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Wie gelähmt
Unfallfolge Spastik mit Medikamentenpumpe bekämpfen
Düsseldorf (17. Mai 2014) – Vor der eigenen Haustür zu stehen und sich nicht einmal so viel bewegen zu können, um den Türschlüssel in das Schloss zu stecken ist das Schicksal von Menschen, die wegen eines Unfalls an Spastik leiden. „Spastik ist wie ein dauerhafter Muskelkrampf. Der Muskel ist hart, er zittert und doch kann der Betroffene ihn nicht dehnen, um den Schmerz los zu werden“, beschreibt Dr. Markus Ebke, Neurologe an der Dr. Becker Rhein-Sieg-Klinik in Nümbrecht. Egal ob ein Sturz beim Skilaufen, ein Autounfall oder ein Schlaganfall – viele Betroffene landen aufgrund einer Spastik im Rollstuhl. Gegen den Dauerkrampf im Muskel helfen Physiotherapie, Wärme und Medikamente. „Verabreicht man den Wirkstoff statt durch Tabletten mittels einer Medikamentenpumpe, benötigt der Patient höchstens ein Hundertstel der Dosis und die Nebenwirkungen sind erheblich geringer“, sagt Dr. Ebke. Die Pumpe unter der Haut gibt über dünne Kanülen den Wirkstoff direkt an das Nervenwasser des Rückenmarks ab – dort, wo das Medikament seine Wirkung entfaltet. „Der ein oder andere Patient, bei dem noch eine ungestörte Kommunikation von Nerven und Muskeln vorhanden ist, kann dann sogar wieder laufen“, weiß Dr. Ebke.
Eine Spastik entsteht, wenn Teile der Nervenbahnen, die die Muskeln aktivieren, unterbrochen sind. Dann gelangen nur noch die Signale zum Anspannen zur Muskulatur, nicht jedoch diejenigen, die zur Entspannung des Muskels führen. Dies passiert beispielsweise bei Unfällen mit dem Motorrad, dem Fahrrad oder dem Auto. Auch Erkrankungen wie Schlaganfall oder Multiple Sklerose können die Kommunikation zwischen Nerv und Muskel unterbrechen. „Bei Verletzungen in den motorischen Regionen des Gehirns oder der oberen Wirbelsäule kommt es zunächst zu einer Lähmung. Die Muskulatur des Patienten ist schlaff. Erst rund acht Wochen später kann sich eine Spastik entwickeln“, erläutert Dr. Ebke.
Heilbar ist eine Spastik nicht. Doch die starren, verkrampften Muskeln lassen sich durch Physiotherapie, ein spezielles Elektrofahrrad oder Wärme zumindest für Stunden entspannen. „Das reicht zur Behandlung jedoch nicht aus. Wir behandeln die Patienten mit dem Wirkstoff Baclofen“, so Dr. Ebke. Dieser Wirkstoff kann als Tablette eingenommen werden, doch die erforderliche hohe Dosis hat Nebenwirkungen: Müdigkeit, Konzentrationsschwäche bis hin zum Aussetzen der Atmung. Hinzu kommt, dass jeder Patient eine individuelle Dosis benötigt, die sich auch den Aktivitäten im Tagesverlauf anpassen muss. „Daher haben viele unserer Patienten eine ITB-Pumpe, eine intrathekale Balcolfen-Therapie. Diese kann je nach Tageszeit individuell eingestellt werden“, erläutert Dr. Ebke. Durch die Wirkstoffabgabe direkt in der Zielregion wird meist nur ein Tausendstel der Dosis benötigt. Die im Bauchraum direkt unter der Haut liegende Pumpe wird vom Arzt alle zwei bis sechs Monate per Injektion aufgefüllt. Der Wirkstoff wird durch Katheter in das Nervenwasser des Rückenmarks abgegeben. „Das sorgt dafür, dass der Patient möglicherweise wieder gehen kann oder sich allein waschen und anziehen kann“, erläutert Dr. Ebke, „das ist ein sehr großer Gewinn an Eigenständigkeit und Lebensqualität“.
Intrathekale Baclofen‐Therapie (ITB)
Bei welchen Beschwerden hilft die ITB‐Therapie?
