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Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Kochsalzexzesse, aber auch starkes Salzsparen sind gesundheitlich riskant
Berlin (12. April 2023) — Fast schon gebetsmühlenhaft raten Gesundheits- und Ernährungsorganisationen der allgemeinen Bevölkerung, ihren Kochsalzkonsum zu drosseln, um einem Bluthochdruck sowie Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. Solche Empfehlungen sind riskant, wie kanadische Forscher anhand einer umfassenden Datenanalyse dokumentieren. Denn zum einen gibt es keinen Beleg dafür, dass sich durch die Drosselung der Salzzufuhr Herz-Kreislauferkrankungen abwenden lassen. Zum anderen wird bei dieser Empfehlung nicht berücksichtigt, dass eine zu geringe tägliche Kochsalzaufnahme ihrerseits das Herz-Kreislaufrisiko steigert.
Kochsalz (chemische Formel NaCl) und insbesondere das darin enthaltene Natrium (Na) sind essentiell für unsere Gesundheit und steuern viele unserer Körperfunktionen. Vor diesem Hintergrund erhebt sich zwangsläufig die Frage, wieviel Natrium, respektive wieviel Kochsalz wir aus gesundheitlichen Erwägungen täglich zu uns nehmen sollten.
Nach Angaben der renommierten kanadischen Wissenschaftler Professor Dr. Andrew Mente und Professor Dr. Salim Yusuf, beide Hamilton, gibt es gute Hinweise darauf, dass die Mehrzahl der Bevölkerung weltweit täglich 3 bis 5 Gramm Natrium zu sich nimmt. In diesem Bereich der Salzzufuhr scheint das Herz-Kreislaufrisiko am geringsten zu sein, berichten die Forscher in einem wissenschaftlichen Übersichtsartikel.
Die Kochsalzzufuhr ist damit jedoch offensichtlich deutlich höher als von den Ernährungs- und Gesundheitsorganisation empfohlen. Denn diese raten dazu, die tägliche Natriumaufnahme unter 2,3 Gramm (entsprechend etwa 5,8 Gramm Kochsalz*) zu drosseln. Die Empfehlungen basieren auf der Vorstellung „je weniger, desto besser“. Wissenschaftliche Belege für diese Annahme gibt es bislang laut Mente und Yusuf jedoch nicht.
Risikokurve folgt einem U und nicht einem J
Dabei korreliert das Risiko von Herz- und Gefäßerkrankungen mit sogar möglicher Todesfolge tatsächlich mit der Höhe des Kochsalzverzehrs. Der Zusammenhang folgt jedoch nicht einer J-förmigen Kurve wie lange Zeit angenommen, sondern einer U-förmigen Kurve, also einer Kurve mit zwei Schenkeln. Mit anderen Worten: Wer massiv zu viel Kochsalz zu sich nimmt, steigert sein Risiko der Entwicklung von Bluthochdruck und Herz-Kreislauferkrankungen. Wer jedoch seinen Kochsalzverzehr zu stark drosselt, geht das gleiche Risiko ein.
Denn auch bei einer zu geringen Kochsalzzufuhr nimmt die Gefahr der Entwicklung von Herz-Kreislauferkrankungen zu. Das geringste Gesundheitsrisiko besteht nach bisheriger Kenntnis laut Mente bei einer täglichen Natriumaufnahme von 3 bis 5 Gramm, also von 7,5 bis 12,5 Gramm Kochsalz pro Tag.
Warnung vor voreiligen Ernährungsempfehlungen
Empfehlungen, einen solchen „moderaten Natriumkonsum“ zu verändern, sind voreilig und durch die Datenlage nicht abgesichert, heißt es in der Übersichtsarbeit. Es gibt demnach zahlreiche Studien, in denen der Zusammenhang zwischen dem Kochsalzverzehr und der Blutdruckhöhe untersucht wurden. Die erhaltenen Daten sind widersprüchlich, einige Studien scheinen den Zusammenhang zu bestätigen, andere Studien sehen jedoch keinen Einfluss eines moderaten Natriumkonsums mit dem Blutdruck oder sogar eine negative Korrelation mit erhöhtem Gesundheitsrisiko bei eingeschränkter Natriumzufuhr.
Hinzu kommt, dass Langzeitdaten zu den Auswirkungen einer Restriktion der Natriumzufuhr bislang noch fehlen. Ein Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Probanden eine streng salzarme Kost in aller Regel nicht lange durchführen konnten. Ein Zusammenhang zwischen dem Natriumverzehr und der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen kann jedoch per se nur durch Langzeitstudien ermittelt werden. „Die aktuelle vermeintliche Evidenz ist widersprüchlich hinsichtlich der Frage, ob eine Diät mit eingeschränkte Natriumaufnahme das Auftreten von Herz-Kreislaufkrankheiten reduziert“, heißt es in dem wissenschaftlichen Review. Solange uns keine Daten aus großen kontrollierten Studien vorliegen, muss diese Fragestellung aber als ungelöst angesehen werden, so die Schlussfolgerung der Arbeitsgruppe um Professor Mente.
Problematisch ist ferner, dass es bislang an Möglichkeiten fehlt, den Natriumverzehr von Studienprobanden mittels einer einheitlichen, wissenschaftlich validen Methode zu messen. Solange dies der Fall ist, sind die in Studien mit zum Teil unterschiedlicher Methodik erfassten Daten nicht vergleichbar und somit nicht aussagekräftig. Sie rechtfertigen, so Mente und Yusuf, auf keinen Fall Empfehlungen, wonach die Gesamtbevölkerung ihren Natriumverzehr auf ein sehr niedriges Niveau beschränken sollte.
Anmerkung
*1 Gramm Kochsalz entspricht etwa 0,4 Gramm Natrium
1 Gramm Natrium entspricht etwa 2,5 Gramm Kochsalz
Originalliteratur
- Mente A et al., Sodium Intake and Health: What Should We Recommend Based on the Current Evidence?
Nutrients 2021; 13: 3232-3243
Abb. oben: Photo von Speisesalz (feinkörnig) mit 10 mm Maßstab. © Poyraz 72 /wikipedia
Quelle: VKS Verband der Kali- und Salzindustrie e.V.,12.04.2023 (tB).
Schlagwörter: Ernährungsmedizin, Natrium, Salzkonsum