Viele Herausforderungen – Eine gemeinsame Aufgabe

Postoperatives Schmerzmanagement in der Klinik

 

Frankfurt am Main (9. Juni 2015) – Ein zentraler Bestandteil der postoperativen Versorgung ist die möglichst schnelle und umfassende Akutschmerz-Kontrolle mit dem vorrangigen Ziel, Lebensqualität und Genesung des Patienten zu fördern, direkte schädliche physiologische Folgen von Akutschmerz zu vermeiden und eine Schmerzchronifizierung zu verhindern. In der täglichen Routine werden diese Ziele nicht immer erreicht, viele Patienten klagen nach einer Operation über Schmerzen1,2,3 – das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Österreich und die Schweiz. D-A-CH-Experten* aus den Gebieten der Anästhesie, der operierenden Fächer und der Pflege sehen daher einen Optimierungsbedarf beim postoperativen Schmerzmanagement in der Klinik, wie im Rahmen eines Presse-Hintergrundgesprächs der Grünenthal GmbH deutlich wurde.** Für ein optimales Ergebnis haben die interdisziplinäre Kooperation sowie die aktive Einbeziehung des Patienten in die Therapieentscheidung und in die praktische Umsetzung des postoperativen Schmerzmanagements einen hohen Stellenwert.4

 

 

Die aktuelle Versorgungslage im Krankenhaus

 

Trotz verschiedener Therapieoptionen bei der postoperativen Versorgung akuter Schmerzen, leidet etwa ein Viertel der Patienten am ersten postoperativen Tag unter starken Schmerzen, ungefähr die Hälfte hat mäßig starke bis starke Schmerzen.1,2 Etwa die Hälfte der Patienten berichtet erst über Schmerzen, wenn diese unerträglich werden. „Vielen Patienten ist es peinlich, sich aufgrund ihres Schmerzes beim Arzt oder Pflegepersonal zu melden, denn sie haben Angst davor, als empfindlich zu gelten. Lieber beißen sie die Zähne zusammen und spekulieren darauf, dass es schon bald besser wird. Dabei ist das nicht nur schmerzhaft, sondern kann auch den Heilungsverlauf gefährden“, beschrieb Professor Dr. med. Wolfgang Koppert, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Hannover, die Gemütslage vieler Betroffener. Ein weiteres Versorgungsproblem besteht aufgrund der häufigen nächtlichen Schmerzspitzen, die nicht selten erst zeitverzögert analgetisch versorgt werden. Entgegen der Erwartungen vieler Patienten und auch Ärzte lösen nicht nur große Operationen große Schmerzen aus, vielmehr sind die Schmerzwerte gerade bei kleinen Eingriffen trotz Behandlung oft unerwartet hoch, wie ein Vergleich zwischen 179 Operationsgruppen bei 50.199 Patienten am ersten Tag nach einer Operation gezeigt hat.5 „Die Versorgung des Patienten sollte so früh wie möglich erfolgen und nach dessen individuellen Schmerzen ausgerichtet werden. Optimal und in Leitlinien empfohlen, wäre hierbei eine nicht-invasive Analgetikagabe zum frühest möglichen Zeitpunkt. Es ist überdies wichtig, den Patienten in die Therapieentscheidung und dann auch in die postoperative Schmerztherapie einzubeziehen. Eine individuelle und bedarfsorientierte Versorgung kann zwar unter Umständen aufwändiger und kostenintensiver sein, erfüllt aber die Anforderungen an ein frühzeitiges und effektives postoperatives Schmerzmanagement besser und hilft so langfristig, Folgekosten zu senken“, betonte Koppert.

 

 

Eine gute Schmerztherapie ist ein klares Muss nach Operationen

 

