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50 Jahre Nasivin
Speyer (28. Januar 2011) – Das Jahr 1961 – Juri Gagarin erobert als erster Mensch den Weltraum, John F. Kennedy wird der jüngste Präsident der USA, J. Heinrich Matthaei und Marshall Warren Nirenberg entschlüsseln den genetischen Code – Dr. Wolfgang Fruhstorfer synthetisiert zusammen mit Dr. Helmut Müller-Calgan bei der Merck AG in Deutschland Oxymetazolin (OMZ) und erfindet damit das moderne α-Sympathomimetikum.
Als Nasivin® trat Oxymetazolin vor nun 50 Jahren seinen Siegeszug um die Welt an, so Erich Nobis, Geschäftsführer Merck Selbstmedikation. Seither bewährte sich Oxymetazolin als zuverlässiges Schnupfenmittel und flog sogar mit auf den Mond. Als Spray oder Tropflösung angewendet, sorgt es innerhalb von Sekunden für freie Atmung, dabei hält der Effekt bis zu zwölf Stunden an. Lange Zeit war die Tatsache, dass das α-Sympathomimetikum die kleinen Gefäße in der Nasenschleimhaut verengt, eine hinreichende Erklärung für seine Wirkung. In den letzten Jahren aber wurden durch verschiedene Studien wesentlich genauere Erkenntnisse gewonnen.
Diese über ein halbes Jahrhundert durchgeführten Untersuchungen schufen die Grundlage, dass Oxymetazolin mit zu den bestuntersuchten und dokumentierten Wirkstoffen gehört, berichtet Prof. Dr. Marcus Plehn, Brackenheim. Diesen Studien verdankt man auch die Entdeckung der 3-fach-Wirkung von Nasivin®: abschwellend, entzündungshemmend und antiviral.
Nasivin® mit kausaler Therapiekomponente – antivirale Wirkung
„Rhinoviren gelten als die Hauptverursacher des Schnupfens, und man kann sagen, dass Rhinoviren unter den humanpathogenen Viren die Erreger sind, denen wir als Menschen im Laufe unseres Lebens am häufigsten begegnen“, erläutert Prof. Dr. med. Ortwin Adams, Virologe aus Düsseldorf. Während es bisher nur bei der Behandlung der durch die Influenzaviren hervorgerufenen „echten Grippe“ gelungen ist, direkt antiviral wirksame Substanzen zu entwickeln, galt die Behandlung mit dem α-Sympathomimetikum Oxymetazolin (Nasivin®) in der Vergangenheit als rein symptomatisch. Umso interessanter sind deshalb Studienergebnisse der letzten Jahre, die zeigen, dass Oxymetazolin neben seiner vasokonstriktorischen Wirkung direkt die schnupfenauslösenden Viren bekämpft. In In-vitro-Modellen konnte gezeigt werden, dass Oxymetazolin die Virusvermehrung mit einer Standardtherapiedosis um 67 % hemmen kann und damit direkt viruzid wirkt, so Adams. Es beeinflusst darüber hinaus die für das Virus essenziellen Andockstellen auf der Wirtszelle. Oxymetazolin hemmt die Rezeptordichte für humane Rhinoviren auf der Zelloberfläche um ca. 39 %. (Kölsch et al. 2007).
Immunmodulierend und antiinflammatorisch
Es ist laut Professor Adams jedoch bekannt, dass als Ursache des Krankheitsgefühls bei Rhinovirusinfektionen nicht nur die Virusvermehrung zu sehen ist, sondern auch eine überschießende Immunreaktion des infizierten Wirts, die das Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Im Zusammenhang mit Oxymetazolin konnte gezeigt werden, dass es diese Immunantwort moduliert in dem Sinne, dass es die stark entzündungsfördernden „proinflammatorischen“ Reaktionen des Immunsystems dämpft ohne dabei die positiven „gewollten“ Effekte der Immunantwort zu schwächen. Leukotrien B4 beispielsweise wird über den 5-Lipoxygenase-Weg gebildet und hat entzündungsfördernde Eigenschaften. Oxymetazolin verringert die Bildung von Leukotrien B4 um ca. 35 %. Außerdem reduziert Oxymetazolin den oxydativen Stress um bis zu 54 % (Beck-Speier et al. 2006).
