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Update Schlaganfall

Analyse der Lyse und Schlaganfall im Schlaf

 

München (17. September 2014) – Schlaganfall-Patienten erhalten in Deutschland eine Therapie auf höchstem internationalem Niveau. Eine Lysetherapie in Stroke Units innerhalb von 90 Minuten führt zu den besten Ergebnissen – das zeigt eine aktuelle Auswertung aus deutschen Stroke Units, die vor Kurzem im British Medical Journal erschienen ist [1]. Je kürzer die Zeitspanne von den ersten Schlaganfallsymptomen bis zum Behandlungsbeginn (Lyse), desto günstiger sind die Behandlungsergebnisse für den Patienten.


„Trotz aller Aufklärungsarbeit in den letzten Jahren und der Öffnung des Zeitfensters bis 4,5 Stunden laut ECASS-Studie gilt immer noch: Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute“, so Prof. Dr. Werner Hacke, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg heute auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in München. Prof. Dr. Christian Gerloff, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, stellte neue Zwischenergebnisse der WAKE UP-Studie vor. Diese europäische Studie unter Hamburger Führung widmet sich Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden – immerhin jeder fünfte Patient ist davon betroffen. Die von Gerloff koordinierte Studie untersucht, inwieweit diese Patienten ebenfalls für eine Lyse infrage kommen [2]. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Architektur von WAKE UP sicher ist und nun der Weg frei ist für ein breites Patientenrecruiting.


Deutsche Stroke Units: Behandlungsstandard auf höchstem Niveau

In Stroke Units, speziellen neurologischen Stationen, werden Patienten mit Schlaganfall optimal versorgt und erhalten eine Thrombolyse. Dabei wird dem Patienten eine Infusion mit dem Enzym rt.PA zugeführt, das Blutgerinnsel in den Blutgefäßen des Gehirns auflöst. Infrage kommt eine Lyse aber nur für die Patienten, die sehr früh nach den ersten Schlaganfall-Symptomen eingeliefert werden. Zudem muss vor Therapiebeginn sichergestellt sein, dass der Schlaganfall nicht Folge einer Hirnblutung ist. Sonst könnte eine Lysetherapie fatale Folgen haben.

Eine aktuelle Studie der baden-württembergischen AG Schlaganfall, die im British Medical Journal veröffentlicht wurde, hat die Behandlungsergebnisse in deutschen Stroke Units von 2008 bis 2012 analysiert. „Bei insgesamt 12 Prozent der Patienten wurde eine Lysetherapie durchgeführt, im Jahr 2012 waren es sogar 14 Prozent, das ist eine der weltweit höchsten Behandlungsraten“, berichtet Hacke, der die Studie geleitet hat. Jede sechste Lyse konnte innerhalb von 90 Minuten nach dem Beginn der Symptome begonnen werden.

Die Studie bestätigte auch, dass die Behandlung so früh wie möglich beginnen muss: Die Behandlungsergebnisse sind besser, wenn die Therapie in den ersten 90 Minuten nach Schlaganfallbeginn erfolgt. Auch zwischen der 181. und 270. Minute ist eine Lysetherapie noch Erfolg versprechend. Dies gilt auch für Patienten über 80 Jahren. „Die Ergebnisse zeigen, dass wir auch weiterhin Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung betreiben müssen und dass sich diese Mühe wirklich lohnt“, betont Professor Hacke.


Schlaganfall im Schlaf: Zwischenergebnisse der europäischen WAKE UP-Studie

Etwa 25 Prozent aller Schlaganfälle treffen die Menschen im Schlaf. „Weil bei diesen Patienten der Zeitpunkt des Schlaganfalls nicht genau erfragt werden kann, können sie nicht von der Thrombolyse profitieren“, berichtet Professor Gerloff. Das könnte sich bald ändern. Denn mittels spezieller Kernspin-Aufnahmen prüft die WAKE UP-Studie, wie lange ein Schlaganfall zurückliegt und ob ein Patient doch noch für eine Lyse infrage kommen könnte. „Wir untersuchen nun, ob dieser neue Ansatz wirklich zu einer Verbesserung der Erholungschancen nach Schlaganfall führt“, so Gerloff.

