Patientenrechte auf der Zielgeraden

Patientenrechtegesetz vom Bundestag verabschiedet

 

Berlin (29. November 2012) – Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten" (Patientenrechtegesetz) wurde heute in 2./3. Lesung vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Das Patientenrechtegesetz bündelt erstmals die Rechte von Patientinnen und Patienten und entwickelt sie in wesentlichen Punkten weiter.

 

Dazu erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Die Neuregelungen sorgen für mehr Transparenz, von der alle Patientinnen und Patienten profitieren. Erstmals werden Informations- und Aufklärungspflichten gesetzlich verankert. Jeder kann jetzt ins Gesetz schauen und weiß sofort, welche Rechte und Pflichten ihn treffen. Das Informationsgefälle zwischen Behandelnden und Patientinnen und Patienten wird endlich ausgeglichen. Patientinnen und Patienten müssen vor der Behandlung umfassend informiert werden, insbesondere welche Untersuchungen anstehen und welche Therapien beabsichtigt sind – und zwar so, dass es verständlich ist. Auch haben Patienten zukünftig das Recht, ihre vollständige Patientenakte einzusehen. Die Neuregelungen stellen sicher, dass die Patientenakte nicht nachträglich manipuliert wird. Diese verbesserten Aufklärungs- und Informationspflichten führen für die Patienten ganz konkret zu einer erheblichen Beweiserleichterung, wenn Behandlungsfehler im Raum stehen. Einwilligungsunfähige Patienten sollen stärker in das Behandlungsgeschehen eingebunden werden. Sie sollen grundsätzlich über wesentliche Umstände der vorgesehenen Maßnahme in verständlicher Weise in Kenntnis gesetzt werden. Die Stärkung der Rechtsposition von Patientinnen und Patienten ist nicht länger ein bloßes Versprechen, sondern wird nun endlich Realität."

 

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erklärt:„Unser Leitbild ist der mündige Patient. Patientenorientierung und Patientenautonomie sind erklärte Ziele unserer Gesundheitspolitik. Das Patientenrechtegesetz wird die Position der Patienten künftig stärken. So sollen die Bewilligungsverfahren durch die Krankenkassen schneller erfolgen. Wenn der Versicherte in Zukunft einen Antrag auf Leistungen stellt, so hat die Krankenkasse grundsätzlich drei Wochen Zeit zur Entscheidung. Sollte die Krankenkasse in dieser Frist keine Antwort gegeben haben, so gilt die Leistung als bewilligt. Patientinnen und Patienten sollen die bestmögliche Versorgung erhalten. Wir unterstützen die Beteiligung von Krankenhäusern an einrichtungsübergreifenden Fehlermeldesystemen. Es gilt, nicht nur die eigenen Fehler aufzuarbeiten, sondern auch aus Fehlern anderer zu lernen. Ziel ist eine Fehlervermeidungskultur, nicht eine Defensivmedizin."

 

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller erklärt: „Das Patientenrechtegesetz ist das moderne Fundament für ein immer komplizierteres Gesundheitswesen. Es stellt die dringend benötigte Transparenz über die Rechte und Pflichten aller Beteiligten her. Auf dieser Informationsgrundlage werden die Patienten zu gleichwertigen Partnern und ein vertrauensvolles Miteinander zur Regel. Darüber hinaus werden die neu verankerten Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme eine neue Fehlerkultur befördern. Und nicht zuletzt werden die Rechte der Patienten gegenüber den Krankenkassen erheblich gestärkt: Sie müssen bei einem Behandlungsfehlerverdacht helfen und über Leistungen innerhalb von drei Wochen entscheiden – sonst gelten sie als genehmigt. Damit vermeiden wir unnötige Konflikte und schaffen eine noch bessere, sicherere sowie schnellere Versorgung. Das dient einem Ziel: der Gesundheit aller.“

 

Das Patientenrechtegesetz muss in den nächsten Wochen noch vom Bundesrat beraten werden. Es handelt sich um ein Gesetz, das nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

 

 