Verkürzung der Schnupfendauer
Durch diese vielfältigen Eigenschaften bekommt der Einsatz von Oxymetazolin eine zusätzliche, als kausale Therapie zu bezeichnende Komponente, stellt Adams fest. Der Nutzen für den Patienten besteht unter anderem in einer deutlichen Verkürzung der Schnupfendauer um ca. 2 Tage (Reinecke et al. 2005).
Frühzeitige Schupfenbehandlung ist wichtig
Warum die frühzeitige und richtige Behandlung eines „banalen“ Schupfens wichtig ist – gerade bei Kindern – erklärt Dr. Reinhard Erdl, Kinder- und Jugendarzt aus München. Verlauf und Symptomatik der akuten Rhinitis unterscheiden sich in den verschiedenen Altersstufen nur unwesentlich, ganz im Gegensatz zur Komplikationsrate. Folgeerkrankungen einer Rhinitis können Mittelohr- oder Nasennebenhöhlenentzündungen sein, ferner eine Bronchitis oder gar eine Lungenentzündung. Sie treten bei Kindern häufiger auf als bei Erwachsenen.
Der Anteil von Patienten mit akuter Rhinitis beträgt in der pädiatrischen Praxis etwa 10-15 %, etwa jeder 8. bis 10. kleine Patient kommt wegen eines Infektes der Oberen Atemwege, so Erdl. Entwicklungsbedingt leiden Säuglinge und Kleinkinder etwa zehnmal pro Jahr an Erkältungskrankheiten, Kinder im Kindergartenalter etwa sechs-achtmal, im Schulalter nur noch etwa zwei- bis dreimal und Erwachsene etwa ein- bis zweimal. Dies ist auf die besonderen anatomischen und atemphysiologischen Gegebenheiten zurückzuführen, wie Erdl erläutert: Die noch sehr engen und feinen Nasengänge bei Säuglingen und Kleinkindern verstopfen schnell. Da Säuglinge obligate Nasenatmer sind, ist die Beeinträchtigung bei ihnen besonders ernst. Außerdem ist ihr Immunsystem noch nicht vollständig ausgereift. Die Folgen sind schreiende Babys und Eltern, die um ihren erholsamen Schlaf gebracht werden.
Wie wichtig und notwendig eine frühzeitige Therapie ist, konnte im Rahmen einer prospektiven, strukturierten und multizentrischen Beobachtungsstudie an 638 Säuglingen und Kleinkindern (Durchschnittsalter sechs Monate) am Beispiel von Nasivin® ohne Konservierungsstoffe Dosiertropfer für Babys (Oxymetazolin 0,01 %) gezeigt werden (Bergner et al. 2005). Die Schnupfensymptomatik, Nasenatmung und Trinkbeschwerden besserten sich, Nebenwirkungen traten bei keinem der behandelten Säuglinge auf. Dementsprechend beurteilten 99 % der behandelnden Ärzte sowie 98 % der Eltern die Verträglichkeit als „sehr gut“ oder „gut“. Die Anwendung des einzigartigen Dosiertropfers für Babys erwies sich als einfach, wirksam, verträglich und sicher. Der Nasivin® Dosiertropfer wird vor der Nase des Kindes platziert wird und das Baby nicht durch eine unangenehme Berührung irritiert. Auch das Risiko einer eventuellen Überdosierung ist mit dem „springenden Tropfen“ kleiner.
50 Jahre − von der Glaspipette zum „springenden Tropfen“
Doch bis zum „springenden Tropfen“ war es ein langer Weg mit kontinuierlicher Forschung und Entwicklung, berichtet Professor Plehn. In Darmstadt synthetisieren Dr. Wolfgang Fruhstorfer und Dr. Helmut Müller-Calgan erstmals den Wirkstoff Oxymetazolin. Die „schleimhaut-abschwellende Lösung für Nase und Augen“ wird im November 1961 in den Markt eingeführt. Für die moderne Variante der α-Sympathomimetika ist eine besonders lange Wirkdauer nachgewiesen. Das neue und schonende Präparat erhält den Namen Nasivin®. Schon ein Jahr später kommt das erste Nasenspray von Nasivin® in die deutschen Apotheken.