Laut Professor Dr. med. Stephan M. Freys, Chefarzt der Chirurgischen Klinik, DIAKO, Bremen, stellt ein adäquates postoperatives Schmerzmanagement einen wichtigen Baustein für die rasche Genesung des Patienten dar. Jeder Mensch hat darüber hinaus ein Anrecht auf eine angemessene Schmerzbehandlung, sowohl aus juristischer als auch ethischer Sicht.6,7 Dies ist laut Freys vielen Patienten nicht bewusst und sie sehen Schmerzen insbesondere nach Operationen als notwendiges Übel an. „Ein gutes postoperatives Schmerzmanagement ist ein Muss – und das aus verschiedenen Gründen: Es führt zu einer deutlichen Reduktion des postinterventionellen Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos. Es ist eine Voraussetzung für die Mobilisation und damit für Maßnahmen der Physiotherapie und Rehabilitation, die die Heilung und die rasche Wiedereingliederung der Patienten in den normalen Alltag fördern. Ein adäquates postoperatives Schmerzmanagement8 ist für die Lebensqualität und die Patientenzufriedenheit wichtig und reduziert zudem das Risiko der Ausbildung chronischer Schmerzen als Folge- oder Späterscheinung operativer Eingriffe“, fasste Freys den hohen Stellenwert und die Ziele der Akutschmerz-Therapie nach operativen Eingriffen zusammen. Trotz einiger Verbesserungen in diesem Bereich müsse zum Wohle des Patienten an einer weiteren Optimierung gearbeitet werden.

 

 

Postoperatives Schmerzmanagement: Gemeinsam zum Erfolg

 

„Die Qualität des postoperativen Schmerzmanagements ist sehr unterschiedlich“, wie Professor Dr. Dr. h.c. Jürgen Osterbrink, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft und -praxis, Salzburg, Österreich, betonte. Dies liege auch daran, dass es sich hierbei um eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen handle, die eine gute Koordination aller Beteiligten notwendig mache, so der Pflegewissenschaftler weiter. Doch gerade hier kommt es zu Problemen, denn eine genaue Festlegung der Maßnahmen anhand von klinikeigenen Leitfäden ist häufig nicht vorhanden, und die Zuständigkeiten von Pflegenden und Ärzten sind teilweise nicht klar definiert. Für eine Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements ist es deshalb erforderlich, tradierte Muster aufzugeben und die Kompetenzen aller Beteiligten – d.h. von Anästhesisten, Chirurgen und Pflegenden – zu nutzen und die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit zu stärken. Besonders wichtig ist die aktive Einbeziehung des Patienten in das postoperative Schmerzmanagement. Das beginnt bereits mit der Einbindung in die Therapieentscheidung im Rahmen des der Operation vorausgehenden Prämedikationsgesprächs. Hier wird der Patient über die verschiedenen Optionen des postoperativen Schmerzmanagements aufgeklärt, idealerweise übernimmt er nach der Therapieentscheidung eine aktive Rolle bei der Analgesie. Es sollten weiterhin klare Absprachen der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten getroffen werden, die während und nach der Operation gelten. Zu den wichtigsten Strukturen gehören ein Akutschmerzdienst, der perioperative Patienten analgetisch versorgt und der bei etwa einem Fünftel der Häuser fehlt, die Orientierung an Qualitätskriterien und eine regelmäßige Erfassung und Überwachung der Schmerzen und Qualitätskriterien. Wichtig ist zudem eine regelmäßige und teilweise gemeinsame Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden. „Sicher ist es für eine dauerhafte Verbesserung des postoperativen Schmerzmanagements vor dem Hintergrund geänderter Strukturen in Krankenhäusern auch wichtig, dass Pflegende, z.B. als Pain Nurses, eigenverantwortlicher handeln können“, stellte Osterbrink heraus.

 

 

Postoperatives Schmerzmanagement in der Schweiz

 

In einem Interview erklärte Professor Dr. med. Christoph Konrad, Chefarzt Anästhesie, Luzerner Kantonsspital, Schweiz: Ich denke, dass wir am Luzerner Kantonsspital und in den großen Schweizer Kliniken in Basel, Bern, Zürich, Genf und St. Gallen im postoperativen Schmerzmanagement gut aufgestellt und auch sehr erfahren sind. (…) Wir sind in vielen Bereichen mit der Schmerzlinderung zufrieden. Dazu zählen beispielsweise die Extremitätenchirurgie mit Sprunggelenk und Knie, Hüftoperationen und die Viszeralchirurgie. Wo wir Verbesserungspotential sehen, sind die Schmerzen nach komplexen chirurgischen Eingriffen an der Schulter sowie nach einer komplexen Wirbelsäulenchirurgie. Es ist anspruchsvoll, diese Patienten trotz regionaler Analgesieverfahren plus systemischer Analgesie so zu versorgen, dass sie mit der Physiotherapie sofort schmerzfrei beginnen können. Nach einer komplexen Osteosynthese im Bereich Wirbelsäule verlangt immerhin ein Drittel der Patienten nach mehr Schmerzmedikamenten, bei den Schulteroperationen sind es um die 20 Prozent, die eine stärkere Analgesie wünschen würden. Es gibt also Bereiche, in denen wir noch besser werden können und müssen.

