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Fachpresse-Workshop „Supportivtherapie in der Onkologie“ feiert 20. Geburtstag
München (10. Juli 2009) – Supportive Maßnahmen in der Onkologie sind viel mehr als nur unterstützende Begleittherapien, betonte Professor Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Direktor der Klinik für Innere Medizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Moderator des Jubiläums-Workshops*. Die Supportivtherapie umfasst die Prävention und das Management unerwünschter Wirkungen einer Tumorerkrankung und der onkologischen Therapie über den gesamten Zeitraum der Erkrankung hinweg und bedeutet auch die Verbesserung der Rehabilitation und des Überlebens. Der Hallenser Onkologe führte aus: „Selbst nach 20 Jahren Supportivtherapie lässt sich feststellen: Wir müssen noch weiterhin daran arbeiten, dass die Supportivtherapie essentieller Bestandteil eines jeglichen modernen Tumortherapiekonzeptes ist und die supportiven Maßnahmen weiterhin optimiert werden“. Unter diesem Aspekt wurden im Fachpresse-Workshop vier wichtige Themenkomplexe behandelt: Die orale Mukositis stellt nicht nur eine subjektiv stark belastende Nebenwirkung dar, sondern kann auch zum dosislimitierenden Faktor werden. Daher sollte eine entsprechende leitliniengerechte Behandlung und adäquate Mundhygiene obligat sein. Ebenso ist eine konsequente antiemetische Prophylaxe ein wesentlicher Bestandteil onkologischer Konzepte. Die Schmerztherapie ist ebenfalls ein wichtiger Pfeiler der onkologischen Supportivtherapie. Der Knochen ist bei vielen Tumorentitäten einer der häufigsten Metastasierungsorte. Bisphosphonate stellen die Behandlungsmethode der Wahl bei Knochenmetastasen dar. Intravenös oder oral verabreicht senken sie die Zahl skelettaler Komplikationen.
Orale Mukositis – intensivierte Mundhygiene mit zentraler Stellung im Supportivkonzept
Die orale Mukositis ist eine der häufigsten Nebenwirkungen einer Strahlen- und/oder Hochdosis-Chemotherapie, die die Patienten sehr belastet. Bei Patienten, die sich einer simultanen Radio-Chemotherapie unterziehen müssen wie z. B. bei Kopf-Hals-Tumoren, ist die Lage noch drastischer: „Nahezu jeder Patient entwickelt mindestens eine Mukositis Grad II bis III“, erläuterte Professorin Dr. med. Petra Feyer, Berlin, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin (ASORS). Risikofaktoren für eine Mukositis sind vor allem eine zeitgleich laufende Chemotherapie mit Substanzen, die an der Schleimhaut angreifen, wie z.B. 5-FU. Als patientenseitige Risikofaktoren erweisen sich schlechte Mundhygiene, Rauchen und Alkohol. Die Folgen dieser Erosion der Epithelzellen in Mund- und Rachenraum werden laut Feyer noch häufig unterschätzt. Tatsache ist jedoch, dass eine orale Mukositis sehr schmerzhaft ist und die Fähigkeit des Patienten beeinträchtigt zu essen oder überhaupt etwas zu schlucken. Der Allgemeinzustand und die Lebensqualität der Patienten sind deutlich vermindert, zum Teil muss die Behandlung unterbrochen oder modifiziert werden mit den Folgen einer Verschlechterung der Tumorheilungsaussichten. Verlängerte Krankenhausaufenthalte, parenterale Ernährung, Medikamente gegen Schmerzen und Infektionen belasten zudem das finanzielle Budget. „Eine orale Mukositis ist für den Patienten nicht nur quälend, sondern wirkt sich auch ungünstig auf seine Prognose aus, denn die Schädigung oder der Verlust des Mund- und Rachenepithels erleichtert das Eindringen von Bakterien, Pilzen oder Viren und kann damit Ausgangspunkt einer lebensbedrohlichen Infektion oder Sepsis sein“, ergänzte die Expertin.