Die intrathekale Baclofen‐Therapie (ITB) ist eine Behandlungsoption für Patienten mit generalisierter Spastik oder Dystonie mit schweren einschießenden Spasmen, einer körperlichen Beeinträchtigung durch verhärtete, angespannte und „steife“ Muskeln. Ursachen sind Schädigungen der Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark, so dass diese das Zusammenspiel der Muskulatur für Bewegungen nicht mehr kontrolliert steuern können. Die intrathekale Baclofen‐Therapie ist eine medikamentöse Therapie mit chirurgischem Zugang. Sie besteht aus einer implantierbaren Medikamentenpumpe, die mittels eines weichen sehr feinen Katheters den Wirkstoff Baclofen direkt an den Wirkungsort abgibt. Der Wirkungsort ist der Liquorraum, der das Rückenmark mit Flüssigkeit umspült.
Was bewirkt die ITB Therapie?
Intrathekales Baclofen senkt die Muskelspannung insgesamt. Es verringert im Rückenmark die abnorm erhöhte Anzahl unkontrollierbarer Nervenimpulse, die die Verkürzungen der Muskelfasern auslösen. Die Muskeln werden lockerer und lassen sich auch passiv besser bewegen. Aktive Bewegungen der Beine und Arme werden bei manchen Patienten wieder möglich. Die Wirkung der ITB Therapie hilft bei der Bewältigung der Pflege. Auch zusätzliche Probleme wie Schmerzen und Schlafstörungen werden verringert. Patienten berichteten, dass Ihnen die ITB‐Therapie zu mehr Unabhängigkeit in der Verrichtung täglicher Aufgaben verhilft, zum Beispiel zur Möglichkeit der selbständigen Nahrungsaufnahme, sich selbst anzukleiden, bequemer zu sitzen oder sich einfacher zu bewegen.
Warum ist die ITB Therapie wirksam?
Intrathekales Baclofen muss als Medikament exakt dosiert und gleichmäßig in den so genannten intrathekalen Raum, d.h. in die das Rückenmark umspülende Flüssigkeit, den Liquor („Nervenwasser“), eingeleitet werden. Aus dem Liquor gelangt Baclofen in das Nervengewebe des Rückemarks und entfaltet dort seine Wirkung. Durch die direkte Abgabe von Baclofen an den Wirkungsort wird im Gegensatz zur täglichen Gabe von oralen Medikamenten die Blut‐Hirn‐Schranke umgangen. Bei der ITB Therapie wird etwa nur ein Hundertstel bis ein Tausensdstel der täglichen oralen Dosis benötigt, um eine vergleichbare Liquor‐ Konzentration zu oral verabreichten Baclofen zu erreichen. Nebenwirkungen können dadurch erheblich reduziert werden. Für eine exakte Feineinstellung der Baclofen‐Dosis wird ein programmierbares Pumpen‐Katheter‐Infusionssystem verwendet. Die im Bauchraum unter der Haut implantierte Medikamentenpumpe wird regelmäßig mittels einer Spritze von außen nachgefüllt. Mit der Medikamentenpumpe ist eine individuelle, auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Therapie möglich. Einfaches Umprogrammieren durch den Arzt ermöglichen eine Dosisveränderung und auch tageszeitabhängige Abgabeprofile. Damit kann die Therapie auf den Aktivitätsrhythmus des einzelnen Patienten angepasst werden.
Wer kommt für die ITB‐Therapie in Betracht?
Patienten mit schwerer Spastik, die unzureichend auf konservative Behandlungsformen, wie Physiotherapie und oral verabreichte Antispastika (Mono‐ und Kombinationstherapie) ansprechen, bei Auftreten von schweren Nebenwirkungen bei oraler Medikation, die die Dosis begrenzen. Die intrathekale Baclofentherapie ist für Erwachsene mit schwerer Spastik seit 1985 zugelassen und seit 1995 für Kinder ab 6 Jahren. Sie wird jedoch seit längerem auch bei jüngeren Patienten und bei Patienten mit Dystonie erfolgreich eingesetzt. Vor einer Baclofen–Implantation wird in der Regel eine Testung mit intrathekal verabreichten Baclofen durchgeführt. Diese erfolgt mittels Einmalgabe über eine Lumbalpunktion in den Hirnwasserkanal oder über einen permanenten Dauerkatheter und einer Infusionspumpe außerhalb des Körpers.
Quelle: Medtronic, 17.05.2014 (tB).