 

 

Postoperatives Schmerzmanagement in Österreich

 

Prim. Univ.-Professor Dr. Rudolf Likar, MSc, Abteilungsvorstand, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, KABEG, Klinikum Klagenfurt, Österreich erklärte im Interview: In Österreich ist das postoperative Schmerzmanagement vorrangig eine Domäne der Anästhesiologie, wenn es um die Entscheidung für eine bestimmte Therapie geht. Das ist bei uns etwas anders als in Deutschland, wo die Chirurgen, von denen auch die Leitlinienentwicklung ausgegangen ist, bzw. die Operateure maßgeblich beteiligt sind. Wir kommunizieren natürlich mit allen anderen Fachärzten und auch mit den Pflegenden, die für die Akutschmerztherapie zuständig sind und wir treffen uns regelmäßig, um Sachverhalte zu besprechen. In unserer Klinik gibt es klare Handlungsanweisungen, wie eine Schmerztherapie erfolgen muss und in welchen Fällen der Anästhesist zu verständigen ist. (…) Generell kann man sagen, dass die Versorgung der Patienten sicher besser ist, wenn es einen Akutschmerzdienst gibt. Diesen gibt es aber nicht in allen Kliniken, und deswegen gibt es landesweit mit Sicherheit Optimierungspotential.

 

 

Anmerkungen

 

  • *Die D-A-CH-Experten:

    Professor Dr. med. Stephan M. Freys, Chefarzt der Chirurgischen Klinik, DIAKO – Ev. Diakonie-Krankenhaus, Vorsitzender Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Akutschmerz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, D – Bremen
    Professor Dr. med. Wolfgang Koppert, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, D – Hannover
    Professor Dr. Dr. h.c. Jürgen Osterbrink, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis, Vizedekan Studium und Lehre, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Institut für Pflegewissenschaft, A – Salzburg
    Univ.-Prof. Dr. med. Rudolf Likar, MSc, Abteilungsvorstand, Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin, KABEG, Klinikum Klagenfurt, A – Klagenfurt
    Professor Dr. med. Christoph Konrad, Chefarzt Anästhesie, Luzerner Kantonsspital, CH – Luzern

 

  • ** Presse-Hintergrundgespräch: „Wertschätzung des postoperativen Schmerzmanagements (POPM) in der Klinik“, Frankfurt am Main, 9. Juni 2015

 

 

Literatur 

  1. Gerbershagen et al., Anesthesiology 2014; 120(5):1237-1245
  2. Zalansky et al., Europ J Pain 2015; 19(4):490-502
  3. Korczak et al., Health Technology Assessment 2013 – Bericht 126, DOI 10.3205/hta000111L
  4. Schwenkglenks et al., PAIN 2014; 155: 1401-1411
  5. Gerbershagen et al. Anesthesiology 2013; 118(4):934-944
  6. Zenz & Rissing-van Saan, Humanmedizin kompakt 2012, DOI 10.1007/s40355-012-0004-z
  7. Ethik-Charta der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V., http://www.dgss.org/ethik-charta/
  8. Freys & Mohr, Zentralbl Chir 2014; 139: 1-21

  

Über Grünenthal

 

Die Grünenthal Gruppe ist ein unabhängiges, international tätiges, forschendes Pharmaunternehmen in Familienbesitz mit Konzernzentrale in Aachen. Wir sind ein unternehmerischer Spezialist, der den Patienten echten Nutzen bringt. Durch unsere nachhaltige Investition in Forschung und Entwicklung über dem Branchendurchschnitt verpflichten wir uns der Innovation, um medizinische Versorgungslücken zu schließen und nutzenbringende Produkte auf den Markt zu bringen. Grünenthal ist ein Unternehmen mit vollständig integrierter Forschung und Entwicklung; wir verfügen über langjährige Erfahrung in innovativer Schmerzbehandlung und der Entwicklung modernster Technologien für den Patienten. Die Grünenthal Gruppe ist in insgesamt 32 Ländern mit Gesellschaften in Europa, Australien, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten vertreten. Grünenthal-Produkte sind in mehr als 155 Ländern erhältlich und knapp 5.200 Mitarbeiter arbeiten weltweit für die Grünenthal Gruppe. Der Umsatz 2014 betrug 1,154 Mrd. €.

 

 

 


Quelle: Grünenthal Gruppe, 09.06.2015 (tB).

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