Eine adäquate Behandlung oder – noch besser – eine Prophylaxe der Mukositis sollte daher das Ziel sein. In den Leitlinien der DEGRO (Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie) und der ASORS nehmen Zahn- und Mundhygiene eine zentrale Stellung ein. Die aktuellen Leitlinien der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) zum Management der oralen Mukositis (www.mascc.org) stellen explizit die Möglichkeit der Prävention heraus. So besitzt eine gründliche Zahnsanierung vor Beginn der Behandlung einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus ist die professionelle Mundpflege zusammen mit regelmäßigen Mundspülungen ein guter Ansatz für die Mukositis-Prävention. Die Mundspülung mit einer übersättigten Calciumphosphat-Lösung (Caphosol®) konnte ihre Effektivität in klinischen Studien unter Beweis stellen. In einer randomisierten Doppelblindstudie (Papas A et al. Bone Marrow Transplant 2003;31(8):705-12) ließen sich durch Caphosol® bei Patienten mit einer Knochenmarkstransplantation im Vergleich zur Kontrollgruppe folgende Parameter signifikant reduzieren: Dauer der Mukositis (- 49 %), Schmerzdauer (- 63 %), Einnahmedauer von Morphinen (- 69 %), Gesamtmenge an verwendetem Morphin (- 72 %) und Peak-Level der Mukositis (- 67 %). Ergebnisse aus dem COMFORT-Beobachtungs-Register unterstützen diese überzeugenden Daten. Eine Arbeit von hinsichtlich Reduktion der oralen Mukositis in Inzidenz und Schwere. Weiterführende Studien sind geplant. „Mit einfach durchzuführenden Methoden wie einer Mundspülung mit Caphosolerzielen wir im klinischen Alltag gute Ergebnisse und empfehlen sie daher unseren Patienten“, unterstrich Feyer. Miyamato et al. (MASCC 2009) belegte den Benefit einer konsequenten Mundspülung mit Caphosol.®
Emesisprophylaxe bei moderat emetogener Chemotherapie – Therapiefortschritte mit Aprepitant-Kombination
„Übelkeit und Erbrechen zählen zwar nach wie vor zu den am meisten gefürchteten Nebenwirkungen einer Chemotherapie, konnten aber in den vergangenen Jahren durch die Verfügbarkeit effektiver Substanzen wie 5-HT3-Rezeptorantagonisten und NK1-Rezeptorantagonisten bei einem Großteil der Patienten verhindert werden“, sagte Professor Hans-Joachim Schmoll, Halle. Um verbesserte Ergebnisse zu erzielen, müsse allerdings eine optimale, an den Leitlinien orientierte antiemetische Prophylaxe durchgeführt werden. So sollte laut der aktuellen Leitlinien (www.mascc.org) bei hoch emetogener Chemotherapie (HEC) an Tag 1 ein Dreierregime bestehend aus Aprepitant (Emend®) plus Setron/Dexamethason gegeben werden. Dabei ist laut Schmoll darauf zu achten, dass das Steroid möglichst niedrig dosiert verabreicht wird, da durch diese Substanz einige unerwünschte Wirkungen auf die Therapie resultieren können.
Bei moderat-emetogenen Chemotherapien (MEC) beschränkt sich die Leitlinien-Empfehlung des Dreierregimes derzeit auf Anthrazyklin- und Cyclophosphamid- (AC) haltige Kombinationen. „Jedoch könnte eine zum diesjährigen amerikanischen Krebskongress vorgestellte Phase-III-Studie dazu beitragen, das Vorgehen bei moderater Emesis weiter zu optimieren“, so Schmoll weiter. In diese plazebokontrollierte Untersuchung wurden 848 Patienten mit einem Mamma-, Lungen-, Ovarial- oder kolorektalem Karzinom eingeschlossen (Schmoll et al. ASCO 2009, Abstract 9626). 