Stellungnahme des DBfK zur Anhörung im Gesundheitsausschuss

Finanznot der Krankenhäuser

Berlin (16. Juni 2008) – Stellungnahme des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) zur öffentlichen Anhörung des Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages am 18. Juni 2008 zu den Anträgen der Oppositionsfraktionen:

a) Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser beenden
(BT-Drs. 16/8375)

b) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Krankenhäuser zukunftsfähig machen
(BT-Drs. 16/9008)

c) Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad
Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Verbesserung der Finanzsituation der Krankenhäuser
(BT-Drs. 16/9057)

Vorbemerkung
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) begrüßt die politischen Initiativen der Oppositionsparteien zur Neugestaltung und Umstrukturierung der Krankenhausfinanzierung. Die finanzielle Situation der Krankenhäuser und deren Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung machen unverzügliches politisches Handeln erforderlich. Der Pflege in deutschen Krankenhäusern droht nach Auffassung des DBfK nach einem schleichenden, jahrelangen Arbeitsplatzabbau der Zusammenbruch: Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte sind heute unzumutbar. Die Sicherheit der Patienten ist nicht mehr gewährleistet. Die allgemeinen Ursachen für die Krise der deutschen Pflege liegen im Pflegepersonalabbau bzw. -mangel bei gleichzeitig steigendem Pflegebedarf durch höhere Patientenzahlen und dem Anstieg pflegeintensiverer (u. a. chronischer) Erkrankungen. Die Pflegepersonalausstattung an den Krankenhäusern hat aktuell einen nie gekannten Tiefststand erreicht (2007: 299.328). Die von der OECD diagnostizierte ‚hohe Produktivität’ deutscher Pflegekräfte und Ärzte stellt die positive Umdeutung dieser Belastung dar. Qualifizierte Pflegefachkräfte werden anscheinend eher als Budgetlast denn als Ressource wahrgenommen. Denn die unter dem Budgetdeckel erforderlichen Einsparungen in den Krankenhäusern wurden zu einem wesentlichen Teil durch Personalabbau in der Pflege umgesetzt.

Die Krankenhäuser stehen weiterhin unter einem erheblichen Kosten- und Wettbewerbsdruck, 40 Prozent aller Klinken wollen auch in 2008 weiter Stellen in der Pflege abbauen (Krankenhausbarometer 2007) – auf dem Rücken von Patienten und Pflegekräften, zu Lasten von Qualität und Sicherheit1. In den Krankenhäusern wurden seit 1995 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 51.243 Arbeitsplätze im Pflegedienst abgebaut, gleichzeitig stiegen die Fallzahlen von 15,9 auf 16,8 Millionen (Statistisches Bundesamt 2008). Die Struktur der Pflegefälle hat sich noch dadurch verschärft, dass immer mehr multimorbide und ältere Patienten einen hohen Unterstützungsbedarf haben. Analytische Messinstrumente zur Erfassung von Pflegepersonalbedarf wurden vor Jahren bereits wieder außer Kraft gesetzt.

Nach dem Pflegethermometer 2007 (Deutschens Institut für angewandte Pflegeforschung, Köln) können beispielsweise nur in einem Drittel der Krankenhäuser eine regelmäßige Grundpflege und Lagerung von Patienten erbracht werden, und nur 25 Prozent aller Häuser können sich überhaupt intensiv um pflegebedürftige Patienten kümmern. Die Befunde zur physischen wie psychischen Belastungen der Beschäftigten in den Pflegeberufen sind zahlreich und spiegeln die drastische Situation (u.a. BGW-DAK Pflegereporte). Stellvertretend sind die Ergebnisse der Erwerbstätigenbefragung 2007 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu nennen: Pflegende müssen häufiger schwer heben als Bauarbeiter (68% der Pflegenden, 54% der Bauarbeiter); Schichtarbeit trifft rund 77% der Pflegenden; mehr als 90 % arbeiten an Sonn- und Feiertagen; 50% leisten Nachtschichten; Beschwerden durch Muskel- und Skeletterkrankungen (Rückenschmerzen) sind in Pflegeberufen deutlich häufiger als in anderen Branchen; 27% der Pflegenden haben das Gefühl, häufig an die Grenze der Leistungsfähigkeit gehen zu müssen (andere Berufe: 16,6%).

