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Vorhofflimmern 2012

Wer profitiert von Dronedaron?

 

Mannheim (13. April 2012) – Vorhofflimmern (VHF) ist eine Erkrankung mit einem heterogenen Patientenbild: Dauer und Stadium der Erkrankung, Komorbiditäten und Alter sind zentrale Unterschiede und ausschlaggebend für die Therapiewahl. Im Rahmen der 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie 2012 referierten und diskutierten Experten auf dem von Sanofi unterstützten Symposium „Vorhofflimmern 2012: Wer profitiert von Dronedaron? Ein Austausch mit Experten“.

 

Konsens der Referenten: Die gründliche Anamnese bildet die Grundlage für die Therapieentscheidung. Für den behandelnden Arzt bleibt die Aufgabe, die Daten aus klinischen Studien in den kardiologischen Alltag zu übersetzen. Dabei zeigt sich, dass der Einsatz von Dronedaron beim richtigen Patienten das Armamentarium im Kampf gegen Vorhofflimmern erweitert.

 

 

Evidenz für die antiarrhythmische Therapie

 

Die derzeitigen ESC-Leitlinien(1) für Vorhofflimmern empfehlen die Rhythmuskontrolle zum Erhalt des Sinusrhythmus und zur Verbesserung der Symptomatik bei Patienten, die trotz adäquater Frequenzregulierung weiterhin symptomatisch sind.

 

Professor Hendrik Bonnemeier, Kiel, erörterte die Praxissituation anhand aktueller Register und Studien: Die deutschlandweite, nicht-interventionelle MOVE-Studie (MOrbiditätsdaten von Vorhofflimmer-Patienten Evaluieren) untersuchte die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit VHF und damit auch die Belastung von VHF-Patienten durch krankheitsbedingte Symptome. 638 Ärzte aus Klinik und Praxis dokumentierten die Daten von 3.354 Patienten mit VHF.(2) Die Ergebnisse zeigen nicht nur, dass mehr als 80 Prozent der Patienten mit Vorhofflimmern Symptome aufweisen, sondern auch, dass selbst unter Frequenzkontrolle ein Großteil der Patienten symptomatisch ist.

 

Ein im letzten Jahr vorgestelltes Register(3) (Atrial Fibrillation Ablation Pilot Registry) untersuchte Patienten, die erstmals einer Katheterablation unterzogen wurden. Es zeigte, dass die eingeschlossenen Ablationspatienten im Durchschnitt 60 Jahre jung waren und kaum oder wenige schwere Komorbiditäten hatten. „Patienten, die von niedergelassenen Hausärzten betreut werden und Vorhofflimmern haben […] sind im Durchschnitt zehn Jahre älter und haben mehr Begleiterkrankungen, als die Patienten, die ablatiert werden“, erörterte Professor Bonnemeier. Sie sind daher zwar nicht für eine Ablation, jedoch für die Therapie mit einem Antiarrhythmikum (AAR) geeignet. Eine Katheterablation wird in den Leitlinien für Patienten mit  Vorhofflimmern empfohlen, wenn vorher eine antiarrhythmische Therapie fehlgeschlagen ist. Ist ein Patient nach der Behandlung weiter symptomatisch, so ist ein AAR jedoch weiterhin angezeigt.

 

 

Stellenwert der Antiarrhythmika in der Praxis

 

Zur Rezidivprophylaxe nach Wiederherstellung des Sinusrhythmus stehen heute die Klasse-IC-AAR Flecainid und Propafenon sowie die Klasse-III-Substanzen Sotalol, Amiodaron und Dronedaron zur Verfügung (IA-Empfehlung in den ESC-Leitlinien zur Behandlung von Vorhofflimmern)(1). Während Kardiologen unter anderem häufiger Amiodaron einsetzen, bevorzugen Hausärzte Digitalisglykoside, wie das deutsche ATRIUM-Register(4) (Outpatient Registry Upon Morbidity of Atrial Fibrillation) zeigt.

 

„Amiodaron ist, den Erhalt des Sinusrhythmus betreffend, sehr potent“ beschrieb Professor Bonnemeier und ergänzt: „Wir wissen aber auch, dass das Second-Line-Medikament Amiodaron  viele Nebenwirkungen, vor allem kardiale Nebenwirkungen bei der Langzeitbehandlung hat, […] weshalb es kein Medikament ist, welches man gerne bei jüngeren Patienten auf längere Sicht zur Vermeidung von Vorhofflimmern bei einer Strategie der Rhythmuskontrolle applizieren möchte.“ Zudem kann es aufgrund der Jodkomponente nicht bei Patienten mit Schilddrüseneinschränkungen angewandt werden. Auch Sotalol, ein Beta- und Kaliumkanalblocker, sei ein häufig angewandtes und in Bezug auf den Erhalt des Sinusrhythmus effektives Medikament. Im Blick haben müsse man das torsadogene und pro-arrhythmische Potenzial, wodurch es nur vorsichtig zur Rhythmuskontrolle eingesetzt werden sollte.