52 % der Patienten erhielten eine nicht AC-basierte Chemotherapie. Randomisiert bekamen die Patienten entweder eine Kombination aus Ondansetron (Tag 1 bis 3) und Dexamethason (an Tag 1) plus Plazebo (Kontrollarm) oder eine Dreierkombination aus Aprepitant (125 mg an Tag 1, 80 mg an Tag 2 und 3), Ondansetron und Dexamethason (jeweils an Tag 1). Während im Kontrollarm nur 62 % der Patienten den primären Endpunkt erreichten, d.h. innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der Chemotherapie kein Erbrechen hatten, war der Anteil im Aprepitant-Arm mit 76 % signifikant höher (p < 0,01). Auch ein komplettes Ansprechen, definiert als kein Erbrechen und keine Bedarfsmedikation, war bei zusätzlicher Aprepitant-Gabe signifikant häufiger als mit der Zweierkombination (69 % vs. 56 %; p < 0,01). Der Studienleiter Schmoll bemerkte: „Betrachtet man nur die akute Phase, so zeigte sich bei 92 % der Patienten im Aprepitant-Arm im Gegensatz zu 84 % in der Kontrollgruppe ein signifikanter Unterschied. D.h. fast alle Patienten im Aprepitant-Arm hatten kein Erbrechen.“ Auch in der verzögerten Phase setzte sich die signifikante Überlegenheit des Aprepitant-Regimes fort (p<0,01). Von dem Aprepitant-haltigen Schema profitierten alle Studienteilnehmer unabhängig von der Art der Chemotherapie (AC- oder nicht-AC-haltig) und der Art des Tumors. Damit bietet die Kombinations-Prophylaxe mit Aprepitant bei einer Vielzahl moderat emetogener Regime – und über AC-basierte Schemata hinaus – einen signifikant besseren Schutz vor Übelkeit und Erbrechen als ein konventionelles Zweierregime aus einem 5-HT3-Rezeptorantagonisten und Dexamethason. Schmoll fasste zusammen: „Auf der Basis dieser Studie lässt sich die antiemetische Therapie vereinfachen und optimieren. Ich gehe davon aus, dass diese Änderungen in die Leitlinien – spätestens beim nächsten Update Ende des Jahres – übernommen werden.“
Nebenwirkungsprofil entscheidend bei Optimierung der Bisphosphonattherapie
Der Knochen ist ein häufiger Metastasierungsort, z.B. beim Mamma- und Prostatakarzinom. Bei bis zu 85 % aller Frauen mit Mammakarzinom kommt es zur Entwicklung ossärer Metastasen. „Patientinnen mit Knochenmetastasen überleben heute teilweise sehr lange mit ihrer Erkrankung. Diese Betroffenen haben nur dann eine gute Lebensqualität, wenn wir als Ärzte konsequent gegen Knochenmetastasen vorgehen und unnötige Nebenwirkungen vermeiden“, unterstrich Professor Dr. med. Ingo J. Diel, Mannheim. Denn es gibt mittlerweile wirksame Behandlungsmethoden, die nicht nur die Symptome lindern, sondern die auch das Wachstum der Metastasen hemmen. Bisphosphonate sind dabei die Mittel der Wahl. Der Experte verwies darauf, dass sich diese Substanzgruppe insbesondere durch die Forschungsanstrengungen bei Roche enorm entwickelt hat: Rund 20 Jahre ist es her, seit das Bisphosphonat der ersten Generation Etidronat (Diphos®) eingeführt wurde. Mit Clodronat (Ostac®) – einem Bisphosphonat der zweiten Generation, welches intravenös (1500 mg/über 4h alle 3-4 Wochen) oder oral (2 x 520 mg/tgl.) verabreicht werden kann – wurden die Bisphosphonate weiterhin optimiert. Einen Höhepunkt der Entwicklung stellte laut Diel die Einführung von Ibandronat (Bondronat®), dem stickstoffhaltigen Bisphosphonat der dritten Generation dar, welches seit Oktober 2003 zur Behandlung von Knochenmetastasen bei Brustkrebs als Infusion (6 mg alle 3-4 Wochen) und als Tablette (50 mg täglich) zur Verfügung steht. Aus der Gruppe der Bisphosphonate der dritten Generation ist nur Ibandronat sowohl oral als intravenös verfügbar. So kann bei starken Knochenschmerzen, die einen schnellen Wirkungseintritt erforderlich machen, Ibandronat als Infusion verabreicht werden. Ansonsten haben die Patienten die Möglichkeit, entsprechend ihren Bedürfnissen zwischen Infusion oder Tablette zu wählen. Beide Applikationsformen haben eine vergleichbare Effektivität in Zulassungsstudien belegt.
