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Systemfehler bei Transplantationen

Konkurrenzdruck und schlechte Organverteilung

 

München (23. April 2013) – Der Skandal um gefälschte Laborwerte bei Lebertransplantationen ist für den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Karl-Walter Jauch, nicht zuletzt auch zurückzuführen auf „Systemfehler“ in der deutschen Transplantationsmedizin. Dies betont Jauch im Vorfeld des 130. Chirurgenkongresses. Insbesondere sei die Konkurrenz um Organe zwischen den Kliniken in Deutschland zu hoch. Der DGCH-Vorsitzende fordert daher, die Zahl der Kliniken von 47 auf sechs übergeordnete Zentren zu verringern.

 

Kriminelles Verhalten von Ärzten ist für Professor Dr. med. h. c. Karl-Walter Jauch nicht zu entschuldigen. Der Direktor der Chirurgischen Klinik am Campus Großhadern der Universität München (LMU) ist aber überzeugt, dass „gewisse Rahmenbedingungen ein Fehlverhalten von Medizinern in der Transplantationsmedizin begünstigen“. Er nennt drei Kritikpunkte. Zum einen sei der Konkurrenzdruck zwischen den Transplantationszentren in Deutschland teilweise erdrückend. Die Folge ist ein Verteilungskampf um knappe Organe. Um als Klinik möglichst viele davon zu erhalten, würden auch Patienten auf der Warteliste angemeldet, die selbst mit neuer Leber schlechte Überlebensaussichten haben. Den höchsten Konkurrenzdruck gibt es laut Professor Jauch in Bayern, mit vier Transplantationszentren für zehn Millionen Einwohner . In Baden-Württemberg seien es für zehn Millionen Menschen zwei Zentren, in Großbritannien und den USA weniger. „Wir müssen die Zahl von 47 Transplantationszentren in Deutschland auf sechs übergeordnete Zentren mit einem Netzwerk assoziierter Organzentren reduzieren“, fordert der Präsident des 130. Chirurgenkongresses.

 

Einen zweiten Systemfehler sieht der Transplantationsmediziner in der Organverteilung auf die Patienten. Im Jahr 2006 hat Deutschland aus den USA den sogenannten „MELD−Score“ übernommen: Anhand von drei Laborwerten lassen sich damit die Überlebenschancen der Patienten nach einer Lebertransplantation bewerten. Aus einem Instrument, dass den Zustand des Patienten anzeigt, habe Deutschland jedoch das „sickest first“-Prinzip gemacht: Patienten mit hohem MELD-Score würden bevorzugt, obwohl die Überlebenschancen bei diesen schwer kranken Menschen am geringsten sind. Chirurg Jauch sieht darin einen folgenschwerer Fehler. In Deutschland würden ein Jahr nach der Lebertransplantation noch 75 Prozent der Patienten leben, in den USA, Kanada und Großbritannien seien es über 90 Prozent. Professor Jauch: „Diese Zahlen sind weder international zu rechtfertigen, noch werden sie den Erwartungen von Spendern und deren Familien gerecht, die auf einen sinnvollen Einsatz der Organe hoffen.“

 

Der dritte Punkt betrifft eine aus Sicht des Experten mangelnde Professionalität in der Transplantationsmedizin. Das Fachgebiet sei heute nur ein Zwischenschritt in der beruflichen Laufbahn, ein „temporärer Karrierebeschleuniger auf dem Weg zum Professor oder zum Chefarzt“. Darunter leiden nach Erfahrung des DGCH-Präsidenten „professionelle Werte wie Redlichkeit, Verlässlichkeit, Transparenz und Menschenfreundlichkeit“. Wie in anderen chirurgischen Bereichen könnte ein dreijähriges Ausbildungskonzept die Qualität in der Transplantationsmedizin sichern.

 

Neben mehr Transparenz in der Qualifikation eines Transplantationszentrums fordert Professor Jauch eine Form der Organvergabe, die auch die Erfolgsaussichten der Transplantation berücksichtigt. Davon abgesehen müsse aber ein Fehlverhalten von Ärzten persönliche Konsequenzen haben. „Auch wenn am Ende die groteskesten Betrugsfälle keine strafrechtliche Relevanz haben werden, sollten sie doch zumindest standesrechtlich geahndet werden“, fordert Professor Jauch: „Ein darüber Hinwegsehen ist nicht vertretbar, würde zu Recht in der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen und der ärztlichen Selbstverwaltung als Makel anhaften.“

 

 


Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), 23.04.2013 (tB).

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