An der WAKE UP-Studie beteiligen sich derzeit über 40 europäische Kliniken aus sechs Ländern. Die EU fördert das Projekt mit 11,6 Mio. Euro. Ziel ist es, insgesamt 800 Patienten einzuschließen, bislang nehmen 175 Patienten an der Studie teil. Die erste Sicherheitsanalyse im Juli 2014 ergab keine Risiken, „das ist bereits ein gutes Zeichen, die Studie kann also unverändert fortgesetzt werden“, erklärt Gerloff.

Vorarbeiten hatten gezeigt, dass sich mittels spezieller MRT-Sequenzen mit etwa 90-prozentiger Genauigkeit feststellen lässt, dass der Schlaganfall nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegen kann [3]. Die spezielle MRT-Diagnostik ermöglicht es damit, auch bei einem Schlaganfall während des Schlafs diejenigen Patienten zu identifizieren, die von einer intravenösen Thrombolyse profitieren könnten. Anwendbar ist die Methode überall dort, wo ein Kernspintomograph für die Akutversorgung zur Verfügung steht, der technische Aufwand für die Bildanalyse ist gering.

„Bei einem positiven Ergebnis könnten zukünftig zahlreiche Patienten, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden, mit der Thrombolyse behandelt werden. Auf Europa bezogen, dürfte dadurch bei mehr als 10.000 Patienten eine erhebliche Behinderung durch den Schlaganfall verhindert werden“, ist Gerloff zuversichtlich. Finale Ergebnisse der WAKE-UP-Studie werden für 2017 erwartet


Quellen

[1]
Gumbinger C, Reuter B, Stock C, Sauer T, Wiethölter H, Bruder I, Rode S, Kern R, Ringleb P, Hennerici MG, Hacke W; AG Schlaganfall.
Time to treatment with recombinant tissue plasminogen activator and outcome of stroke in clinical practice: retrospective analysis of hospital quality assurance data with comparison with results from randomised clinical trials. BMJ 2014; 348 : DOI:10.1136/bmj.g3429

[2]
Thomalla G, Fiebach JB, Ostergaard L, Pedraza S, Thijs V, Nighoghossian N, Roy P, Muir KW, Ebinger M, Cheng B, Galinovic I, Cho TH, Puig J, Boutitie F, Simonsen CZ, Endres M, Fiehler J, Gerloff C; WAKE-UP investigators. A multicenter, randomized, double-blind, placebo-controlled trial to test efficacy and safety of magnetic resonance imaging-based thrombolysis in wake-up stroke (WAKE-UP). Int J Stroke. 2014 Aug;9(6):829-36. DOI: 10.1111/ijs.12011. Epub 2013 Mar 1
2.

[3]
Thomalla G, Cheng B, Ebinger M, Hao Q, Tourdias T, Wu O, Kim JS, Breuer L, Singer OC, Warach S, Christensen S, Treszl A, Forkert ND, Galinovic I, Rosenkranz M, Engelhorn T, Köhrmann M, Endres M, Kang DW, Dousset V, Sorensen AG, Liebeskind DS, Fiebach JB, Fiehler J, Gerloff C; STIR and VISTA Imaging Investigators. DWI-FLAIR mismatch for the identification of patients with acute ischaemic stroke within 4•5 h of symptom onset (PRE-FLAIR): a multicentre observational study.
Lancet Neurol. 2011 Nov;10(11):978-86. DOI:10.1016/S1474-4422(11)70192-2. Epub 2011 Oct 4.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)

sieht sich als medizinische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 7500 Mitgliedern die Qualität der neurologischen Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist seit 2008 Berlin. www.dgn.org

 

Weitere Informationen

 

 


 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, 17.09.2014 (tB).

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