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Passive Sterbehilfe mit Lebensverkürzung in der klinischen Praxis häufig
Klinische Ethikberatung ist notwendig
Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin an der RUB
Bochum (26. September 2008) – Wenn ein geliebter Mensch im Sterben liegt, ist das für die Angehörigen nie leicht. Fakt ist, dass in Deutschland, dank der modernen Medizin, Menschen nur noch selten unerwartet sterben. Dies stellt die Beteiligten vor die Frage, wie man als Angehöriger oder aber auch als Arzt damit umgehen kann. Was ist aus ethischer Sicht vertretbar? Entscheidungen müssen getroffen werden. Nach einer Studie von PD Dr. Georg Bosshard (Inst. f. Biomedizinische Ethik, Zürich) in Ländern wie Italien, Belgien oder der Schweiz wird eine passive oder indirekte Sterbehilfe häufig auch angewandt.
Deutschland war nicht Teil der Studie. Jedoch sind hier die Probleme der Ärzte und Angehörigen dieselben. "Eine klinische Ethikberatung ist notwendig", sagt daher Prof. Dr. Dr. Jochen Vollmann, Leiter der Abteilung Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum und Präsident der Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin (25.-27.9., St. Josef-Hospital, Klinikum der RUB).
Anonyme Studie anhand von mehr als 30.000 Todesfällen
"Das Forschungsprojekt EURELD (European-End-of-Life-Decisions) ist das bisher ausgedehnteste Forschungsprojekt zu medizinischen Entscheidungen am Lebensende in Europa. Es basiert auf anonymen Befragungen von Ärztinnen und Ärzten anhand einer Zufallsstichprobe von über 30.000 Todesfällen in Belgien (Fladern), Dänemark, Holland, Norditalien, Schweden sowie der deutschsprachigen Schweiz. Hierbei stellte sich heraus, dass beispielsweise in der Schweiz die Befragten in fünfzig Prozent der Fälle eine Entscheidung getroffen hatten, die eine Lebensverkürzung in Kauf nahm oder beabsichtigte."
Wo es erlaubt ist, wird Sterbehilfe geleistet
Dieses Resultat zeigt, dass im hochentwickelten Gesundheitssystem moderner westlicher Staaten der Todeszeitpunkt zunehmend nicht mehr schicksalhaft erfolgt, sondern die Folge einer ärztlichen Entscheidung ist. Dabei entschieden sich Ärzte häufig für Formen der Lebensverkürzung, die in dem jeweiligen Land legal sind (passive oder indirekte Sterbehilfe). Bei Behandlungsverzicht und -abbruch berichteten die Befragten in fast der Hälfte der Fälle, sie hätten mit der ausdrücklichen Absicht zur Beschleunigung des Todeseintrittes so entschieden. Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass es sich bei der passiven Sterbehilfe keineswegs immer um ein unbeabsichtigtes Sterbenlassen handelt.
Das Thema der aktiven Sterbehilfe auf Verlangen sei besonders in den Ländern relevant, wo diese Praxis legal sei, sagt PD Dr. Bosshard. Beispiele hierfür seien die Niederlande (2,6% aller Todesfälle) und Belgien (0,3% aller Todesfälle). Insgesamt plädiert er für eine bessere Schulung der Ärztinnen und Ärzte in diesem Bereich.
Für ethische Fragen sensibilisieren
"Die moderne Medizin wirft zunehmend ethische Fragen auf, die im Alltag von Krankenhaus, Pflegeheim und Praxis entscheidend sind", sagt Prof. Vollmann. Hierzu gehören z. B. ethische Fragen nach der Begrenzung oder dem Abbruch von medizinischen Behandlungsmaßnahmen. Dazu sind neben medizinischen auch ethische und rechtliche Kenntnisse erforderlich. Die klinische Ethik, das Schwerpunktthema der diesjährigen Jahrestagung der Akademie für Ethik in der Medizin in Bochum, hat das Ziel einen Transfer von medizinethischem Fachwissen in die klinische Praxis zu ermöglichen. "Ärzte, Pflegepersonal und andere Gesundheitsberufe sollen für ethische Fragestellungen sensibilisiert werden, um diese frühzeitig zu erkennen und Möglichkeiten zur Lösung aufzuzeigen."
Konkretes Angebot für Patienten schaffen
Für den Patienten oder die Angehörigen sind die Klinischen Ethikkomitees und die klinische Ethikberatung im Krankenhaus ebenso wie in anderen Bereichen des Gesundheitswesens ein konkretes Angebot der Klinischen Ethik. In Komitees besprechen Ärzte den Gesundheitszustand der Patienten haargenau und diskutieren mögliche weitere Therapiekonzepte. In einer Beratung mit Patient oder Angehörigen, die immer nur subjektiv sein kann, wird dann versucht, die Entscheidungsfindung zu erleichtern. "Jedoch trifft die Beratung leider auch auf Widerstände und ist immer noch nicht überall bekannt. Das müssen wir ändern und insbesondere vermehrt die Wünsche der Patientinnen und Patienten zu Wort kommen lassen", so Prof. Dr. Dr. Vollmann.
USA sind Vorreiter – dynamische Entwicklungen in Deutschland
In den USA gibt es bereits seit den 1970er Jahren eine klinische Ethikberatung. Mitbegründerin ist Prof. Dr. Nancy Dubler, die als Koryphäe auf diesem Gebiet gilt. Dass heute alle amerikanischen Krankenhäuser und Altenpflegeheime vor ihrer Akkreditierung klinische Ethik-Strukturen nachweisen müssen, hat sie maßgeblich gefördert. In Deutschland hingegen entwickelt sich die klinische Ethikberatung erst seit Ende der 90er Jahre. Mittlerweile hat die Zentrale Ethikkommission bei der Bundesärztekammer alle Krankenhäuser aufgefordert, Klinische Ethikkomitees oder vergleichbare Formen der Beratung einzurichten und zu fördern.
Doppelt so hohe Anmeldezahlen
Dass das Interesse an der Jahrestagung in diesem Jahr fast doppelt so hoch ist wie in den vergangenen Jahren, lässt sich nicht zuletzt auf das brisante Thema und die neue Konzeption der Tagung zurückführen. Schwerpunkte der Tagung sind aktuelle Kontroversen über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen in Deutschland sowie ethische Entscheidungen am Lebensende und ihre ethischen und rechtlichen Entwicklungen. Neben den Vorträgen wird den Teilnehmern in diesem Jahr auch Raum für praktische Berichte und Erfahrungen geboten.
Quelle: Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum vom 26.09.2008 (tB).