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Stammzelltransplantation und Immunthrombozytopenie
Wichtige Erkenntnisse vom Amerikanischen Hämatologenkongress (ASH) 2012
München (14. Januar 2013) – Beim weltweit größten Jahreskongress für Hämatologen, der Jahrestagung der amerikanischen Gesellschaft für Hämatologie (ASH), werden jedes Jahr die neuesten Daten zu malignen und nicht malignen Erkrankungen des Blutes vorgestellt. Auf dem Münchener Fachpresse-Workshop* „Nachlese vom Amerikanischen Hämatologenkongress (ASH) 2012“ am 14. Januar interpretierten deutsche Hämatologen verschiedene Highlights des letzten ASH in Atlanta im Dezember 2012 zu den wichtigen Themenfeldern Stammzelltransplantation, Multiples Myelom und Immunthrombozytopenie.
Professor Gerald Illerhaus, Stuttgart, erörterte seine auf dem ASH präsentierte Freiburger Hochdosis-Studie bei Patienten mit primärem ZNS-Lymphom, die bei guter Verträglichkeit zu der eindrucksvollen Dreijahresüberlebensrate von 87,1 % geführt hatte. Die Hochdosistherapie zur Konditionierung vor der Stammzelltransplantation war mit Thiotepa in Kombination mit BCNU durchgeführt worden. Zur Behandlung der seltenen, meist chronisch verlaufenden Immunthrombozytopenie (ITP) stehen neben Kortikosteroiden und Splenektomie die Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRAs) zur Verfügung. Professor Uwe Platzbecker, Dresden, erörterte die auf dem ASH vorgestellten Zwischenergebnisse der EXTEND-Studie mit Langzeitdaten über bis zu 5,5 Jahren, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des einzigen oralen TRA Eltrombopag bestätigten.
Neues vom ASH 2012 bei den malignen Lymphomen
Durch den Workshop führte Professor Martin Dreyling, München, der einleitend einen kurzen Überblick über seine persönlichen Highlights beim ASH 2012 gab.
Dazu zählen im Bereich der Lymphome die Daten der amerikanischen BRIGHT-Studie, die in Analogie zur NHL1-2003-Studie B-R mit R-CHOP, aber zusätzlich auch mit dem anthrazyklinfreien R-CVP-Schema als Erstlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen indolenten NHL oder Mantelzell-Lymphom (MCL) verglichen hatte (Flinn IW et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: Abstract 902). Sowohl hinsichtlich der Gesamtansprechrate als auch hinsichtlich der Rate an kompletten Remissionen war B-R den beiden anderen Regimen nicht unterlegen, womit der primäre Endpunkt der Studie erreicht wurde. Bei den MCL war B-R mit einer Gesamtansprechrate von 100% dem R-CVP signifikant überlegen, auch die Komplettansprechrate war bei den MCL unter B-R signifikant höher als unter R-CVP.
Als besondere Neuigkeit, die die Art der Behandlung beim MCL und allen lymphoproliferativen Erkrankungen revolutionieren wird, wertete Dreyling die Ergebnisse mit den oralen Inhibitoren des B-Zell-Rezeptor-Signalpfads. Die BTK-Inhibitoren sind hoch wirksam und zeigen nur sehr geringe Nebenwirkungen (Wang M et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: Abstract 904).
Beim diffus großzelligen B-Zell-Lymphom konnte gezeigt werden, dass es verschiedene pathogenetische Subtypen gibt, die sich im klinischen Verlauf signifikant unterscheiden, und dass der ABC Subtyp sehr gut auf die Therapie mit dem BTK-Inhibitor Ibrutinib anspricht (Wilson WH et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: Abstract 686).
Bei den T-Zell-Lymphomen konnte eine Studie die Wirksamkeit des durch ein Toxin wirkungsverstärkten Antikörpers Brentuximab Vedotin zeigen (Fanale MA et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: Abstract 60).
Hocheffektive Hochdosischemotherapie mit Thiotepa bei primären ZNS-Lymphomen
Primäre ZNS-Lymphome gehören zu den aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen mit schlechter Prognose. Ihre Inzidenz liegt bei 0,5/100.000 Einwohnern/Jahr. Wie Professor Gerald Illerhaus, Stuttgart, ausführte, sollte die Therapie aus einer Induktion zur Reduktion der Tumormasse gefolgt von einer Konsolidierungstherapie bestehen, um auch residuelle Lymphomzellen hinter der Blut-Hirn-Schranke zu eradizieren und das Rezidivrisiko zu minimieren.
