologie der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Technischen Universität München. Das könne Krankenhäusern dabei helfen, Patientengruppen zu identifizieren, die besonders intensiver Betreuung und Pflege bedürfen. Umso leichter gelinge es, fachübergreifende Versorgungsschwerpunkte mit geschultem Personal einzurichten.
Spezielle Betreuungsangebote sind nur selten vorhanden
Spezielle Betreuungsangebote haben die Forscher bei ihren Untersuchungen nur selten vorgefunden. Auch Pflege- und Betreuungskräfte mit spezieller Ausbildung sind aktuell die Ausnahme. Entsprechende Schulungen und Weiterbildungen zum Thema Demenz fehlen in den meisten Fällen.
„Die Studie unterstreicht die Dringlichkeit des Problems, mit dem sich Krankenhäuser in Deutschland bereits seit einigen Jahren konfrontiert sehen“, sagt Dr. Bernadette Klapper, Leiterin des Bereichs Gesundheit der Robert Bosch Stiftung. „Die stationären Aufenthalte sind auch für die Patienten eine Herausforderung. Die fremde Umgebung und die unbekannten Abläufe können die Symptome der Demenz verschärfen und zu zusätzlichen Gesundheitsrisiken führen. Mit den jetzt vorliegenden Daten haben Krankenhäuser endlich eine Planungsgrundlage, um die Versorgung von Patienten mit Demenz zu verbessern.“
Bereits 2012 hatte sich etwa jedes zehnte Krankenhaus in Deutschland für das Pilotprogramm "Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus" der Robert Bosch Stiftung beworben. Seitdem fördert die Stiftung zwölf Krankenhäuser in ganz Deutschland, die vorbildliche Konzepte für Patienten mit der Nebendiagnose Demenz in der Praxis umsetzen. Die dritte Ausschreibungsrunde des Förderprogramms startet ab sofort.
Die Robert Bosch Stiftung gehört zu den großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa. Sie investiert jährlich rund siebzig Millionen Euro in die Förderung von ca. 800 eigenen und fremden Projekten aus den Gebieten der Völkerverständigung, Bildung, Gesellschaft und Kultur sowie Gesundheit und Wissenschaft. Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung 1964 mehr als 1,2 Milliarden Euro für ihre gemeinnützige Arbeit eingesetzt.
Die Robert Bosch Stiftung setzt die gemeinnützigen Ziele des Firmengründers und Stifters Robert Bosch (1861-1942) fort. Sie hält rund 92 Prozent der Geschäftsanteile an der Robert Bosch GmbH und finanziert sich aus den Dividenden, die sie aus dieser Beteiligung erhält. Die Stiftung hat ihren Sitz im ehemaligen Stuttgarter Wohnhaus von Robert Bosch. Dort und in ihrer Berliner Repräsentanz beschäftigt sie rund 140 Mitarbeiter.
Weitere Informationen
- http://www.bosch-stiftung.de/demenz_im_Krankenhaus – Zusammenfassung der Studie und Informationen zum Förderprogramm
Quelle: Robert Bosch Stiftung, 02.06.2016 (tB).