Unstatistik des Monats

Fehlende Informationen zu Nutzen und Schaden des Brustkrebs-Screenings

 

Essen (4. November 2013) – Die Unstatistik des „Brustkrebsmonats“ Oktober ist anders als üblich: es geht dieses Mal um Statistiken, die nicht berichtet wurden. Berichtet wurde, von Nord bis Süd, über Kampagnen zur „Brustkrebsvorsorge.“ So berichtete die Bild-Zeitung am 22. Oktober „Die Alster leuchtet pink – Kampagne gegen Brustkrebs“ und die Österreichische Krebshilfe bot „Pink Ribbon Toaster“ zum Verkauf an. Vom Nordkurier bis zur Krebshilfe sprachen viele irreführend von „Vorsorge“, obgleich es sich um Früherkennung handelt. Vorsorge verringert die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken, Früherkennung nicht. Früherkennung setzt voraus, dass der Krebs schon da ist.

 

Im Brustkrebsmonat wurde über viele Statistiken berichtet, wie beispielsweise der Anteil der Frauen, die am Screening teilnehmen. Nur über jene Statistiken, welche Frauen eine informierte Entscheidung über die Teilnahme am Screening ermöglichen würden, wurde vom Nordkurier über Emma bis zur Österreichischen Krebshilfe nicht berichtet: Nutzen und Schaden. Obwohl diese aus randomisierten Studien mit etwa 500.000 Frauen bestens bekannt sind.

Von je 1.000 Frauen im Alter 50+, die am Screening teilnehmen, sterben innerhalb von 10 Jahren etwa 4 an Brustkrebs; bei Frauen, die nicht teilnehmen, sind es 5. In anderen Worten, 1.000 Frauen müssen 10 Jahre lang am Screening teilnehmen, damit eine weniger an Brustkrebs stirbt. In den wenigen Fällen, wo Frauen quantitative Information über den Nutzen überhaupt erhalten, wird ihnen dieser meist als „20-prozentige Reduktion“ dargestellt (von 5 auf 4), da eine relative Risikoreduktion (20%) beeindruckender als eine absolute Risikoreduktion (1 in 1.000) klingt. Die zuverlässigere Information wäre allerdings die Gesamtkrebssterblichkeit (einschließlich Brustkrebs): hier hat man keinen Unterschied durch die Teilnahme von Frauen an der Früherkennung gefunden. Diese Statistik wird aber an Frauen kaum je weitergegeben.

Zudem sollte man Frauen auch über den möglichen Schaden informieren: Etwa 100 von je 1.000 Frauen, die 10 Jahre zum Screening gehen, erhalten falsch-positive Testergebnisse und Biopsien (Gewebeentnahmen) – obgleich sie keinen Brustkrebs haben. Diese falschen verdächtigen Befunde verängstigen viele Frauen, insbesondere wenn ihnen vorher nichts dazu erklärt wird. Und etwa 5 von je 1.000 Frauen unterziehen sich unnötigen Eingriffen wie einer teilweisen oder ganzen Entfernung der Brust – unnötig, da diese Frauen eine nicht-progressive Form von Brustkrebs haben, die ihnen während ihres weiteren Lebens keine Probleme bereitet hätte. In Kenntnis dieser Statistiken könnte jede Frau selbst informiert entscheiden, ob sie am Screening teilnehmen möchte oder nicht.

Auch und gerade im „Brustkrebsmonat“ verdienten Frauen ehrliche und transparente Statistiken über Nutzen und Schaden des Screenings. Die Zeit des Paternalismus, in der man Frauen sagt, was sie tun sollen, sollte eigentlich längst Geschichte sein. Emma und die Krebshilfe sollten darüber nachdenken, zum Pink ausgewogenere Informationen zu liefern.

 

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen.

 

 

Weitere Informationen

 

 


 

Quelle: Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung e.V., 04.11.2013 (tB).

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…