Standard für die Induktion ist zurzeit eine Hochdosistherapie mit Methotrexat (MTX) gefolgt von einer Hochdosischemotherapie mit oder ohne Ganzhirnbestrahlung. Eine Phase-III-Studie von Thiel und Kollegen, in die 551 Patienten mit neu diagnostiziertem primärem ZNS-Lymphom eingeschlossen waren, ergab, dass diejenigen Patienten, die nach Hochdosistherapie mit MTX und Ifosfamid eine Ganzhirnbestrahlung zur Konsolidierung erhielten, zwar ein längeres progressionsfreies Überleben hatten als die Kontrollgruppe ohne Ganzhirnbestrahlung (18,3 vs. 11,9 Monate, p=0,14). Das Gesamtüberleben konnte durch die Bestrahlung jedoch nicht verlängert werden (Thiel E et al. Lancet Oncol. 2010 Nov;11(11):1036-47).
Ein Problem bei der Konsolidierung mit Hochdosischemotherapie ist die Blut-Hirn-Schranke, die nur lipophile Zytostatika wie Thiotepa, Busulfan und BCNU passieren können. Um die residuellen Zellen hinter der Blut-Hirn-Schranke zu zerstören, führten Illerhaus und Kollegen eine Thiotepa-basierte Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation bei jüngeren Patienten (<65 Jahre) mit unbehandelten primären ZNS-Lymphomen durch.
Thiotepa ist ein sehr gut liquorgängiges Medikament, das sich in der Vergangenheit schon bei verschiedenen lymphatischen und leukämischen Erkrankungen als sehr effektiv erwiesen hat. Es kann mit einem überschaubaren Toxizitätsprofil sehr hoch dosiert werden. Seine Hämatotoxizität bildet die Rationale dafür, die hochdosierte Behandlung mit Thiotepa durch die Stammzelltransplantation zu unterstützen.
In der beim ASH 2012 vorgestellten Studie waren 79 der 81 eingeschlossenen Patienten auswertbar (Illerhaus G et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: Abstract 302). Das mediane Alter der Patienten lag bei 56 Jahren. Die Studie basiert auf dem Gerüst des ersten Freiburger Protokolls, das 1998 begonnen wurde, wobei in der neuen Studie in der Induktion das Methotrexat statt in drei Zyklen in vier Zyklen mit 8 g/m² eingesetzt wurde. Außerdem wurden in der Induktion Cytarabin mit 3 g/m² und Thiotepa mit 4 mg/m² über insgesamt zwei Zyklen gegeben. In der Hochdosis-Therapie wurde Thiotepa dann in der gegenüber des alten Freiburger Protokolls verdoppelten Dosis von 4×5 mg/kg KG zusammen mit 400 mg/m² BCNU verabreicht. Nachträglich wurde Rituximab dem Studienprotokoll nach zwei eingeschlossenen Patienten hinzugefügt, das am Tag -7 vor Beginn der Induktion und dann vor jedem Chemotherapiezyklus gegeben wurde. Eine weitere Veränderung gegenüber des alten Freiburger Protokolls war, dass auch Patienten, die unter der Therapie z.B. mit MTX, Cytarabin und Thiotepa progredient waren, mit der Hochdosis-Therapie mit Thiotepa behandelt wurden. Die Ganzhirnbestrahlung wurde nur bei Patienten durchgeführt, die nach der Stammzelltransplantation keine Remission erzielten.
Von den 79 Intent-to-Treat Patienten erhielten 73 die Hochdosis-Therapie und konnten somit per Protokoll ausgewertet werden. Bei ihnen betrug die Gesamtansprechrate nach Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation 98,6%. Das Gesamtüberleben nach 35 Monaten Follow-Up lag bei 87,1%, bei guter Verträglichkeit. Wie für eine Hochdosis-Therapie zu erwarten, kam es überwiegend zu Hämatotoxizität. Nieren- und Lebertoxizität waren gering. Therapieassoziierte Todesfälle betrugen 2,5% in der Induktion und 1,4% während der Transplantation.
„Dies sind sehr eindrucksvolle Effektivitätsdaten, die Thiotepa-basierte Hochdosistherapie gefolgt von autologer Stammzelltransplantation ist bei jüngeren PZNSL-Patienten hocheffektiv“, resümierte Illerhaus. „Die Ganzhirnbestrahlung sollten nur noch Patienten erhalten, die auf die Hochdosischemotherapie ungenügend angesprochen haben.“
Eltrombopag wirkt langfristig bei chronischer ITP
Die bei Erwachsenen zumeist chronisch verlaufende Immunthrombozytopenie (ITP) ist eine seltene Autoimmunerkrankung (Prävalenz 2/10.000 Einwohner), bei der Autoantikörper, die gegen die Oberfläche von Thrombozyten gerichtet sind, zu deren Abbau in der Milz führen. Zusätzlich beeinträchtigen die Antikörper die Bildung neuer Thrombozyten, indem sie die Apoptose von Megakaryozyten im Knochenmark auslösen. Durch die Verminderung der Thrombozytenzahl kommt es zur Erhöhung des Blutungsrisikos, das sich in spontanen Blutungen bis hin zu Magen-Darm- und Gehirnblutungen zeigen kann.
