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Unzulängliche antihypertensive Therapie treibt die Kosten in die Höhe

 

München/Berlin (22. November 2006) – Nur 5 Prozent aller Patienten mit Blut­hochdruck werden hierzulande konsequent behandelt und auf Werte unter 140/90 mmHg eingestellt. Mit dieser schlechten Quote ist Deutschland das Schlusslicht im internationalen Vergleich. Das ließe sich jedoch durchaus ändern, meinten die Experten Prof. Dr. Thomas Unger, Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek und Prof. Dr. Stefan Willich anlässlich des 30. Wissenschaft­lichen Kongresses der Deutschen Hochdruckliga in München und stellten ihre Lösungsansätze vor.

 

Drei Gründe für die schlechte Behandlungssituation der Hypertoniker zählte Prof. Dr. Unger, Berlin, auf: mangelnde Compliance seitens des Patienten, unzureichende therapeutische Stringenz des Arztes und suboptimaler Einsatz von Antihypertensiva. Alle drei Punkte sind miteinander verknüpft, und alle sind auch für Veränderungen zugänglich. Dank des breit gefächerten Arsenals an Antihypertensiva ließe sich für jeden Patienten eine zufrieden stellende Pharmakotherapie finden; die Leitlinien bieten reichlich Auswahl aus den fünf Hauptgruppen gleichrangig aufgeführter Medi­kamente: Diuretika, Beta-Rezeptorenblocker, Kalziumantagonisten, ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptorenblocker. „Meist wird jedoch eine Kombinationstherapie mit zwei oder mehr Komponenten vonnöten sein, um die Zielwerte zu erreichen“, unterstrich Unger. 

 

Besonders bewährt habe sich hier die Kombination aus einem Angioten­sin-II-Rezeptorblocker (z.B. Olmesartan) und einem niedrig dosierten Diuretikum (z.B. Hydrochlorothiazid). Mit solchen fixen Kombinationen lässt sich die Hypertonie therapeutisch konsequent behandeln. Die Compliance wird durch die geringere Tablettenanzahl unterstützt.

 

Ein weiterer Schritt zur Optimierung der antihypertensiven Therapie ist die Beachtung geschlechtsspezifischer Faktoren. Prof. Dr. Vera Regitz-Zagrosek, Berlin, stellte einige Aspekte vor, in denen sich „weibliche“ Herzerkrankungen von „männlichen“ unterscheiden. So sind bei der koronaren Herzkrankheit die Risikofaktoren Bluthoch­druck und Diabetes bei Frauen häufiger vertreten. Diabetes ver­schlech­tert bei Frauen die Prognose weitaus stärker als bei Männern. Der Grund dafür ist noch ungeklärt. „Außerdem sind bei Frauen zusätzliche Risikofaktoren bekannt, wie etwa genetische Polymorphismen im Gerinnungssystem und linksventrikuläre Hyper­trophie“, betonte Frau Regitz-Zagrosek. Frauen sterben zudem häufiger an einem Herzinfarkt oder an einem koronarchirurgischen Eingriff als Männer; vor allem die postoperative Frühsterblichkeit liegt bei Frauen höher. Insgesamt erlauben die kon­ventionellen Risikofaktoren bei Männern eine weitaus genauere Vorhersage des Krankheitsverlaufs als bei Frauen. Hinsichtlich der Therapie ist die Datenlage für Patientinnen deutlich dünner als für Patienten. Bekannt ist jedoch, dass Frauen bei gleicher Herzerkrankung anders – und zwar meist schlechter – versorgt werden als Männer. Zudem wirken viele Medikamente bei Frauen anders als bei Männern. Als Beispiele nannte Frau Regitz-Zagrosek hier ASS, das bei Frauen primäre Myokard-infarkte nicht verhindert, wohl aber Schlaganfälle, sowie Digitalis, Antiarrhythmika und Gerinnungshemmer. Im Renin-Angiotensin-System finden sich ebenfalls relevante geschlechtsspezifische Unterschiede. Eine stärkere Berücksichtigung dieser Differenzen könnte die Therapie der Hypertonie deutlich verbessern.

 

Eine optimale Hochdrucktherapie ist sicher ein hehres Ziel – aber kann sich unser Gesundheitswesen eine solche überhaupt noch leisten? Die Frage ist falsch gestellt, so das Fazit von Prof. Dr. Stefan Willich, Berlin. Denn Arzneimittel­budgetierung und andere Einschränkungen der Therapiefreiheit sparen keineswegs Geld, sondern verursachen im Gegenteil hohe Folgekosten: Der schlecht eingestellte Patient mit niedriger Compliance erzeugt langfristig höhere Kosten durch Notfall­management, ambulante und stationäre Behandlung von Komplikationen und anderen Folgen der unzureichenden Blutdrucksenkung als der gut eingestellte Hypertoniker. Die so eingesparten Medikamentenkosten werden folglich durch höhere medizinische Betreuungskosten zunichte gemacht. Laut Willich verwundert dies nicht, denn die direkten Kosten kardiovaskulärer Erkrankungen werden zu einem erheblichen Teil durch stationäre Behandlungen verursacht. Die ebenfalls sehr hohen indirekten Kosten durch Arbeitsunfähigkeit und vorzeitige Berentung sind bei dieser Rechnung noch gar nicht berücksichtigt, da sie nicht zu Lasten der Kranken­kassen gehen. Die „billige“, aber unzulängliche Therapie erweist sich durch hohe Folgekosten letztlich als die teure. Insofern müsste die im Vortragstitel von Willich gestellte Frage eigent­lich heißen: „Können wir uns eine derart unzureichende Versorgung der Hochdruck­patienten weiterhin leisten?“, und auf diese Frage gibt es nur eine einzige, ganz klare Antwort: Nein.


Quelle: Satellitensyposium der Firma Berlin-Chemie zum Thema „Moderne Antihypertensive Therapie: Was ist therapeutisch nötig – was ist ökonomisc möglich?“ am 22.11.2006 in München (Fleishman Hillard).

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