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Therapie der Gluten-/Weizensensitivität
Neue Daten zur Veränderung des Mikrobioms unter Low-FODMAP- und glutenfreier Ernährung
München (13. September 2018) – Der Personenkreis, der nach dem Verzehr von Getreide- und speziell Weizenhaltigen Produkten klinische Beschwerden aufweist, steigt in den letzten Jahren kontinuierlich an. Bei bestimmten gastrointestinalen Erkrankungen werden ungünstige Veränderungen des intestinalen Mikrobioms beobachtet. Eine neue Studie belegt nun, dass eine Ernährung, die auf Gluten und FODMAPs verzichtet, bei Patienten mit Gluten-/Weizensensitivität zu einer optimierten Zusammensetzung des Mikrobioms und zu einer Besserung der Symptomatik führen kann. Ergebnisse dieser Studie wurden auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) diskutiert. Auch beim Reizdarm-Syndrom können mit diesen diätetischen Maßnahmen gute Erfolge erzielt werden.
Unverträglichkeiten gegenüber Getreide-Produkten nehmen in den letzten Jahren zu. Neben der Zöliakie, bei der es durch den Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel zu einer entzündlichen Immunreaktion mit Zerstörung der Dünndarmmukosa kommt, gibt es die Gluten-/Weizensensitivität, bei der Patienten auf glutenhaltige Nahrung mit gastrointestinalen Beschwerden und auch extraintestinalen Symptomen reagieren. Auch wenn bei ihnen die Entzündung weniger stark ausgeprägt ist und die Symptome nicht ganz so schwerwiegend sind wie bei der Zöliakie, sind diese Patienten in ihrer Lebensqualität oft erheblich eingeschränkt. Die Genese dieser Erkrankung ist noch unklar, es gibt aber Hinweise darauf, dass das Mikrobiom bei den betroffenen Patienten häufig verändert ist und dass diese Dysbiose mit der Symptomatik in Zusammenhang stehen könnte, erklärte Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Professorin für Klinische und Experimentelle Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen.
Ungünstige Zusammensetzung des Mikrobioms bei Gluten-/Weizensensitivität
In einer von Zopf vorgestellten Studie der Universität Erlangen1 wurde kürzlich untersucht, wie sich das Mikrobiom von Patienten mit diagnostizierter Gluten-/Weizensensitivität von dem gesunder Menschen unterscheidet und wie sich eine gluten- bzw. FODMAP-reduzierte Diät (fermentierbare Oligo-, DiMonosaccharide und Polyole) auf die Zusammensetzung der Darmflora und das Beschwerdebild auswirkt. Dazu wurden bei 19 Patienten mit Gluten-/Weizensensitivität und 10 gesunden Probanden Stuhlproben verglichen. Die Studienteilnehmer befolgten zunächst für zwei Wochen eine FODMAPreduzierte Diät und anschließend eine glutenfreie Diät für weitere zwei Wochen. In einem Beschwerdeprotokoll hielten die Teilnehmer auftretende Symptome fest. Zu Studienbeginn wurde ein deutlicher Unterschied zwischen den Microbiota von Patienten und gesunden Kontrollen festgestellt, berichtete Zopf, die Co-Autorin der Studie ist:
„Insgesamt zeigten sich Unterschiede zwischen dem Mikrobiom der Patienten und der Kontrollen. Die Patienten zeigten ein erhöhtes Vorkommen der Bakterienstämme Firmicutes sowie einen verringerten Anteil an Bacteroidetes. Insgesamt wiesen die Patienten eine weniger stabile Darmflora auf als die Kontrollen.“ Während sich unter den zweiwöchigen Diäten bei den Gesunden weniger Veränderungen der Microbiota zeigten, kam es bei den Patienten zu einer stärkeren Verschiebung der Bakterienzusammensetzung auf Genusebene. Gleichzeitig kam es zu einem deutlichen Rückgang der Entzündungszellen in der Darmschleimhaut und das Beschwerdebild der Patienten verbesserte sich durch die Diäten. So kam es bereits unter der FODMAP-reduzierten Ernährung zu einem Rückgang der gastrointestinalen Beschwerden und zu einer Besserung des psychischen Wohlbefindens. Diese Verbesserungen verstärkten sich weiter unter der glutenfreien Diät. „Die Diäten hatten bei den Patienten mit Gluten-/Weizensensitivität eine positive Wirkung auf die klinische Symptomatik und bewirkten eine deutliche Veränderung der Microbiota“, fasste Zopf zusammen. Inwieweit die veränderte mikrobielle Zusammensetzung ursächlich an der Erkrankung beteiligt ist oder diese negativ beeinflussen kann, muss laut Zopf noch weiter untersucht werden. Als geeignetes Vorgehen bei Gluten-/Weizensensitivtät empfahl die Expertin einen Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel für 6-8 Wochen und nach dieser Phase eine schrittweise Zufuhr geringer Mengen glutenhaltiger Nahrungsmittel bis zur individuellen Toleranzschwelle.
