Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt?
Studie zeigt auffällige Tendenzen

Düsseldorf (2. November 2022) — Das Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie des Deutschen Diabetes-Zentrums in Düsseldorf (DDZ) hat in einer aktuell publizierten Studie1 Hinweise auf eine medizinische Unterversorgung von Patienten mit Diabetes während der Corona-Pandemie feststellen können.

Ziel der Studie war es, die Hospitalisierungsrate und Mortalität von Menschen mit und ohne Diabetes in Deutschland im COVID-19-Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2019 zu analysieren. Basierend auf anonymisierten Daten von 3,2 Millionen Versicherten der AOK-Rheinland/Hamburg konnte das Team um Frau Professor Andrea Icks, Direktorin des Instituts für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie an der medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie am Deutschen Diabetes-Zentrum, erste valide Daten generieren, die zeigen, dass sich im ersten Jahr der Pandemie im Vergleich zu den Vorjahren signifikante Unterschiede in den Gesundheitsergebnissen von Menschen mit Diabetes finden.

„Es wurde zwar häufig in Deutschland und auch international berichtet, dass Menschen mit Diabetes offenbar seltener Gesundheitsleistungen während der COVID-19-Pandemie in Anspruch genommen haben bzw., dass die medizinische Versorgung von Diabetes teilweise eingeschränkt war“, berichtet Prof. Icks. „Es gab und gibt aber nur wenig empirische Daten dazu, die dieses Statement tatsächlich belastbar unterstützen. Daher wollten wir diese Annahmen in einer großen bevölkerungsbezogenen Studie untersuchen. Dazu verwendeten wir Krankenkassendaten von über drei Millionen Versicherten.“

 

Studienergebnisse zeigen mehr Beinamputationen im ersten Corona-Jahr

Auf Basis etablierter Algorithmen schätzte die Forschungsgruppe alters- und geschlechtsstandardisierte Sterblichkeitsraten, Raten für allgemeine Krankenhausaufenthalte sowie für Krankenhausaufenthalte aufgrund von koronarer Herzkrankheit, akutem Herzinfarkt, Schlaganfall, diabetischem Fußsyndrom und Beinamputationen bzw. Amputationen unterhalb des Fußknöchels bei Menschen mit und ohne Diabetes. Die Raten für das Jahr 2020 wurden mithilfe der Poisson-Regression vorhergesagt und anschließend jeweils mit den beobachteten Raten aus den Versichertendaten verglichen.

Im Ergebnis wichen einige der Vorhersagen deutlich von der Beobachtung ab:

– Die beobachteten allgemeinen Krankenhausaufenthalte in 2020 bei Menschen mit Diabetes waren signifikant niedriger als vorhergesagt.
– Auffällig war dabei ein deutlicher Rückgang von Krankenhausaufenthalten wegen koronarer Herzkrankheit sowie akutem Herzinfarkt.
– Auffallend war ebenfalls eine deutliche Reduktion von Krankenhausaufenthalten wegen diabetischem Fußsyndrom.
– Im Gegensatz dazu waren die Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Beinamputation signifikant höher als vorhergesagt.

„Dass es weniger Behandlungen wegen einer Fußwunde gab, aber vermehrte Beinamputationen, kann ein Indiz auf eine zu späte Inanspruchnahme medizinischer Versorgung sein“, mahnt Prof. Icks. Gründe dafür können vielfältig sein: Die Angst vor einer COVID-19-Infektion und die damit verbundene Vermeidung von Arztbesuchen oder Krankenhauseinweisungen, unzureichendes Diabetes-Selbstmanagement aufgrund von Demotivation oder auch soziale Distanzierung in Verbindung mit fehlender oder begrenzter medizinischer Unterstützung. Limitiert werden die gewonnenen Erkenntnisse allerdings dadurch, dass die Daten auf einer regionalen gesetzlichen Krankenkasse basieren. „Bundesweite vertiefende Studien in diesem Bereich sind unbedingt erforderlich“, fordert Andrea Icks.

 

 

Originalpublikation

  • Hospitalisation rate and mortality among people with and without diabetes during the COVID-19 pandemic year 2020, European Journal of Epidemiology (2022) 37:587-590; https://doi.org/10.1007/s10654-022-00865-6

 

 

 


Quelle: Deutsches Diabetes-Zentrum, 02.11.2022 (tB).

Schlagwörter: ,

MEDICAL NEWS

IU School of Medicine researchers develop blood test for anxiety
COVID-19 pandemic increased rates and severity of depression, whether people…
COVID-19: Bacterial co-infection is a major risk factor for death,…
Regenstrief-led study shows enhanced spiritual care improves well-being of ICU…
Hidden bacteria presents a substantial risk of antimicrobial resistance in…

SCHMERZ PAINCARE

Hydromorphon Aristo® long ist das führende Präferenzpräparat bei Tumorschmerz
Sorgen und Versorgen – Schmerzmedizin konkret: „Sorge als identitätsstiftendes Element…
Problem Schmerzmittelkonsum
Post-Covid und Muskelschmerz
Kopfschmerz bei Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln

DIABETES

Wie das Dexom G7 abstrakte Zahlen mit Farben greifbar macht…
Diabetes mellitus: eine der großen Volkskrankheiten im Blickpunkt der Schmerzmedizin
Suliqua®: Einfacher hin zu einer guten glykämischen Kontrolle
Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige…
Suliqua® zur Therapieoptimierung bei unzureichender BOT

ERNÄHRUNG

Positiver Effekt der grünen Mittelmeerdiät auf die Aorta
Natriumaufnahme und Herz-Kreislaufrisiko
Tierwohl-Fleisch aus Deutschland nur mäßig attraktiv in anderen Ländern
Diät: Gehirn verstärkt Signal an Hungersynapsen
Süßigkeiten verändern unser Gehirn

ONKOLOGIE

Strahlentherapie ist oft ebenso effizient wie die OP: Neues vom…
Zanubrutinib bei chronischer lymphatischer Leukämie: Zusatznutzen für bestimmte Betroffene
Eileiter-Entfernung als Vorbeugung gegen Eierstockkrebs akzeptiert
Antibiotika als Störfaktor bei CAR-T-Zell-Therapie
Bauchspeicheldrüsenkrebs: Spezielle Diät kann Erfolg der Chemotherapie beeinflussen

MULTIPLE SKLEROSE

Multiple Sklerose: Aktuelle Immunmodulatoren im Vergleich
Neuer Biomarker für Verlauf von Multipler Sklerose
Multiple Sklerose: Analysen aus Münster erhärten Verdacht gegen das Epstein-Barr-Virus
Aktuelle Daten zu Novartis Ofatumumab und Siponimod bestätigen Vorteil des…
Multiple Sklerose durch das Epstein-Barr-Virus – kommt die MS-Impfung?

PARKINSON

Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor…
Neue Erkenntnisse für die Parkinson-Therapie
Cochrane Review: Bewegung hilft, die Schwere von Bewegungssymptomen bei Parkinson…
Technische Innovationen für eine maßgeschneiderte Parkinson-Diagnostik und Therapie
Biomarker und Gene: neue Chancen und Herausforderungen für die Parkinson-Diagnose…