Unbeschadet der öffentlichen Diskussion über Fachkräftemangel und steigenden Pflegebedarf werden Ausbildungsplätze abgebaut. Zur Sicherstellung der Versorgung der Patienten und akzeptabler Arbeitsbedingungen der Pflegefachkräfte ist eine Personalausstattung in allen Versorgungsbereichen erforderlich, die eine qualitativ hochwertige und dem Bedarf angemessene pflegerische Versorgung gewährleistet. Nur so können Arbeitsbedingungen geschaffen werden, die den Kompetenzen und Fähigkeiten der Berufsgruppe Rechnung trägt und Gesundheitsförderung und sichere Arbeitsplatzgestaltung einen hohen Stellenwert erhalten.

Stellungnahme
Der DBfK als Mitglied des Deutschen Pflegerates e.V. (DPR) trägt dessen Stellungnahme in allen Teilen mit und nimmt hier zu einigen Punkten ergänzend bzw. insbesondere unter der Perspektive der Arbeitsbedingungen für die Pflegeberufe im Krankenhaus gesondert Stellung.

Der DBfK fordert rasche politische Entscheidungen, zur kurz- und mittelfristigen Sicherung der Versorgung von Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern. Dazu ist es unerlässlich, dass:

  • die Budgetgestaltung so modifiziert wird, dass Kostensteigerungen durch externe Einflüsse (z.B. Tariferhöhungen, Energiekosten) kompensiert werden;
  • der Stau der Krankenhausinvestitionen aufgefangen und für die Zukunft durch die schrittweise Einführung einer monistischen Finanzierung eine sinn- und planvolle Weiterentwicklung gesichert wird;
  • das von der Bundesgesundheitsministerin angekündigte Förderprogramm zur Pflegepersonalausstattung in den Krankenhäusern rasch umgesetzt wird;
  • zur Sicherung der angemessenen Personalausstattung in der Pflege analytische Personalbemessungsverfahren eingeführt werden.

Zu den Anträgen im Einzelnen:
a) Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser beenden.

Der DBfK unterstützt die Rücknahme des Sanierungsbeitrages und hält die Gegenfinanzierung der Tarifabschlüsse für 2008 durch die Kostenträger für eine geeignete kurzfristige Maßnahme, die Krankenhäuser finanziell zu entlasten und den Beschäftigten finanzielle Sicherheit in der Entlohnung ohne Androhung neuer Sparmaßnahmen zu signalisieren. Mittelfristig muss die Verkoppelung von Grundlohnsummenentwicklung und Budgetbemessung abgeschafft und durch ein realitätsnahes Verfahren ersetzt werden. Bund und Länder sind aufgefordert, durch geeignete Maßnahmen den Investitionsstau sofort zu beheben und mittelfristig die in den vergangenen Jahren entstandene Situation durch geeignete und für die Krankenhäuser tragfähige Rahmen und Instrumentarien zukünftig präventiv zu behandeln.

b) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Krankenhäuser zukunftsfähig machen.

Der DBfK weist darauf hin, dass alle notwendigen Leistungen in der Versorgung sicher zu stellen sind, also auch Belange der Notfallversorgung, die derzeit von Pauschalen unberücksichtigten Leistungserbringungsbereiche wie die Psychiatrie oder auch in der Sicherstellung von Aus-, Fort- und Weiterbildung, unabhängig von Anreizsystemen wie Förderpauschalen. Es ist weiterhin darauf zu achten, dass bei einer Beteiligung der Krankenkassen an Investitionskostenfinanzierung gesetzliche wie private Krankenkassen beteiligt sind. Die Krankenhausplanung ist ein Sicherstellungsauftrag der Länder und soll dort bleiben. Eine Beteiligung von Krankenkassen erscheint nicht zielführend.

c) Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP. Verbesserung der Finanzsituation der Krankenhäuser. Der DBfK unterstützt den Vorschlag, den Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser zu streichen. Die kurz- und mittelfristige Investitionssicherheit für die Krankenhäuser muss durch notwendige Systemveränderungen in Richtung Monistik realisiert werden.

Schlussbemerkung
Die aktuell vorliegenden Anträge können lediglich kurzfristig die gravierenden Probleme abmildern. Zur Sicherung der Gesundheitsversorgung von Patientinnen und Patienten – und insbesondere dem pflegerischen Beitrag hierzu – bedarf es mittel- und langfristiger Anstrengungen. Alle Verantwortung Tragenden müssen ihren wohlfeilen Worten, wie wichtig der Beitrag der Pflege – nicht nur im Krankenhaus – sei, Taten folgen lassen. Zu den Reformbemühungen gehören u.a. eine Novellierung der Ausbildungsgesetze mit einem Einstieg in die Hochschulausbildung und Entwicklungs-Perspektiven innerhalb des Berufs.


Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) vom 16.06.2008 (tB).

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