Medizinethiker Dr. Arnd T. May über die Bedeutung von Patientenverfügung und Vorsorgevollmachten

 "Es ist nie zu früh" 

 

Fulda/Recklinghausen (19. August 2013) –  Eigentlich war Gabi M. mit ihrer Mutter zum Kaffeetrinken verabredet. Doch jetzt sitzt sie in der Notaufnahme. Ihre Mutter liegt nach einem Schlaganfall im Koma. Eben hat sie der Arzt gefragt, ob die 74-Jährige eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hat, in der Gabi M. als Bevollmächtigte eingetragen ist. Glücklicherweise ja. Denn ohne eine gültige Vorsorgevollmacht ist sie als Tochter nicht automatisch vertretungsberechtigt und entscheidungsbefugt. Das Gericht könnte unter Umständen auch einen Fremden als Betreuer einsetzen. Für solche Feinheiten und mögliche Fallstricke bei Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten will die Deutsche PalliativStiftung (DPS) Patienten und Angehörige sensibilisieren.

 

„Sobald ein Mensch seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, tritt ein Bevollmächtigter ein oder es wird ein gesetzlicher Betreuer  bestellt. Für Ärzte ist eine Entscheidung von Angehörigen, die dazu nicht befugt sind, nicht zulässig“, erklärt Dr. Arnd T. May. Der Geschäftsführer des Zentrums für Angewandte Ethik in Recklinghausen und DPS-Vorstandsmitglied fügt hinzu: „Für eine Vorsorgevollmacht ist es daher nie zu früh!“


Damit auch am Lebensende die Selbstbestimmung erhalten bleibt und der Patientenwille respektiert wird, hat die Deutsche PalliativStiftung (DPS) Patienten- und Betreuungsverfügung sowie Vorsorgevollmachten in ihrem Portfolio, die für jeden Interessierten erhältlich sind. Mitglieder aus dem Vorstand und Stiftungsrat halten Vorträge, klären auf und bieten gezielte medizinische, juristische sowie auch allgemeine Beratung an. „Es gibt in Deutschland zwar keine Pflicht, sich beraten zu lassen, aber es empfiehlt sich. Denn immer wieder sind Patientenverfügungen zu allgemein ausgefüllt, sind nicht individuell zugeschnitten oder nicht auf verschiedene Lebenssituationen abgestimmt“, betont May. So sollte man sich seiner Ansicht nach beispielsweise gut überlegen, ob die Wünsche für das Lebensende auch im Falle eines Unfalls gelten sollen. Der 45-jährige Medizinethiker sagt:  „Wenn ich in meiner Patientenverfügung stehen habe, dass ich unter keinen Umständen eine künstliche Beatmung erhalten möchte, ich jedoch nach einem Unfall für eine Woche aus Therapiegründen künstlich beatmet werden müsste, um im Anschluss unbeeinträchtigt weiterleben zu können, dann zeigt dies die Dramatik einer möglicherweise unbedachten Angabe in der Patientenverfügung .“


Gemeinsam mit einem Experten könnte man absolute Verbote von Maßnahmen und das Ausschließen von Behandlungen verhindern, die vielleicht sogar hilfreich sein könnten. „Wenn Sie also ausdrücklich schreiben, dass Sie eine künstliche Beatmung verbieten, dann schließen Sie aus, dass Sie eine Vollnarkose erhalten, auch wenn diese ohne Belastung für einen lebensverbessernden Eingriff nötig wäre.“


Mit dem potentiellen Bevollmächtigten sollten nach Ansicht Mays intensive Gespräche stattfinden, damit dieser den Patientenwillen kennt. Gabis Mutter war in dieser Hinsicht vorbildlich. Sie hat sich schon frühzeitig mit der Thematik auseinandergesetzt und ihre Vorstellungen mit der Tochter immer wieder besprochen. „Denn tatsächlich nach dem Willen des Patienten zu handeln, entspricht nicht immer auch den eigenen Vorstellungen und Werten“, so May.
Genaue Zahlen, wie viele Patientenverfügungen in Deutschlang gültig unterschrieben sind, gibt es nicht. Stiftungsvorstand May schätzt, dass es jedoch nicht mehr als maximal 10 Millionen Bundesbürger sind, die Vorsorge für den Fall ihrer Entscheidungsfähigkeit getroffen haben. „Wir von der DPS haben alleine im vergangenen Jahr über 5.000 Vorsorgemappen verteilt.“


Ist eine Patientenverfügung einmal ausgefüllt und unterschrieben, „ist nicht alles bis zum Lebensende geregelt“, betont May. Regelmäßig sollten die Formulare angeschaut und geprüft werden. „Vielleicht ändert sich die Beziehung zum Bevollmächtigten oder eine persönliche Einstellung verändert sich“, so May, der einen weiteren wichtigen Aspekt anführt: „Die Frage nach Schmerztherapie ist eine Schlüsselfrage am Lebensende. Daher wünschen wir uns natürlich auch, dass sich Menschen durch die Beratung und beim Ausfüllen auch über die Palliativversorgung Gedanken machen.“


Gabi M. hat all das mit ihrer Mutter besprochen. So ist es ihr möglich, in der momentanen Ausnahmesituation gegenüber dem Arzt klar den Willen ihrer Mutter zu formulieren und zusammen mit ihm über das weitere Vorgehen zu beraten. – Zum Vorteil für alle: für die Mediziner, sich selbst und vor allem für ihre Mutter.

 

INFO

 

Jeder Mensch kann infolge eines Unfalls, einer Erkrankung oder auch durch Nachlassen der geistigen Kräfte nicht mehr in der Lage sein, seinen Willen zu äußern oder für sich selbst zu sorgen. Für diese Situationen kann man Vorsorge durch die Erstellung einer Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung treffen. Mit einer  Patientenverfügung kann ein einwilligungsfähiger und volljähriger Mensch das medizinische Vorgehen festlegen, wenn er nicht mehr selbst handeln und für sich entscheiden kann. Diese Verfügung regelt jedoch nicht, wer dafür sorgen soll, dass der Wille des Ausstellers umgesetzt wird. Dafür gibt es Vorsorgevollmachten. Mit einer solchen Vorsorgevollmacht  wird der Bevollmächtigte sofort handlungsfähig. „Eine Vollmacht basiert auf Vertrauen. Denn sie besagt, dass der Bevollmächtigte alle Angelegenheiten für einen regeln kann", erklärt Dr. Arnd T. May, Vorstandsmitglied der Deutschen PalliativStiftung. Es gibt auch die Möglichkeit, eine Betreuungsverfügung auszustellen, in der eine Person als Betreuer für das Betreuungsgericht vorgeschlagen wird. Alle drei vorsorglichen Verfügungen können jederzeit mündlich oder schriftlich wiederrufen werden.

 

Vorsorgemappen können bei der Geschäftsstelle der Deutschen PalliativStiftung, Am Bahnhof 2, 36037 Fulda, Telefon (06 61) 480 49 797, buero@palliativstiftung.de bestellt werden. Anfragen für Beratungstermine können ebenfalls an die Geschäftsstelle gerichtet werden.

 


 

Quelle: Deutsche PalliativStiftung, 19. August 2013 (hB).

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