 

Keines der Medikamente könne unbedacht eingesetzt werden, unterstrich der Experte. So auch Dronedaron. Zur Rationale für die Therapie mit Dronedaron betonte er: „Dronedaron ist ein Medikament, dass Rehospitalisationen und sogar Todesfälle vermeiden kann […] Es schützt vor dem arrhythmischen Tod, ist also ein ventrikulär antiarrhythmisches Medikament, und hat damit alle Wirkungen, die wir von einem modernen Antiarrhythmikum möchten.“ Auf die Frage nach dem Stellenwert des Dronedarons verweist er auf die ATHENA-Studie: „Bei Patienten mit nicht-permanentem Vorhofflimmern scheint es ein […] effektives Medikament zu sein, was Klasse IC AAR bisher nicht zeigen konnten, da es keine Studien dazu gibt.“

 

 

Dronedaron: ein umfassend untersuchtes Antiarrhythmikum

 

Professor Hohnloser stellte als Diskussionsgrundlage klinische Daten zu Dronedaron vor, das mit mehr als 10.000 Studienteilnehmern ein umfassend untersuchtes Antiarrhythmikum ist. Allein an der ATHENA-Studie(5) nahmen 4.628 Patienten teil, die im Mittel 22 Monate nachbeobachtet wurden. Die Ergebnisse zeigen:

 

  • Der primäre Endpunkt der ATHENA-Studie, bestehend aus Zeit bis zur ersten kardiovaskulären Rehospitalisation oder Tod jedweder Genese, konnte unter Dronedaron um fast eine Viertel reduziert werden.
  • Die kardiovaskuläre Mortalität wurde bei Patienten mit paroxysmalem oder persistierendem Vorhofflimmern um knapp 30 Prozent reduziert.
  • Die ATHENA-post-hoc Analyse zu Schlaganfällen zeigt eine Senkung des Schlaganfallrisikos um 34 Prozent in der Dronedaron-Gruppe.
  • Auch die Wahrscheinlichkeit für eine Progression vom paroxysmalem / persistierendem zum permanenten VHF wurde reduziert.
  • Dronedaron reduziert die Zeit bis zur ersten Kardioversion um 30 Prozent und die Zeit bis zum ersten EKG-dokumentierten VHF-Rezidiv um 25 Prozent.

 

Die Ergebnisse waren in allen Subgruppen konsistent – auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Zudem hatten etwa 75-80 Prozent der aufgenommenen Patienten strukturelle Herzerkrankungen. „Auf Basis der ATHENA-Ergebnisse wurde die Hypothese aufgestellt, dass Dronedaron auch bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern bedeutende vaskuläre Ereignisse senken können würde“, erklärte Professor Hohnloser. PALLAS war die erste Studie, deren Ziel es war, einen positiven Effekt eines spezifischen Antiarrhythmikums in der Patientengruppe mit permanent vorhandenem Vorhofflimmern nachzuweisen. Einschlusskriterien waren permanentes Vorhofflimmern, Alter über 65 Jahre und Vorliegen mindestens eines Risikofaktors. Die Phase IIIb-Studie wurde nach Einschluss von 3.236 der geplanten 10.000 Patienten aufgrund erhöhter kardiovaskulärer Ereignisse beendet. Eine schlüssige Erklärung für diese Ergebnisse gäbe es derzeit noch nicht. Erwähnenswert, so Professor Hohnloser, sei dass etwa ein Drittel der Patienten Digoxin erhielten. Der Digoxin Plasmaspiegel unter Dronedaron war in PALLAS um 33 Prozent von 0.9 auf 1.2 ng per Milliliter erhöht und andere Studien haben gezeigt, dass ein erhöhter Digoxin-Spielgel mit einem signifikanten Risiko für kardiovasculäre Todesfälle assoziiert war(6).

 

In seinem Fazit schloss Professor Hohnloser: Gezielt eingesetzt reduziert Dronedaron kardiovaskuläre Endpunkte effektiv bei Patienten mit paroxysmalem und persistierendem Vorhofflimmern und hat einen wichtigen rhythmuserhaltenden Effekt. Nicht eingesetzt werden darf das Medikament, sobald ein permanentes Vorhofflimmern besteht. Wichtig ist, dass Ärzte sich an die Empfehlung der EMA halten und Patienten mit reduzierter systolischer linksventrikulärer Funktion nicht mit Dronedaron behandelt werden.