Zum Hintergrund

 

Das Gesetz umfasst folgende Regelungsbereiche:

 

  • Der Behandlungsvertrag wird ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Hier wird Vertragsbeziehung zwischen Patienten und Ärzten, aber auch zu anderen Heilberufen wie Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten zentral geregelt.
  • Patientinnen und Patienten müssen verständlich und umfassend informiert werden, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen und beabsichtigte Therapien. Diese Informationspflicht besteht auch für die mit der Behandlung verbundenen Kostenfolgen: Werden Behandlungskosten nicht von der Krankenkasse übernommen und weiß dies der Behandelnde, dann muss er den Patienten vor dem Beginn der Behandlung entsprechend informieren. Auch muss der Behandelnde den Patienten unter bestimmten Voraussetzungen über einen Behandlungsfehler informieren.
  • Die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung erfordert, dass grundsätzlich alle Patientinnen und Patienten umfassend über eine bevorstehende konkrete Behandlungsmaßnahme und über die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden müssen. Damit sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen kann, muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden. Eine schriftliche Aufklärung reicht alleine nicht aus. Auch Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, allein über die Behandlungsmaßnahme zu entscheiden, werden künftig verstärkt mit in den Behandlungsprozess eingebunden, indem das Gesetz festlegt, dass auch ihnen die wesentlichen Umstände der bevorstehenden Behandlung zu erläutern sind.
  • Ferner werden auch die Dokumentationspflichten bei der Behandlung im Gesetz niedergeschrieben. Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu führen. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird im Prozess zu Lasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist. Behandelnde sind künftig auch verpflichtet, zum Schutz von elektronischen Dokumenten eine manipulationssichere Software einzusetzen.
  • Patientinnen und Patienten wird ein gesetzliches Recht zur Einsichtnahme in ihre Patientenakte eingeräumt, das nur unter strengen Voraussetzungen und künftig nur mit einer Begründung abgelehnt werden darf.
  • Schließlich wird es in Haftungsfällen mehr Transparenz geben. Die wichtigen Beweiserleichterungen berücksichtigen die Rechtsprechung und werden klar geregelt. Damit wird künftig jeder im Gesetz nachlesen können, wer im Prozess was beweisen muss.

 

 

Auch die Versichertenrechte in der gesetzlichen Krankenversicherung werden gestärkt:

 

  • Ein wichtiges Anliegen im Interesse von Patientinnen und Patienten ist die Förderung einer Fehlervermeidungskultur in der medizinischen Versorgung. Behandlungsfehlern möglichst frühzeitig vorzubeugen, hat höchste Priorität.
  • Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkung der Rechte von Patientinnen und Patienten gegenüber den Leistungserbringern. Künftig sind die Kranken- und Pflegekassen verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Dies kann etwa durch Unterstützungsleitungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z.B. medizinischen Gutachten, geschehen.
  • Zudem werden Sanktionen bei Verletzung von Verfahrensvorschriften, wie beispielsweise einer nicht fristgemäßen Entscheidung bei Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, eingeführt. Krankenkassen müssen binnen, drei, bei Einschaltung des medizinischen Dienstes innerhalb von fünf Wochen über einen Leistungsantrag entscheiden. Bei vertragszahnärztlichen Anträgen hat die Krankenkasse innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden, der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für eine Fristüberschreitung, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.
  • Die Patientenbeteiligung wird weiter ausgebaut. Patientenorganisationen werden insbesondere bei der Bedarfsplanung stärker einbezogen und ihre Rechte im Gemeinsamen Bundesausschuss werden gestärkt.
  • Um insgesamt mehr Transparenz über geltende Rechte von Patientinnen und Patienten herzustellen, erstellt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung künftig eine umfassende Übersicht der Patientenrechte und hält sie zur Information der Bevölkerung bereit.

 

Weitere Informationen finden Sie auch unter www.bmj.de und www.patientenbeauftragter.de  

 

 

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Weitere Informationen

 

 


 

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (BMG), 29.11.2012 (tB).

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