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Keine relevanten Studien und keine validen Daten aus anderen Quellen vorgelegt

Turoctocog alfa bei Hämophilie A: Zusatznutzen nicht belegt

 

Köln (15. April 2014) – Turoctocog alfa (Handelsname NovoEight) ist seit November 2013 zur Behandlung und Vorbeugung von Blutungen bei Patienten mit Hämophilie A zugelassen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat mit einer frühen Nutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) überprüft, ob dieser neue Wirkstoff gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie einen Zusatznutzen bietet.

 

Demnach ist ein Zusatznutzen von Turoctocog alfa nicht belegt: Weil es keine relevante Studie zum Vergleich mit der zweckmäßigen Vergleichstherapie gibt, stützt sich der Hersteller auf eigene Überlegungen und Annahmen, denen jedoch eine valide Datenbasis fehlt.

 

 

Andere Blutgerinnungsfaktoren VIII als Vergleichstherapie

 

Der Mangel an Blutgerinnungsfaktor VIII wird vererbt und ist an das X-Chromosom gebunden. So kommt Hämophilie A („Bluterkrankheit“) fast ausschließlich bei Männern vor, weil sie in ihrem Erbgut nur über ein X-Chromosom verfügen. Die gestörte Blutgerinnung führt spontan oder infolge von Verletzungen zu starken Blutungen in Gelenken, Muskeln und inneren Organen. Turoctocog alfa wird biotechnologisch hergestellt (rekombinant) und soll den Mangel an Blutgerinnungsfaktor ausgleichen, also die Blutungsneigung senken. Der Wirkstoff muss bei einer prophylaktischen Behandlung alle zwei bis drei Tage intravenös gespritzt werden.

 

Als zweckmäßige Vergleichstherapie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) biotechnologisch hergestellte oder aus humanem Plasma gewonnene Blutgerinnungsfaktor-VIII-Präparate festgelegt.

 

 

Markteinführung belegt keinen Zusatznutzen

 

Der Hersteller wählt aus den verschiedenen Möglichkeiten den Blutgerinnungsfaktor VIII Octocog alfa zum Vergleich aus, schränkt aber seine Auswahl auf ein einzelnes Präparat der dritten Generation von Octocog alfa (Advate) ein. Diese Einschränkung entspricht nicht der vom G-BA festgelegten Vergleichstherapie, denn nach dessen Vorgaben müssten für einen vollständigen Vergleich alle Präparate mit dem Wirkstoff Octocog alfa berücksichtigt werden.

 

Aber selbst für den von ihm selbst gewählten Vergleich legt der Hersteller keine relevanten Studien vor. Stattdessen stützt er seine Nutzenbewertung auf grundsätzliche Überlegungen und Annahmen, die auf verschiedenen Publikationen und Statistiken basieren.

 

So ergeben sich aus Herstellersicht bereits durch die Markteinführung von Turoctocog alfa eine „Verbesserung der Versorgungssicherheit“ und eine „verbesserte Integration von Hämophilie-Patienten in ein normales soziales Leben“. Allein aus dem Marktzugang lässt sich aber kein Zusatznutzen ableiten.

 

 

Medizinische Relevanz für Patienten unklar

 

Gegenüber Octocog alfa der dritten Generation beansprucht der Hersteller einen Vorteil für Turoctocog alfa, weil der neue Wirkstoff vorübergehend bei höheren Temperaturen (bis zu 30 °C) gelagert werden könne als Octocog alfa (25 °C). Insbesondere während der Sommermonate und bei Reisen in wärmere Länder sei dies vorteilhaft und ermögliche daher eine „verbesserte Integration von Hämophilie-Patienten in ein normales soziales Leben“.

 

Ob dieser Unterschied bei der Lagerungsfähigkeit für Patienten eine medizinische Relevanz hat, muss jedoch in Studien untersucht und belegt werden. Das Hersteller-Dossier liefert solche Daten nicht.

 

Die Überlegungen des Herstellers sind daher insgesamt nicht geeignet, um patientenrelevante Effekte zum Nutzen und Schaden von Turoctocog alfa gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie abzuschätzen. Deshalb ist ein Zusatznutzen des neuen Wirkstoffs nicht belegt.

 

 

G-BA beschließt über Ausmaß des Zusatznutzens

 

Die Dossierbewertung ist Teil des Gesamtverfahrens zur frühen Nutzenbewertung, das der G-BA leitet. Nach der Publikation von Herstellerdossier und Dossierbewertung führt der G-BA ein Stellungnahmeverfahren durch, das ergänzende Informationen liefern und in der Folge zu einer veränderten Nutzenbewertung führen kann. Der G-BA trifft einen Beschluss über das Ausmaß des Zusatznutzens, der die frühe Nutzenbewertung abschließt.

 

Einen Überblick über die Ergebnisse der Nutzenbewertung des IQWiG gibt eine Kurzfassung. Auf der vom IQWiG herausgegebenen Website Gesundheitsinformation.de finden Sie zudem eine allgemeinverständliche Kurzinformation.

 

Auf der Website des G-BA sind sowohl allgemeine Informationen zur Nutzenbewertung nach §35a SGB V als auch zur Bewertung von Turoctocog alfa zu finden.

 

 

Weiterführende Informationen des IQWiG

 

 

 

Weiterführende Informationen des G-BA

 

 


 

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 15.04.2014 (tB).

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