 

Um weitere Informationen über die Therapie mit Dronedaron zu erhalten, wurde in Zusammenarbeit mit dem Kompetenznetz Vorhofflimmern IMPULS initiiert: Ziel dieser bundesweiten nicht-interventionellen Studie ist die einjährige Beobachtung des aktuellen Managements von VHF- Patienten sowie die Untersuchung von Anwendungsmustern, Patientencharakteristika, Verträglichkeit, Wirksamkeit und Lebensqualität sowie ökonomischen Aspekte in der täglichen Praxis.

 

 

Der richtige Patient für Dronedaron – Erfahrungen aus der Praxis

 

Wie übersetzt man die klinischen Daten nun in den kardiologischen Alltag? „Unsere Anforderung an ein ideales Antiarrhythmikum ist eine hohe Effektivität beim Erhalt des Sinusrhythmus. Zudem wünschen wir uns eine hohe Praktikabilität, also wenige Kontraindikationen, Anwendbarkeit ohne großen Aufwand, kein extensives Monitoring und wir wollen eine ambulante, keine stationäre Einstellung“, erörterte PD Dr. Ralph Bosch, Ludwigsburg.

 

Die Daten aus der MOVE-Studie bilden die tägliche Routine sehr gut ab: Im hausärztlichen Bereich sind die Patienten meist älter und haben viele Begleiterkrankungen, was ein differenziertes Vorgehen erfordert. Etwa 38 Prozent der Patienten werden mit permanentem Vorhofflimmern eingestuft und frequenzkontrolliert: Doch bis zu 90 Prozent sind weiterhin symptomatisch und stehen unter starkem Leidensdruck. Das stellt hohe Ansprüche an den Arzt.

 

Als Beispiel führte PD Dr. Bosch den Fall eines 72-jährigen Patienten an, der seit 4 Wochen über deutliche Belastungsdyspnoe klagte, zuvor aber keine Beschwerden hatte. Begleiterkrankungen waren eine langjährige arterielle Hypertonie und Diabetes mellitus sowie eine knotig vergrößerte Schilddrüse (Struma nodosa). Er zeigte keine klinischen Zeichen einer manifesten Herzinsuffizienz und war mit einem ACE-Hemmer und einem Diuretikum eingestellt. Er hatte erstmalig nachgewiesenes Vorhofflimmern und im Echokardiogramm war eine linksventrikuläre Hypertrophie (Gewebsvergrößerung des Myokards) zu sehen. Nach einer Kardioversion erhält er nun Dronedaron: Der Patient ist wieder im Sinusrhythmus und symptomfrei. Er wurde über die Symptome einer Herzinsuffizienz aufgeklärt, um diese gegebenenfalls selbst erkennen zu können. Die haus- und fachärztliche Kontrolle erfolgt nach den Leitlinien.

 

 

Fazit

 

Grenzfälle geeigneter Patienten, vor allem in Bezug auf strukturelle Herzerkrankungen, können unterschiedlich diskutiert werden. Die individuelle Beurteilung des Patienten und die Auswahl einer geeigneten Therapie werden immer in der Hand des Arztes liegen. Patienten, die dem ATHENA-Profil entsprechen, sind geeignete Kandidaten für eine Therapie mit Dronedaron.

 

 

Literatur 

  1. Camm AJ et al. ESC Guidelines: Guidelines for the management of atrial fibrillation. Eur Heart J 2010;31, 2369-2429.
  2. Kirch W, Pittrow D, Bosch RF, Kohlhaußen A, Willich SN, Rosin L, Bonnemeier H. Presentation of atrial fibrillation and its management by cardiologists in the ambulatory and hospital setting: MOVE cross-sectional study. Curr Med Res Opin 2011; 27:995-1003.
  3. Arbelo E et al. Euro Observational Research Programme: Atrail fibrillation Pilot Registry. Short-term results. http://spo.escardio.org/eslides/view.aspx?eevtid=48&fp=1353.
  4. Meinertz T, Kirch W, Rosin L, Pittrow D, Willich SN, Kirchhof P; ATRIUM investigators. Management of atrial fibrillation by primary care physicians in Germany: baseline results of the ATRIUM registry. Clin Res Cardiol. 2011;100:897-905. DOI:10.1007/s00392-011-0320-5.
  5. Hohnloser SH et al. N Engl J Med 2009;360:668-78.
  6. Connolly S. J. et al., N Engl J Med 2011 365 (24) 2268-2276.

 


 

Quelle: Symposium der Firma Sanofi zum Thema „Vorhofflimmern 2012: Wer profitiert von Dronedaron? Ein Austausch mit Experten“ im Rahmen der 78. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie am 13.04.2012 in Mannheim (hB).

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