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Symposium „Antibiotikaresistente Erreger – Neue Hygienestrategien entlang der Patient Journey“
Hygiene gegen multiresistente Erreger – alles bleibt anders
Berlin (17. November 2016) – Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Von der Patient Journey, die jeder Patient von der Aufnahme bis zur Entlassung im Krankenhaus erlebt, sollte nur eines in Erinnerung bleiben: der Heilungserfolg. Stattdessen erzählen die jährlich zwischen 400.000 und 600.000 Patienten, die im Laufe ihres Krankenhausaufenthaltes in Deutschland eine Infektion erwerben, eine ganz andere Geschichte.
Täglich sterben in Deutschland vier bis zwölf Menschen an einer vermeidbaren nosokomialen Infektion. Besonders hoch ist das Mortalitätsrisiko, wenn multiresistente Erreger (MRE) im Spiel sind. Bei jährlich etwa 30.000 bis 35.000 Patienten wird eine Infektion durch diese Keime ausgelöst, die mehrfach gegen Antibiotika resistent sind. Dabei steigt das Spektrum resistenter Problemkeime immer weiter an, die Therapiemöglichkeiten dagegen schwinden.
Wo liegen im Laufe eines Krankenhausaufenthaltes die häufigsten Infektionsrisiken für Patienten? Aktuellen Zahlen zufolge sind postoperative Wundinfektionen mit einem Anteil von 24,3 % die häufigsten nosokomialen Infektionen, gefolgt von Harnwegsinfektionen mit 23,2 %, unteren Atemwegsinfektionen mit 21,7 %, hinzu kommen Blutstrominfektionen bzw. primäre Sepsen mit 5,7 %.
Verbesserte Prozesse entlang der Patient Journey
Ausgehend von diesen Daten hat das BODE SCIENCE CENTER wichtige Pflegemaßnahmen entlang der Patient Journey identifiziert, bei denen Hygienefehler zu eben diesen nosokomialen Infektionen führen können. Für die häufigsten dieser Pflegemaßnahmen wurden Standardarbeitsprozesse (SOPs) entwickelt, die alle infektionsrelevanten Schritte der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Händehygiene zu.
Die neuen SOPs erfinden zwar die Hygiene nicht neu, bieten aber mit ihrer ganzheitlichen Betrachtung eine bessere Umsetzbarkeit in der Praxis und fokussieren sich zudem auf aseptische Tätigkeiten, bei denen das Infektionsrisiko allgemein hoch und die Compliance besonders niedrig ist.
Im Falle multiresistenter Erreger profitieren Patienten und auch Krankenhäuser gleich doppelt von Hygienemaßnahmen: Vermiedene Infektionen verringern den Einsatz von Antibiotika. Jede eingesparte Antibiotikatherapie reduziert den Selektionsdruck und damit weitere Resistenzbildung.
Konkret geht es bei den neuen Hygieneprozessen um häufige Tätigkeiten entlang der Patient Journey, wie dem Legen peripherer venöser Zugänge und Harnwegskatheter, dem postoperativen Wechsel von Wundverbänden und dem Umgang mit Beatmungspatienten. Immerhin erhält jeder sechste Patient während seines Krankenhausaufenthaltes einen Blasenverweilkatheter und wird jeder dritte Intensivpatient mechanisch beatmet – hygienisch optimierte Prozesse können hier die Infektionen mit allen nosokomialen Erregern senken.
Für die Optimierung der Pflegemaßnahmen hat das BODE SCIENCE CENTER die jeweiligen Tätigkeiten beobachtet und in einzelne Arbeitsschritte gegliedert. Alle infektionskritischen Handlungen wurden auf Evidenz geprüft und dann mit den anderen Arbeitsschritten in eine logische, für den Mitarbeiter gut nachvollziehbare Reihenfolge gebracht. Die Etablierung der SOPs als Standard erfolgt mit einem multimodalen Interventions-Paket, das Checklisten, E-Learnings, Präsenzschulungen und E-Health-Applikationen umfasst.
Dass optimierte Workflows die Compliance bei der Hygiene und insbesondere bei der Händehygiene erheblich steigern können, zeigen aktuelle Studien. Bei Blutentnahmen und Verbandwechsel führte die Einführung von SOPs zu einer Steigerung der Händehygiene von 65 % auf 97 %. Bei der Händedesinfektion vor aseptischen Tätigkeiten konnte die Compliance verdoppelt werden. Und nicht nur die Händehygiene verbessert sich durch hygienisch optimierte Prozesse: In einer Studie erhöhte sich die für den Infektionsschutz wichtige Verwendung einer sterilen Abdeckung der Punktionsstelle von 25 % auf 73 %.