Warum die Einführung von Ibandronat in seinen Augen einen neuen Maßstab setzt, machte Diel in der Hauptsache am Verträglichkeitsprofil fest. Denn hinsichtlich der Effektivität unterscheiden sich die vier in der Onkologie heute verwendeten Bisphosphonate Clodronat, Pamidronat, Ibandronat und Zoledronat nur geringfügig. „Angesichts der ähnlichen Wirksamkeit sollten bei der Substanzwahl vor allem Überlegungen zum Nebenwirkungsspektrum im Mittelpunkt stehen, um die Patienten nicht noch zusätzlich durch die Supportivtherapie zu belasten“, so der Knochenspezialist. Bei zwei unerwünschten Wirkungen unter Bisphosphonattherapie zeigen sich die substanzspezifischen Unterschiede besonders deutlich: Bei der renalen Verträglichkeit und den Bisphosphonat-assoziierten Kieferosteonekrosen (BP-ONJ). Die Nierenverträglichkeit der Bisphosphonate ist besonders bei intravenöser Verabreichung von Bedeutung und spielt bei der oralen Applikation aufgrund der geringen Resorption kaum eine Rolle. Für i.v. Ibandronat konnte in Studien eine günstige Nierenverträglichkeit mit stabilen Serum-Kreatininwerten im Langzeitverlauf über 4 Jahre nachgewiesen werden (Bergner R. et al. Onkologie 2006;29:534-540, Pecherstorfer M et al. Clin Drug Invest 2006; 26: 315–322, Lühe A. et al. Toxicol In Vitro. 2008;22(4):899-909). Die beobachtete Inzidenz renaler Nebenwirkungen war insgesamt niedrig und bewegte sich auf Plazeboniveau. So ist – im Gegensatz zu anderen Bisphosphonaten – bei i.v. Ibandronat laut Fachinformation eine obligatorische Überprüfung der Nierenfunktion vor jeder Applikation nicht notwendig. Hinsichtlich der zweiten Nebenwirkung, bei der es unter den Bisphosphonaten wesentliche Unterschiede gibt, führte Diel aus, dass eine kumulative Betrachtung aller berichteten Fälle von Kieferosteonekrosen eine sehr geringe Inzidenz im Zusammenhang mit einer Ibandronat-Therapie zeigt: Die Daten vom Juli 2007 aus dem Deutschen Zentralregister Kiefernekrosen in der Charité Berlin zeigen, dass 68,2 % der Patienten mit Kieferosteonekrosen Zoledronsäure, 20,8 % Pamidronat und 4,6 % Ibandronat erhalten hatten.
- Abschließend ging Diel auf das Potenzial ein, welches Bisphosphonate in der adjuvanten Situation gezeigt haben. Eigene Untersuchungen als auch die Studie von Powles et al. an Clodronat bestätigten, dass Bisphosphonate vor der Entwicklung von Metastasen schützen können. Der Effekt von Ibandronat in der adjuvanten Therapie wird momentan in der GAIN-Studie an 3.025 Patientinnen sowie in der ICE-Intergroup-Untersuchung bei Frauen ≥65 Jahren überprüft. Diel sagte abschließend: „Bisphosphonate sind Substanzen mit einem hohen Potenzial. Vom adjuvanten Einsatz erwarte ich in der Zukunft noch einmal einen deutlichen Zugewinn für unsere Patienten“.
Download
Referat Prof. Dr. med. Petra Feyer zum Thema "Aktuelle Behandlungsstrategien bei der oralen Mukositis":
Abstract: Feyer_Abstract.pdf (22.09 KB)
Folien: Vortrag_Feyer.pdf (1.75 MB)Referat Prof. Dr. med. Hans-Joachim Schmoll zum Thema "Fortschritte in der antiemetischen Prophylaxe: Neue Studienergebnisse und erweiterte Strategien":
Abstract:
Schmoll_Abstract.pdf (13.85 KB)
Folien: Schmoll_Vortrag.pdf (231.47 KB)Referat Prof. Dr. med. Ingo J. Diel zum Thema "20 Jahre Bisphosphonat-Forschung bei Roche":
Abstract:
Diel_Abstract.pdf (12.20 KB)
Folien: Vortrag_Diel.pdf (2.66 MB)
Quelle: Fachpresse-Workshop zum Thema „Supportivtherapie in der Onkologie feiert 20. Geburtstag“ am 10.07.2009 in München.Der Workshop wurde freundlicherweise unterstützt von den Firmen EUSA Pharma, MSD SHARP & DOHME GMBH, Roche Pharma (POMME-med).