Reizdarm: Besserung unter low-FODMAP-Diät
Auch bei Patienten mit Reizdarmsyndrom wird häufig eine Dysbiose beobachtet. Für die Entstehung der Beschwerden ist das mukosale Mikrobiom möglicherweise relevanter als das Darm-Mikrobiom, erläuterte Prof. Dr. Martin Storr, Gastroenterologe in Gauting. Einzelne Bakterienstämme gezielt zu therapieren ist allerdings schwierig, so der Experte. Mit diätetischen Maßnahmen sei jedoch eine verbesserte Zusammensetzung der Flora und in der Folge eine Besserung der Reizdarm-Symptomatik erreichbar. Seit einigen Jahren werden beim Management des Reizdarms gute Erfahrungen mit einer FODMAP-reduzierten Diät gemacht. FODMAPs – schwer verdauliche Kohlenhydrate – werden im Colon von der Darmflora aufgenommen und fermentiert, wodurch es zu einer vermehrten Gasbildung und Wasserbindung im Darmlumen kommt. Bei empfindlichen Menschen führt dies zu Beschwerden wie Blähungen und einer Veränderung von Stuhlvolumen und -konsistenz. Ein Verzicht auf FODMAPs bei der Ernährung kann das Mikrobiom modifizieren und die Gasproduktion vermindern, so Storr. Dabei werden für 6-8 Wochen FODMAP-haltige Lebensmittel gemieden. Bei einem Großteil der Patienten führt dies zu einem deutlichen Rückgang ihrer Beschwerden. In diesem Fall können nach der Karenzphase einzelne FODMAP-haltige Nahrungsmittel nach und nach in geringen Mengen wieder in die Ernährung eingeführt werden. „Sinnvoll ist, bei der FODMAP-Diät eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen“, empfahl Storr. „Eine Mangelernährung ist allerdings nicht zu befürchten, da bei dieser Diätform alle relevanten Nährstoffkomponenten weiterhin enthalten sind.“
Glutensensitivität als mögliche Reizdarm-Ursache
Storr wies darauf hin, dass ein Teil der Patienten mit Verdacht auf eine Reizdarm-Erkrankung eher an einer Gluten-/Weizensensitivität leiden. Durch einen Gluten-Belastungstest ließe sich dies prüfen. Charakteristisch bei Patienten mit einer Gluten-/Weizensensitivität sei, dass neben gastrointestinalen häufig auch extraintestinale Beschwerden wie Müdigkeit und Kopfschmerzen hinzukommen. Die betroffenen Patienten profitieren laut Storr von einer glutenarmen Ernährung, unter der es zu einer deutlichen Besserung der gastrointestinalen als auch der extraintestinalen Beschwerden kommt. Bis der Effekt eintritt, kann es allerdings mehrere Wochen dauern. Wenn beim Reizdarmsyndrom allgemeine Empfehlungen einer ausgewogenen Ernährung und die Zufuhr von wasserlöslichen Ballaststoffen nicht ausreichen, rät Storr zu einer FODMAP-reduzierten Diät. Bleibt der Erfolg aus, sollte bei Verdacht auf eine Gluten-/Weizensensitivität der Versuch einer glutenarmen Diät getestet werden. „Die ernährungstherapeutischen Konzepte bieten eine hohe Erfolgschance, ihr Effekt hält lang an und sie kommen den Wünschen der Patienten entgegen“, so Storr.
Weiterführende Informationen
Literaturverweis
1 Dieterich W. et al., Clinical Nutrition (2018), https://doi.org/10.1016/j.clnu.2018.03.017.
Quelle: Pressegespräch anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), München, 13. September 2018 – Veranstalter: Dr. Schär (tB).