Positive Resonanz zu den SOPs kommt auch von der Pilotklinik St. Nikolaus-Stiftshospital GmbH, Andernach. Nur wenige Monate nach Einführung der SOP zum Wundverbandwechsel auf verschiedenen Stationen, stieg die Bereitschaft zur Einhaltung aller hygienerelevanten Schritte beim aseptischen Verbandwechsel von 75 % auf 88 %.
MRE-Infektionen besonders schwerwiegend
Hygienisch sichere Prozesse schützen vor allen Infektionen – unabhängig vom Erregertyp. Noch treten Infektionen mit resistenten Erregern seltener auf, als mit antibiotikasensiblen Erregern. Doch Krankheitslast und Sterblichkeitsrisiko sind bei vielen MRE-Infektionen ungleich erhöht. Infektionen durch MRSA (Methicilinresistente Staphylococcus aureus) beispielsweise führen zu einer um 64 % höheren Sterblichkeit als wenn die Infektion „nur“ durch antibiotikasensible Bakterien ausgelöst wird. Ein neues Problem bereiten die mehrfach resistenten Gram-negativen Erreger. Bei Blutstrominfektionen erhöhen diese zum Beispiel die Sterblichkeit um das 3-6 fache.
Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Erregern betreffen keinesfalls nur ältere Menschen oder Patienten mit Grunderkrankungen. Dies zeigt eindrücklich der Fall einer jungen Polizistin, die sich infolge einer Knieoperation mit MRSA infizierte und fast ihr Bein verloren hätte. Der behandelnde Arzt der Berliner Charité führte eine gezielte Diagnostik der involvierten Keime und eine spezifische Antibiotikatherapie durch und konnte die Infektion wirksam bekämpfen.
Ein rationaler Antibiotika-Einsatz und die Entwicklung neuer Arzneimittel sind neben Hygienemaßnahmen zweifellos wichtige Elemente der Strategie gegen MRE in Krankenhäusern. Eine konsequente Hygiene ist jedoch die Maßnahme mit sofortigem Impact auf den Patientenschutz. Ihre Rolle auch im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sollte daher stärker beachtet und unterstützt werden.
Anmerkung
- * Alle Vorträge wurden auf dem Mittags-Symposium „Antibiotikaresistente Erreger: Neue Hygienestrategien entlang der Patient Journey“, Berlin, 17. November 2016 gehalten. Veranstaltet vom BODE SCIENCE CENTER, Hamburg, wissenschaftliches Kompetenzzentrum der PAUL HARTMANN AG, Heidenheim.
Abbildungen
Quellen (in alphabetischer Reihenfolge)
- Becker C. (17.11.2016). Wie ein Dominoeffekt – was bessere Hygiene-Prozesse bewirken können.*
- Deutsche Nationale Punkt-Prävalenzstudie zu nosokomialen Infektionen und Antibiotika-Anwendung 2011 Abschlussbericht.
- Frank U. (17.11.2016) Post-antibiotische Ära – schon Realität in Deutschlands Kliniken.*
- Gastmeier P et al. Wie viele nosokomiale Infektionen sind vermeidbar? DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135 (3): S. 91-93.
- Kampf G et al. Improving patient safety during insertion of peripheral venous catheters: an observational intervention study. GMS Hygiene and Infection Control 2013; 8(2).
- Mallwitz H (17.11.2016). Ganz nah dran – Hygiene entlang der Patient Journey.*
- Robert Koch-Institut. FAQ Antibiotikaresistenzen. 2016.
- Scheithauer S et al. Improving hand hygiene compliance rates in the haemodialysis setting: more than just more hand rubs. Nephrol Dial Transplant (2012) 27: 766–770.
- Son C et al. Practically speaking: Rethinking hand hygiene improvement programs in health care settings. American Journal of Infection Control. 2011; 39(9):716-24.
Download
BSC_Symposium-2016_Kurzprofil_BODE_SCIENCE_CENTER.pdf (294.99 KB) – Das BODE SCIENCE CENTER
Quelle: BODE SCIENCE CENTER, 17.11.2016 (tB).