Wie Professor Uwe Platzbecker, Dresden, erklärte, sind bei indizierter Therapie Kortikosteroide die erste Wahl. Die initiale Ansprechrate liegt bei ca. 70% (Thrombozytenzahl über 50.000/μL). Ein dauerhaftes Ansprechen gelingt allerdings nur bei 30-40% der Patienten, bei denen außerdem beträchtliche Langzeitnebenwirkungen auftreten können, da das Steroid zumeist nicht komplett abgesetzt werden kann.
In der Zweitlinientherapie stehen für erwachsene, splenektomierte Patienten, die gegenüber anderen Therapien refraktär sind, sowie für erwachsene, nicht splenektomierte Patienten, bei denen eine Operation kontraindiziert ist, Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten (TRAs) zur Verfügung. Bisherige Therapien haben darauf abgezielt, die Zerstörung der Thrombozyten zu unterdrücken. TRA wie z.B. Eltrombopag hingegen fördern die Produktion neuer Thrombozyten, indem sie den Thrombopoetin-Rezeptor aktivieren. Eltrombopag ist der einzige orale TRA mit einer einmal täglichen Einnahme.
Die Zulassungsstudie RAISE belegt Wirksamkeit und Sicherheit einer 6-monatigen Behandlung mit Eltrombopag. In der Studie wurden 197 Patienten mit Thrombozytenzahlen < 30.000/μL und mindestens einer ITP-Vortherapie 2:1 randomisiert (Cheng G et al. Lancet 2011;377:393-402). Sie erhielten entweder 50 mg Eltrombopag plus Standardversorgung (n=135) oder Placebo plus Standardversorgung (n=62). 79% der Patienten im Eltrombopag-Arm sprachen mindestens einmal auf die Behandlung an, im Vergleich zu 28% im Placebo-Arm. Dabei kam es zu einem signifikanten Anstieg der Thrombozyten auf > 50.000/μl. Die Therapiedauer bis zum Ansprechen betrug ca. 1-2 Wochen. Die Wahrscheinlichkeit für Blutungen des Grades 2-4 wurde durch die Behandlung um 65% reduziert (p<0,001), die für Blutungen des Grades 1-4 um 76% (p<0,001). Unter Eltrombopag konnte bei 59% (37 von 63) Patienten die Notwendigkeit einer zusätzlichen ITP-Medikation (meist Steroide, seltener Azothioprin, Danazol, MMF, Cyclosporin A) signifikant verringert werden, während dies im Placebo-Arm nur bei 32% der Patienten (10 von 31) möglich war. Bei der Verträglichkeit gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Studienarmen. Bei 9 Patienten unter Eltrombopag vs. 2 im Placeboarm kam es zu einem signifikanten, jedoch in allen Fällen reversiblen Anstieg der Transaminasen.
Die Langzeiteffekte von TRAs über bis zu 5,5 Jahre zeigt die auf dem ASH 2012 präsentierte Zwischenauswertung der noch laufenden EXTEND-Studie (Saleh MN et al. Blood (ASH Annual Meeting Abstracts) 2012 120: 2198). Die offene, einarmige Extensionsstudie schloss Patienten ein, die an einer der vorangegangenen Studien mit Eltrombopag teilgenommen hatten (n=302). Die mediane Dauer der Eltrombopag-Gabe betrug 2,3 Jahre bei einer medianen durchschnittlichen Eltrombopag-Dosis von 51,4 mg. „Der Effekt von Eltrombopag auf die Thrombozyten hält an“, interpretierte Platzbecker die Zwischenergebnisse der Langzeitstudie, denn die medianen Thrombozytenzahlen stiegen unter Eltrombopag nach einer Woche an und blieben ab Woche 2 stabil ≥ 50.000/μl.
Die klinisch bedeutsamen Blutungen (WHO-Schweregrad 2-4) konnten von 17% zu Studienbeginn auf 4% nach 1 Jahr, 5% nach 2 Jahren und 0% nach 3 und 4 Jahren reduziert werden. 100 Patienten (33%) erhielten zu Studienbeginn eine zusätzliche ITP-Medikation, davon versuchten 69 Patienten, diese zu reduzieren. 65% dieser Patienten (45/69) konnten dauerhaft die Dosis ihrer zusätzlichen ITP-Medikation reduzieren oder ≥ 1 zusätzliche ITP-Medikation absetzen (Saleh MN et al. Blood 2013;121:537-545). Eine klinisch relevante Zunahme von Retikulinablagerungen im Knochenmark wurde nicht beobachtet.
„Klinische Daten über mehr als 5 Jahre bestätigen Verträglichkeit und Effektivität von Eltrombopag“, resümierte Platzbecker, forderte aber auch noch weitere Langzeituntersuchungen.
Anmerkung
* Dieser Workshop wurde freundlicherweise unterstützt von:
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GlaxoSmithKline GmbH & Co KG
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Riemser Pharma GmbH