Oxymetazolin landet auf dem Mond und versorgt Babynasen
1969 landet die Apollo-11-Mission auf dem Mond – und Oxymetazolin ist mit an Bord auf-grund seiner schnellen und lang anhaltenden Wirkung. Bereits 1971 bringt Merck die ersten Baby-Nasentropfen auf den Markt. Eine besonders niedrige Dosierung (0,01 %) ermöglicht die Behandlung der empfindlichen Babynasen. Bis in die neunziger Jahre bleibt Merck der einzige Hersteller, der eine altersgerechte Dosierung für die jüngsten Schnupfenpatienten anbietet.
Ein Jahr später (1972) entwickelt Merck mit den patentierten Nasivinetten® das erste Dosiersystem ohne Konservierungsstoffe. Jede Dosis wird einzeln verpackt, wodurch eine eventuelle Kontamination des Schnupfenmittels ausgeschlossen wird. Ab der zweiten Hälfte der neunziger Jahre kommt Nasivin® als erstes Schnupfenmittel auch bei Sprayflaschen ohne Konservierungsmittel aus. Eine spezielle Konstruktion des Dosiersystems verhindert eine Kontamination der Wirkstofflösung.
1998 schließlich revolutioniert Merck die Schnupfenbehandlung bei Babys mit dem „springenden Tropfen“. Der erste Dosiertropfer speziell für Babys schon ab der ersten Lebenswoche wird außerhalb der Babynase angewendet. Er setzt genau einen Tropfen frei, der in die Nase springt. So kann der Wirkstoff Oxymetazolin exakt dosiert und das Kind im Liegen sicher behandelt werden, auch wenn es unruhig ist.
Forschung ermöglicht Indikationserweiterung
Intensive Forschung und zahlreiche Studien führten 2005 zu einer Indikationserweiterung von Nasivin®. Es ist nun als einziges Schnupfenmittel zur Behandlung der akuten Rhinitis zugelassen. Zusätzlich zu der bekannten abschwellenden Wirkung des α-Sympathomimetikums werden in verschiedenen Untersuchungen antivirale, entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften von Oxymetazolin belegt, erläutert Plehn. Nasivin® ist also 3-fach wirksam. Die aktuellen Indikationen Nasivin® umfassen: Akuter Schnupfen (Rhinitis acuta), allergischer Schnupfen (Rhinitis allergica) und anfallsweise auftretender Fließschnupfen (Rhinitis vasomotorica). Außerdem kann es angewendet werden zur Erleichterung des Sekretabflusses bei Entzündungen der Nasennebenhöhlen sowie bei Tubenkatarrh in Verbindung mit Schnupfen und zur diagnostischen Schleimhautabschwellung.
Quellen
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Beck-Speier I, Dayal N, Karg E, Maier KL, Schumann G, Semmler M and Koelsch SM. 2006. Oxymetazoline inhibits pro-inflammatory reactions: Effect on arachidonic acid-derived metabolites. JPET 316: 843-851.
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Bergner A, Tschaikin M. 2005. Schnupfenbehandlung bei Babys und Kleinkindern. Deutsche Apotheker Zeitung 44: 97-99.
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Kölsch S et al. 2007. Anti-Rhinovirus-specific Activity of the Alpha-smypathomimetic Oxymetazoline. Drug Research 57, Nr. 7, 475-482.
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Reinecke S, Tschaikin M. 2005. Untersuchung der Wirksamkeit von Oxymetazolin auf die Rhinitisdauer. Ergebnisse einer placebokontrollierten Doppelblindstudie bei akuter Rhinitis. Münchner Medizinische Wochenschrift – Fortschritte der Medizin. Originalien III: 113-118.
Quelle: Pressekonferenz der Firma Merck „50 Jahre Nasivin“ am 28.01.2011 in Speyer (tB).